Wiesbaden. Der Vizekanzler soll heute als Grünen-Spitze im Wahlkampf bestätigt werden. Seine erste Wortmeldung kommt bei den Delegierten gut an.
Die Grünen waren nicht die Partei, die das Ende der gescheiterten Ampel-Koalition provoziert hat. Aber dass sich dieses Ende für viele von ihnen trotzdem mit einem Gefühl der Erleichterung verbindet, das können die Delegierten des Parteitags in Wiesbaden nicht verbergen.
Die Partei wäre vielleicht anders in das seit langem geplante Delegiertentreffen gestartet, sagt Robert Habeck, als er am Freitagabend auf der Bühne steht, wäre die Regierung nicht zerbrochen. Vielleicht, führt der Vizekanzler aus, hätte die Partei sich dann drei Tage lang mit dem Rückblick auf das Ampel-Bündnis beschäftigt, rote Linien gezogen und definiert, wie weit man in Kompromissen mit Christian Lindner und der FDP noch gehen könne. „Das müssen wir alles nicht mehr machen“, ruft er dann, „es gibt keinen Christian Lindner und es gibt keine FDP mehr in der Regierung.“ Und der große Applaus in der Halle zeigt, dass die mehr als 800 Delegierten damit gut leben können.
Habeck warnt vor autokratischen Regimen: „Keiner weiß mehr, was richtig und falsch ist“
Keine Rückschau also an diesem Abend auf eine Regierung, die der Partei viele harte Kompromisse abgefordert hat. Stattdessen fordert Habeck, die Partei müsse nach vorne schauen auf die kommenden drei Monate: Die Grünen hätten jetzt die Aufgabe, Orientierung zu geben und zu erklären, was in der Welt los sei. Und los sei, „dass die autokratischen Regime mit ihren Mitteln einen Angriff auf die freiheitliche Demokratie“ organisieren würden, sagt Habeck. „Sie destabilisieren die Institutionen, sie nutzen die Medien und alles verschwimmt auf einmal und keiner weiß mehr, was richtig und falsch ist und was wahr und was Lüge ist“.
Die Antwort Deutschlands, wenn es nach ihm geht, ist nicht mehr Nationalismus oder mehr Nationalstaaten, sondern ein Bündnis der Demokratien in einer Europäischen Union, die stärker werden müsse. „Wir geben Antworten, die andere nicht geben“, sagte Habeck, unterbrochen von Jubel.
Am Sonntag können Delegierte Habeck „erzählen, was euch so bewegt“
Autokratie gegen Freiheit und Demokratie – es ist ein Gegensatz, den Habeck auch zum Thema im Wahlkampf machen will. Am heutigen Sonntag soll die Partei den Wirtschaftsminister bestätigen als denjenigen, der für sie an der Spitze dieses Wahlkampfs stehen soll. Das Wort Kanzlerkandidat vermeiden die Grünen dabei allerdings – im entsprechenden Antrag steht lediglich, die Partei trete mit ihm an „als Kandidat für die Menschen in Deutschland.“ „Robert Habeck hat das Zeug zu einem guten Bundeskanzler“, heißt es weiter. An seine Seite stellt die Partei dabei Außenministerin Annalena Baerbock, die beiden sollen ein Spitzenduo formen.
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Der Bundeswirtschaftsminister hatte sich mit seiner Tendenz, für die Grünen schwierige Kompromisse einzugehen, um die jetzt gescheiterten Regierung zusammenzuhalten, in der eigenen Partei nicht nur Freunde gemacht. Wie groß der Unmut vor allem im linken Flügel der Partei sind, werden die Debatten im Lauf des Wochenendes zeigen. Die Parteitagsführung erinnerte nach Habecks Rede an ein Debattenformat, das für den Sonntag angesetzt ist. Da hätten die Delegierten dann Gelegenheit, „Robert zu erzählen, was euch so bewegt“.