Die Autobombe am Times Square hätte ein Massaker in der Metropole anrichten können. Doch der Zünder des amateurhaft gebauten Sprengsatzes versagte.
Hamburg/New York. Der Times Square ist das kulturelle Herz von New York. Hier liegen die Theaterstraße Broadway und die 42. Straße, hier drängen sich täglich Abertausende Touristen unter den weltbekannten Leuchtreklamen. Der Times Square ist laut, grell, überfüllt - und potenziell tödlich verwundbar. Vor allem in der Nacht zum Sonntag, der geschäftigsten Zeit der Woche. Hätte ein T-Shirt-Verkäufer nicht so gut reagiert, dann hätte New Yorks berühmtester Platz zum Ort eines Massakers werden können.
Der Vietnam-Veteran bemerkte gegen 18.30 Uhr Ortszeit einen dunklen Geländewagen vom Typ Nissan Pathfinder mit getönten Scheiben, der seltsam schräg, mit laufendem Motor und Warnblinkanlage am Rand der 45. Straße nahe der 7. Avenue stand.
Aus dem Wagen drang Rauch. Der T-Shirt-Verkäufer alarmierte einen berittenen Polizisten, der den Geruch als den von brennendem Schießpulver identifizierte. Der Beamte scheuchte sofort sämtliche Touristen davon und benachrichtigte seine Kollegen. Der ganze Times Square wurde weiträumig abgesperrt, selbst mehrere der rund 40 Theater des Distrikts wurden evakuiert - oder schlossen die Zuschauer für einige Zeit sogar ein. Auch das Marriott-Marquis-Hotel gestattete niemandem, das Haus zu betreten oder zu verlassen.
Angst legte sich über die Stadt, Erinnerungen an den 11. September 2001 wurden wach. Feuerwehrleute hörten in dem verdächtigen Wagen eine Art Verpuffung. Ein Bombenräumkommando der Polizei ließ die Heckscheibe des Wagens von einem ferngesteuerten Roboter zertrümmern, dann nahmen die Experten den Inhalt des Wagens in Augenschein. Sie fanden zwei Flaschen Propangas, drei 20-Liter-Kanister Benzin, Feuerwerkskörper sowie zwei Uhren mit Batterien und eine Art Waffenschrank aus Metall. Es hätte ausgereicht, um den Wagen in einer feurigen Explosion zu zerreißen und glühende Metallteile quer über den Platz zu schleudern. "Wir haben großes Glück gehabt. Wir sind einer Situation entgangen, die äußerst tödlich hätte ausgehen können", sagte New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg. "Das hätte eine Explosion und ein ziemliches Feuer geben können."
US-Präsident Barack Obama ließ sich in Washington ständig auf dem Laufenden halten und sicherte der Stadt die Unterstützung seiner Regierung zu. Google Earth zeigte die Gegend um den Times Square aus Sicherheitsgründen nur verschwommen - mögliche Terroristen hätten sich über die Maßnahmen der Polizei anhand des Programms informieren können. Die Evakuierung des Platzes wurde erst nach zehn Stunden aufgehoben. Gestern Abend bekannte sich eine pakistanische Talibangruppe zu der Tat. Doch der New Yorker Polizeichef Ray Kelly sieht für diese Behauptung keine Anhaltspunkte. Die Beamten suchten vielmehr einen "weißen Mann in seinen 40ern", der von Videokameras aufgenommen worden sei, sagte Kelly.
Die Bombe war zwar amateurhaft gebaut und hatte wohl aufgrund einer fehlerhaften Verdrahtung nicht richtig gezündet, doch die Umstände lassen auf eine sorgfältige Planung schließen. So waren die Nummernschilder des Wagens von einem Schrottplatz gestohlen worden; sie gehörten zu einem Auto, das dort kürzlich verschrottet worden war. Die Fahrzeug-Identifikationsnummern waren entfernt worden, doch die mit der Untersuchung beauftragten Experten zeigten sich zuversichtlich, sie rekonstruieren zu können. Die Bundespolizei FBI war als Teil einer gemeinsamen Anti-Terror-Einheit der verschiedenen US-Behörden vor Ort. Ein Sprecher sagte gegenüber CNN, das FBI nehme die Situation "sehr ernst".
"Wissen Sie - wir sagen oft, wenn wir einen Terroristen fassen, dann hat er eine Karte von New York in der Tasche", sagte Bürgermeister Bloomberg, "heute sind wir wieder an die Gefahr, in der wir schweben, erinnert worden." Der abends vor Menschen wimmelnde Times Square im Herzen von Manhattan hatte seit Langem als mögliches Terror-Ziel gegolten. Zwölf Häuserblocks wurden abgesperrt. Krankenwagen, Feuerwehrfahrzeuge und Polizeiwagen fuhren auf, mit Sturmgewehren bewaffnete Polizisten sicherten die Kreuzungen. Der Verkehr wurde umgeleitet, und für einige Stunden kehrte ungewohnte Ruhe am Times Square ein. Viele Touristen waren gezwungen, außerhalb der Absperrung zu warten, bis sie wieder in ihre Hotels in der Sperrzone zurückkehren durften. Reporter der "New York Times" stießen am Morgen auf Touristen, die gerade angekommen waren und die berühmte Straße sehen wollten - von der Bombe hatten sie nichts gehört. "Ich dachte, hier wäre es irre überfüllt", staunte Erica Mitchell, 23, und ihre Freundin Chelsea Gaunt pflichtete ihr bei: "Ich wusste gar nicht, dass eine Stadt so ruhig sein kann."