Berlin. Bei „Hart aber fair“ geht es um den künftigen Plan für Deutschland. Doch die Teilnehmer zerstreiten sich bei den üblichen Reizthemen.
Nach der erfolgreich gestellten Vertrauensfrage am Montag steht nun fest, dass in gut zwei Monaten neu gewählt wird. Dass sich die deutschen Politiker und Politikerinnen längst im Wahlkampf befinden, wird bei „Hart aber fair“ an diesem „historischen Tag“, wie ihn einige der Gäste des Abends nennen, mehr als deutlich.
„Hart aber fair“ – das waren die Gäste:
- Saskia Esken, Parteivorsitzende (SPD)
- Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt (CDU)
- Christian Dürr, Fraktionsvorsitzender im Bundestag (FDP)
- Svenja Bolldorf, Angestellte bei Ford in Köln
- Gregor Gysi, Bundestagsabgeordneter (Die Linke)
- Melanie Amann, stellvertretende Chefredakteurin „Der Spiegel”
Das Thema der Sendung lautet „Politik in der Vertrauenskrise: Wer hat jetzt den Plan für Deutschland?“. Moderator Louis Klamroth hangelt sich deshalb an populären Wahlkampfthemen durch den Abend.
„Hart aber fair“ in der ARD: Ford-Angestellte fordert mehr Stabilität und Planungssicherheit
Eins davon ist die schwächelnde Wirtschaft im Land. Stellvertretend dafür ist die Ford-Angestellte Svenja Bolldorf aus Köln zu Gast. Das Unternehmen hatte angekündigt, in Deutschland 2.900 Stellen abzubauen. Die dritte Kürzungsrunde innerhalb von fünf Jahren, wie Bolldorf erzählt.
Sie selbst habe zwar eine Beschäftigungssicherung bis 2030, doch als Vertrauensfrau in der Firma weiß sie: „Es war ein großer Schock.” Ihre Forderung an die Politik lautet deshalb: „Es muss generell mehr Stabilität und Planungssicherheit geben.” Diesen Satz wiederholt Bolldorf mehrfach. Einmal sogar lautstark, als Reiner Haseloff, der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt (CDU) sagt, dass man sich „in der Taktung für den Sektor Mobilität vertan habe”. „Wir kommen zwar nicht drumherum, aber wie sollen wir es machen, wenn die Bürger nicht mitziehen”, so sein Einwand.
Die Regierung habe nicht verstanden, dass sie „investieren muss, damit die Einnahmen wieder fließen”, meint der Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi (Die Linke). Mit Investitionen müsse dafür gesorgt werden, dass es den derzeitigen Kindern wieder besser gehe als den Eltern. „Sonst kaufen die Leute nichts mehr”, meint er.
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Schuldenbremse ist immer wieder Streitthema
Bei der Frage, wo das Geld für all die nötigen Investitionen herkommen soll, landet die Runde schließlich schnell beim Thema Schuldenbremse. SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken erklärt das am Beispiel der „schwäbischen Hausfrau”. „Wenn der Kühlschrank kaputt ist, dann werde ich keinen Kredit für einen neuen aufnehmen”, sagt sie. „Wenn aber das Dach kaputt ist und es schon reinregnet, dann werde ich einen aufnehmen, damit nicht das ganze Haus verrottet.”
Reiner Haseloff sieht das anders und stellt mal wieder das Bürgergeld zur Debatte. Würde die Union die Neuwahl gewinnen, dann käme das auf jeden Fall auf die Tagesordnung, sagt er. Auch wenn die Partei beim Thema Schuldenbremse „herumschlingert”, wie Klamroth es nennt, ist die sich die stellvertretende „Spiegel”-Chefredakteurin Melanie Amann sicher, dass sie das Thema angehen wird. „Diesen Streit haben wir nach der Wahl wieder”, sagt sie. „Egal bei welcher Regierung. Ich habe große Sorge, dass es wieder eine Koalition zu dritt geben wird und das wieder nicht funktioniert.”
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Journalistin nennt Dürr bei „Hart aber fair” polemisch
Auch die Themen soziale Gerechtigkeit und gestiegene Lebenshaltungskosten sind im Wahlkampf wichtig. Die SPD schlägt in ihrem Programm deshalb eine Mehrwertsteuersenkung von sieben auf fünf Prozent für Lebensmittel vor. Christian Dürr ist Fraktionsvorsitzender im Bundestag (FDP) und wertet den Vorschlag vehement ab, meint, etwaige Auswirkungen würden kaum spürbar sein. Esken nennt seine Aussagen „lächerlich” und „vorbei an der Lebensrealität von echten Menschen”.
Amann stimmt dem zu, spricht von einer „gewaltigen Dimension”, nennt Dürr „polemisch”. „Natürlich werden die Menschen das spüren”, so die Journalistin. Probleme sieht sie eher in den Kosten der Maßnahme und der Kontrolle.
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Beim Thema Migration erntet Gysi gleich zweimal Applaus aus dem Publikum
Haseloff sieht noch ein anderes Problem. „Entscheidend ist, ob ich überhaupt noch Arbeit habe, um einkaufen zu gehen”, sagt er und leitet damit zum letzten Wahlkampfthema des Abends, dem der Migration über. Denn das ist neben der Jobsicherheit für die Bürgerinnen und Bürger im Land ein entscheidendes.
Das Thema wird anhand des kürzlich von Jens Spahn (CDU) gemachten Vorschlags – 1.000 Euro Prämie für Syrienrückkehrer – abgehandelt. Haseloff sieht darin einen probaten Vorschlag, die „ausreichend vorhandenen abgelehnten und straffällig gewordenen Menschen im Land” in ihre Herkunftsländer zu schicken. Daraufhin entsteht ein lautstarker Streit bei dem Esken wütend sagt: „Es geht doch nicht um Abschiebungen von Straftätern. Denen wollen Sie doch nicht 1.000 Euro zahlen.”
Und Gysi wettert in Richtung des CDU-Manns: „Es muss aber auch anstrengend sein, so zu reden.” Dafür bekommt der Linken-Politiker lauten Applaus aus dem Publikum. Amann meint, dass man das Problem der Migration angehen müsse und es keine schlechte Idee sei, Menschen bei der Rückkehr zu unterstützen. „Aber wenn so ein Vorschlag nach wenigen Stunden kommt, hat das den unangenehmen Unterton: ‚Wählt uns, dann seid ihr die Ausländer los‘”, meint sie. Oder wie Gysi es unter erneutem Applaus formuliert: „Wir müssen das Thema Migration neu ordnen, dürfen aber nie die Positionen der AfD übernehmen.”
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