Washington. Trumps Kampfansage an Transgender-Menschen ist zum Teil verfassungswidrig. Eine Lawine von Prozessen scheint unausweichlich.
Kritisch hat Donald Trump der LGBTQ-Gemeinde schon immer gegenübergestanden. Während des Wahlkampfes hat bei Trump und seinen republikanischen Kollegen die Ablehnung aber neue Dimensionen angenommen. Besonders hart wird das Misstrauen des künftigen US-Präsidenten Transgender-Menschen treffen. Nicht-binäre Menschen müssen sich darauf einstellen, dass ihnen die Krankenversicherung gestrichen wird. Zudem will Trump Schulen und Universitäten, die Geschlechtsumwandlungen dulden, den Geldhahn abdrehen. Eine Flut von Zivilprozessen, die bis zum Obersten Gerichtshof gehen könnten, erscheint unvermeidlich.
Als Vizepräsidentin Kamala Harris Ende Juli ihren Chef Joe Biden als Spitzenkandidatin der demokratischen Partei ablöste, konzentrierte Trump sich prompt auf politische Schwachstellen, die seiner Gegnerin zum Verhängnis werden könnten. Eine bevorzugte Zielscheibe seiner Kritik: Dass Harris sich als oberste Staatsanwältin von Kalifornien dafür eingesetzt hatte, dass der Staat Geschlechtsumwandlungen für inhaftierte Straftäter bezahlt. Werbespots des Immobilien-Tycoons schlossen mit den simplen Worten: „Kamala is for they / them, President Trump is for you“. Im Klartext: Harris kämpft für Transpersonen, Trump kämpft für euch.
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Donald Trump gegen Transgender: Konkrete Pläne werden bekannt
Als er im November die Wahl gewann, wurde Trump konkreter. „An meinem ersten Tag im Amt werde ich ein Dekret unterschreiben, das jede Bundesbehörde anweist, die Geschlechtstransformationen fördert, diese sofort einzustellen“. Weigert sich eine staatliche Instanz, seiner Anordnung zu folgen, dann werde er deren Budget sofort zusammenstreichen. Dazu könnte das Gesundheitsministerium zählen, das künftig der umstrittene Robert F. Kennedy Junior leiten soll. Aber auch andere Behörden, die sich für Gleichbehandlung einsetzen, etwa das Bildungsressort oder das Wohnbauministerium.
Der künftige Präsident geht aber deutlich weiter. So würden Krankenhäuser und Kliniken, die Hormonbehandlungen und Geschlechtsumwandlungen bei Minderjährigen durchführen, Zuschüsse aus Washington verlieren. Ein besonderes Anliegen des konservativen Parteiflügels: Dass Männern, die sich einer operativen Geschlechtstransformation unterzogen haben, die Teilnahme am Frauensport strikt untersagt wird.
USA: Transfrau in Uni-Team sorgte für Aufsehen
Für ein entsprechendes Verbot hatten sich Anhänger von Trumps „Make America Great Again“-Bewegung (MAGA) stark gemacht. So lautete bei dem republikanischen Parteikonvent in Milwaukee eines von 20 Versprechen: „Haltet Männer vom Frauensport fern“. Vorausgegangen war dem ein Skandal um die Damen-Volleyballmannschaft der San José State University in Kalifornien. Im Kader der Universitätsmannschaft befand sich eine junge Transfrau, deren Teilnahme zum Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren wurde. Im Verlauf der Saison boykottierten nicht weniger als sechs Gegner von San Jose State Begegnungen, zuletzt sogar im Turnier um die Meisterschaft.
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Trumps Kampfansage an Transgender-Menschen würde auch Empfänger staatlicher Sozialleistungen treffen. Sowohl Medicare (die Gesundheitsvorsorge für Rentner) als auch Medicaid – die Krankenversicherung für ärmere Haushalte – finanzieren seit zehn Jahren einige Behandlungen für nicht-binäre Personen. Zudem verbietet der Affordable Care Act (ACA) – auch als Obamacare bekannt – die Diskriminierung von Transgender-Personen. Davon aber lässt sich Trump nicht beirren. Er will durchsetzen, dass die staatlichen Versicherungsprogramme sämtliche Behandlungen, die Geschlechtsumwandlungen fördern, einstellen.
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Feldzug gegen Transgender-Menschen: Prozesslawine gegen Trump erwartet
Folglich wäre eine Lawine von Prozessen unausweichlich, glaubt die Rechtsanwältin Sasha Buchert. Sie arbeitet für die Kanzlei Lambda Legal, die sich für Transgender-Recht engagiert. Sie vertrat intergeschlechtliche Soldaten in einem Gerichtsverfahren gegen die erste Trump-Administration. Dies hatte Transpersonen den Eintritt in das Militär verboten.
Buchert weist darauf hin, dass ein Zusatz zu dem 60 Jahre alten Civil Rights Act den Schutz von Transgender-Rechten vorschreibt. Daher sei die Streichung von Medicare- und Medicaid-Leistungen verfassungswidrig. „Es wird wieder jede Menge Prozesse geben“, sagt sie. Wie auch bei der Abtreibungsdebatte könnten diese bis zum Verfassungsgericht gehen. Vorstellbar sei, dass der mehrheitlich konservative Supreme Court wie im Fall „Roe vs. Wade“ vorgeht: Das Gremium kippte das 50 Jahre alte Urteil, das Frauen das Recht einräumte, frei über einen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden. „Das könnte bei Transgender-Rechten in ähnliche Richtung gehen“, warnt Buchert. „Darauf sind wir aber vorbereitet und würden angemessen reagieren.“
USA: Hochkonjunktur bei Beratungsdiensten
Unterdessen laufen bei Beratungsdiensten die Telefone heiß. „Gerade jüngere Menschen, die seit Jahren ohnehin schon mit ihrer sexuellen Identität ringen, leben nun in totaler Angst“, sagt Claire G., die in Maryland für eine Transgender-Hotline die Telefone beantwortet. Auch ziehen viele Kandidaten für Geschlechtsumwandlungen einfach um.
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Als „Refugium“ für nicht-binäre Menschen versteht sich Minnesota, das von konservativen Staaten mit strikten Verboten umzingelt ist. In Minnesota können aber selbst Minderjährige entsprechend behandelt werden. „Jedes Jahr kommen hunderte von verzweifelten Transgender-Personen zu uns“, sagt Annie van Avery, Direktorin der Family Tree Health Clinic. Sie ist fest überzeugt, dass unter der kommenden Trump-Regierung deren Zahl dramatisch steigen wird.