Berlin/Brüssel. Drei Jahre Krieg und noch immer fließt russisches Gas durch die Ukraine. Warum damit jetzt Schluss ist und was das für die Versorgung heißt.

Noch fließt das Gas. Nach fast drei Jahren Krieg sind fast alle wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland zum Erliegen gekommen. Doch eine hat den Konflikt bis jetzt überlebt: Ausgerechnet durch die Ukraine fließt derzeit noch russisches Gas nach Zentraleuropa. Aus den Gasfeldern Sibiriens kommt es im Nordosten der Ukraine an und erreicht im Westen die Grenzen zur Slowakei und Ungarn. Allerdings nicht mehr lang: Zum Jahreswechsel läuft der Transitvertrag zwischen Russland und der Ukraine aus. Mehrere europäische Staaten müssen sich dann neue Quellen für Gaslieferungen suchen.

2024 importierten EU-Staaten etwa 380 Terawattstunden russisches Gas, etwas weniger als ein Drittel davon durch die Transgas-Pipeline durch die Ukraine. Für die Union als Ganzes ist Russland als Lieferant damit inzwischen marginal, nur rund fünf Prozent der Importe stammen aus dem Land. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sind Norwegen und die USA zu den wichtigsten Gaslieferanten Europas aufgestiegen. In einigen zentraleuropäischen Staaten aber spielt russisches Gas eine große Rolle: Für die Slowakei und Ungarn ist die Transgas-Pipeline noch immer eine wichtige Versorgungslinie – und die fällt jetzt weg.

EU-Kommission: Versorgungssicherheit nicht gefährdet

Trotzdem sieht man in Brüssel dem Ende des Gastransit gelassen entgegen. „Die EU hat sich seit vielen Monaten auf das Ende des Gastransits durch die Ukraine eingestellt und ist gut vorbereitet. Wir sind bereit, ohne dieses russische Gas zu leben“, sagt eine Sprecherin der EU-Kommission unserer Redaktion. Dabei habe die Kommission sehr eng mit den Mitgliedstaaten, insbesondere mit den am stärksten vom Ende des Transgas-Abkommens betroffenen, an Möglichkeiten für Versorgungsalternativen gearbeitet. Für die Brüsseler Behörde ist deshalb klar: „Die Kommission wird die Ukraine nicht an den Verhandlungstisch mit Russland drängen, um eine Verlängerung dieses Gastransitabkommens zu erreichen.“ 

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Auch die Versorgungssicherheit ist nach Einschätzung der Brüsseler Behörde nicht gefährdet: „Europa kommt in diesem Winter ohne das russische Gas aus, das über die Ukraine transportiert wird“, erklärte die Kommissionssprecherin. Dank der Vorbereitungen und Diversifizierungsbemühungen könne Europa seinen Bedarf für den Winter decken und seine Gasspeicher im Frühjahr 2025 wieder auffüllen, ohne russisches Pipelinegas zu verwenden. 

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„Diversifizierungsbemühungen“ heißt dabei vor allem: LNG. Nicht nur in Deutschland, auch in anderen europäischen Ländern wurde die Infrastruktur für den Import von Flüssiggas seit dem russischen Überfall auf die Ukraine deutlich ausgebaut, viele weitere Projekte sollen in den kommenden Jahren noch entstehen.

Kein Pipeline-Gas mehr durch die Ukraine: Expertin erwartet kurzzeitigen Preisanstieg

Zumindest kurzfristig könnte der Ersatz der russischen Lieferungen die Gaspreise dabei nach oben treiben, sagt Ugnė Keliauskaitė, Gasmarkt-Expertin der Brüsseler Denkfabrik Bruegel. „Insbesondere die Slowakei wird am Ende der Lieferkette stehen und den Effekt spüren“, sagt sie. Große Preissprünge erwartet sie aber nicht. Das Ende der Lieferungen durch die Ukraine sei seit Langem erwartet worden, die Staaten hätten Zeit gehabt, sich vorzubereiten.

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Über 1000 Tage Krieg in der Ukraine

Im Krisenmodus

Eine andere Möglichkeit, die ausfallenden Mengen zu ersetzen, sind Lieferungen aus Aserbaidschan – durch eben jene Pipeline, durch die jetzt noch russisches Gas fließt. Dem selbstgesteckten Ziel der EU, 2027 alle russischen Importe zu stoppen, würde man damit aber kaum näherkommen, sagt Analystin Keliauskaitė. Denn kurzfristig produziere Aserbaidschan nicht genug Gas, um die Liefermengen aus Russland an die EU vollständig zu ersetzen. Die Ex-Sowjetrepublik würde deshalb selbst bei Russland einkaufen gehen. „Ein solches Tauschgeschäft würde implizieren, dass man weiterhin russisches Gas bekommt, mit einem neuen Etikett und einem neuen Zwischenhändler“, sagt Keliauskaitė. Trotzdem ist vor allem in der Slowakei das Interesse an Lieferungen aus Aserbaidschan groß. Der größte slowakische Energieversorger SPP verkündete im November eine Pilot-Vereinbarung mit dem aserbaidschanischen Staatsunternehmen SOCAR.

Im deutschen Wirtschaftsministerium betont man, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet sei und man auch auf die Unterstützung anderer EU-Staaten vorbereitet sei. „Die Kapazitäten an den deutschen LNG-Terminals stehen Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten zur Verfügung.“

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Ein deutsches LNG-Terminal könnte von der Situation sogar profitieren

Vor allem eines dieser Terminals könnte von der Situation sogar profitieren. Das umstrittene LNG-Terminal vor Rügen hatte die Bundesregierung unter anderem mit der Begründung durchgesetzt, dass es als einziges deutsches Ostsee-Terminal wichtig sei für die mögliche Mitversorgung zentraleuropäischer Länder. Bislang ist die Anlage nur sehr wenig ausgelastet, das könnte sich jetzt ändern. Das LNG-Terminal Mukran „ist ein wesentlicher Teil der LNG-Strategie“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums auf Anfrage. „Die Versorgung Ost- und Süddeutschlands sowie der angrenzenden Nachbarstaaten ohne Küstenzugang wird so auch bei Ausfall von Lieferungen oder Havarien an zentralen Transportinfrastrukturen jederzeit sichergestellt.“

Zumindest theoretisch denkbar ist auch, dass der Transit-Vertrag zwischen der Ukraine und Russland verlängert wird. Das ist aber nicht abzusehen.