Berlin. In Russland nimmt die Verfolgung Minderjähriger zu: 35 Jugendliche wurden seit 2009 angezeigt. Kevin Lick (19) erzählt seine Geschichte.

In Russland verschärft sich die Repression gegen Andersdenkende, wobei zunehmend auch Minderjährige ins Fadenkreuz der Behörden geraten. Seit 2009 wurden laut der unabhängigen Organisation OVD-Info mindestens 35 Minderjährige mit politisch motivierten Strafanzeigen konfrontiert. 23 dieser Fälle wurden seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Jahr 2022 initiiert.

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Deutschrussischer Teenager zum jüngsten Staatsverräter verurteilt

Kevin Lick, ein deutschrussischer Jugendlicher, wurde mit nur 17 Jahren zum jüngsten Verurteilten in der modernen russischen Geschichte wegen Staatsverrats.

Der Fall unterstreicht die zunehmende Härte, mit der Russland gegen vermeintlich Andersdenkende vorgeht – selbst wenn es sich um Minderjährige handelt. Die Anklage warf Lick vor, militärische Objekte fotografiert zu haben, um diese an ausländische Geheimdienste weiterzugeben – Vorwürfe, die der Teenager vehement zurückwies.

Trotz seiner Unschuldsbeteuerungen wurde er am 23. August 2023 verhaftet und zu einer Haftstrafe verurteilt. Im Gefängnis erlebte Lick nach eigenen Angaben traumatische Zustände. Er berichtet von Einzelhaft, körperlichen Misshandlungen und brutalen Haftbedingungen.

„Rückblickend hat das natürlich Narben hinterlassen“, sagte er und räumte ein, dass er bis heute mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung zu kämpfen hat.

Teenager inhaftiert: Licks unverhoffter Weg in die Freiheit

Im August 2024 kam für Lick die unverhoffte Wende. Er wurde im Rahmen eines großen Gefangenenaustauschs zwischen Russland, den USA und anderen westlichen Nationen freigelassen. Dieser Austausch, der größte seit dem Kalten Krieg, betraf jedoch weniger als zwei Prozent der politischen Gefangenen in russischen Gefängnissen.

In Deutschland wiedervereint mit seiner Familie, setzt sich Lick für politische Gefangene ein. Er marschierte bei einem Protest am 17. November in Berlin an der Seite von Julia Navalnaja, der Witwe Alexej Navalnys, und anderen exilierten Oppositionsführern.

Antikriegsdemonstration der russischen Opposition in Berlin
Kevin Lick (4.v.r.-l), auf einem Protest im November in Berlin gegen Putin und den Krieg unter dem Motto „Nein zu Putin! Nein zum Krieg! Freiheit für politische Gefangene!“ © DPA Images | Fabian Sommer

Lick hat einen deutlichen Appell

Lick richtet einen eindringlichen Appell an junge Russen: „Wenn sie euch zum Militär einziehen wollen, geht einfach nicht hin. Meiner Meinung nach ist es besser, ins Gefängnis zu gehen, als eine Tötungsmaschine in der Ukraine zu sein.“

Seine Geschichte steht stellvertretend für viele junge Menschen in Russland, die für ihre Anti-Kriegs-Haltung Repressalien ausgesetzt sind. „Sie sind nicht nur Statistiken“, betont Lick. „Sie sind Teil Russlands und Teil der Zukunft Russlands. Und wir müssen sicherstellen, dass diese Zukunft nicht von der Regierung gestohlen wird.“

Das besagt die russische Gesetzgebung

Die russische Gesetzgebung erlaubt die strafrechtliche Verfolgung von Kindern ab 14 Jahren für schwere Verbrechen, einschließlich Terrorismus und Landesverrat.

Zu den Vorwürfen haben sich die russischen Behörden bislang nicht geäußert. Auch auf Anfrage des US-Senders CNN an die russische Strafvollzugsbehörde folgte kein Kommentar zu den Vorwürfen.