Paris. François Bayrou ist neuer Premierminister von Frankreich. Seine Laufbahn lief nicht immer glatt. Auch eine Affäre war ihm bereist anhängig.
Wenn François Bayrou sagt, er sei ein Mann der Mitte, ist das – im Unterschied zu Emmanuel Macron – keine aufgesetzte Schönrednerei. Als guter Katholik will es der neue Premierminister Frankreichs allen recht machen; zugleich ist er wirklich liberal – im gesellschaftlichen eher als im wirtschaftlichen Sinn – und sehr proeuropäisch. Ganz Reformer, nicht Revoluzzer, äußerte sich Bayrou auch schon skeptisch über Macrons Rentenreform oder Ausländergesetz.
Denn er ist kein Radikaler, er ist einer vom Land. Der heute 73-jährige Vater von sechs Kindern und Großvater von 21 Enkeln stammt aus dem armen Pyrenäengebiet Béarn, dessen Lokaldialekt er fließend spricht. Das Béarn ist so etwas wie das Gegenteil des hektischen, elitären Paris. François wuchs als Bauernsohn auf, unweit vom Wallfahrtsort Lourdes und dem französischen Baskenland.
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Seine vielleicht größte Leistung war, dass er sein Stottern erfolgreich überwand. Er wurde Lehrer, später Pferdezüchter, bevor es ihn in die Politik zog. Seit 1993, als er erstmals Minister wurde, mischt er in der französischen Politik mit; aber auch als bekannter Name schaffte er es nie nach ganz oben. 2007 verpasste er mit 18,5 Prozent nur knapp den Einzug ins Präsidentenwahl-Finale hinter Nicolas Sarkozy und Ségolène Royal. Danach gründete er die Mittepartei Modem, einen Anleger des schrumpfenden christdemokratischen Lagers.
Macron hatte Bayrou schon 2017 ein erstes Mal zu seinem Justizminister gemacht; dieser hielt sich aber nur 34 Tage, dann musste er mit anderen Modem-Vertretern wegen einer Veruntreuungsaffäre im EU-Parlament abtreten. In diesem Februar wurde er mangels Beweisen freigesprochen, doch seine Karriere schien trotzdem am Ende.
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„Die Zentrumsdemokraten verspeist man zum Frühstück“
Nun wird Bayrou im Alter immerhin noch Premierminister. Garantiert ist es nicht, dass sich der gute Hirte aus dem Béarn gegen die Haie im Pariser Politbecken – die Macrons, Sarkozys und Le Pens – durchsetzen oder zumindest behaupten kann. „Die Zentrumsdemokraten verspeist man zum Frühstück“, sagte der Gaullist Jacques Chirac einmal verächtlich. Aber der Bauernsohn Bayrou hat etwas Zähes, Unverwüstliches. Sollen sie mich doch kennenlernen, sagte er sich wohl am Freitag im großen Paris, als er immerhin Premierminister geworden ist.