Wiesbaden. Die Grünen wollen Habeck zum Kanzlerkandidaten machen – doch er bleibt nicht alleine. Auch Annalena Baerbock soll eine Rolle spielen.
So richtig offiziell wird es erst kurz vor dem Parteitag. Am Donnerstag, nur einen Tag vor Beginn ihres Treffens in Wiesbaden, stellt der Bundesvorstand der Grünen, der nur noch bis zu diesem Wochenende im Amt ist, einen Antrag. Unter der Überschrift „Kandidat für die Menschen in Deutschland“ machte die Parteiführung öffentlich, was längst kein Geheimnis mehr war: Robert Habeck soll die Grünen in den Bundestagswahlkampf führen. Und auch ins Kanzleramt – ein bisschen jedenfalls.
Denn das Wort Kanzlerkandidat wird im Text sorgfältig vermieden, nicht einmal den Anspruch, stärkste Kraft zu werden, melden die Grünen an. „Wir kämpfen für ein starkes grünes Ergebnis bei der kommenden Bundestagswahl“, heißt es stattdessen schlicht. Und: „Robert Habeck hat das Zeug zu einem guten Bundeskanzler“. Alleine bleiben soll er aber nicht, stattdessen soll der Kandidat, der nicht Kanzlerkandidat genannt wird, „im Spitzenduo mit Annalena Baerbock“ arbeiten.
Es ist eine bemerkenswert verdruckste Art anzukündigen, dass Habeck für die Grünen um das mächtigste Regierungsamt im Staat kämpfen soll. An diesem Sonntag sollen die Delegierten beim Grünen-Parteitag in Wiesbaden den Wirtschaftsminister und Vizekanzler an die Spitze ihres Wahlkampfs stellen. Doch schon vor der offiziellen Bestätigung Habecks durch die Partei scheint ein Fragezeichen dahinterzustehen, wie ernst es die Grünen mit dem erneuten Anlauf aufs Kanzleramt – und ihrem Kandidaten – wirklich meinen.
Die Grünen wollen verhindern, dass nur Scholz und Merz ans Kandidaten gelten
Die Zurückhaltung ist begründet: In den Umfragen stehen die Grünen seit Monaten hartnäckig bei 10 bis 12 Prozent, auch das Aus der ungeliebten Ampel-Koalition hat daran nichts geändert. Von der Union als Spitzenreiter trennen die Partei derzeit rund 20 Prozentpunkte. In dieser Situation einen Kanzlerkandidaten auszurufen, fürchtet man in der Partei, könnte den Grünen als vermessen ausgelegt werden.
- Wahlprogramme: Die teuren Wahlgeschenke der Parteien
- Vertrauensfrage: So wird Deutschland jetzt regiert
- FDP-Chef Lindner: Warum er keine Elternzeit nehmen will
- Interview: Buschmann – „Wenn jemand die Ampel gesprengt hat, dann der Kanzler“
- Sonntagsfrage: Aktuelle Umfragen – und welche Koalitionen möglich wären
Gleichzeitig wollen die Grünen verhindern, dass nur Olaf Scholz und Friedrich Merz überhaupt als mögliche nächste Bundeskanzler wahrgenommen werden. Ein Wahlkampf, der auf diese beiden zugespitzt ist, könnte die Grünen wichtige Stimmen kosten.
Bei den Grünen heißt es, das Verhältnis zu Baerbock sei wieder sehr eng
Das Ergebnis ist der Versuch, gleichzeitig selbstbewusst und mit der gebotenen Demut aufzutreten. Auch Robert Habeck selbst hatte das Wort Kanzlerkandidat nicht ausgesprochen, als er vor einer Woche in einem Video seine Kandidatur ankündigte. Nur dass er bereit sei, seine Erfahrung, Kraft und Verantwortung anzubieten, sagte er – „wenn Sie wollen, auch als Kanzler“.
Doch es sind nicht nur die schlechten Umfragewerte, die Habeck ein Stück Zurückhaltung abverlangen. Mit seiner Tendenz, für den Zusammenhalt der jetzt gescheiterten Regierung für die Grünen sehr schwierige Kompromisse einzugehen, hatte er sich in der eigenen Partei nicht nur Freunde gemacht. Im Antrag zu seiner Kandidatur zu betonen, dass er als Teil eines Spitzenduos mit Außenministerin Annalena Baerbock antritt, könnte helfen, diesen Unmut ein wenig abzufangen. Aus Parteikreisen heißt es, die beiden würden inzwischen wieder sehr eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten.