Berlin. Scholz ist als Ampel-Kanzler verbrannt, blass und unbeliebt. Will die SPD ihn austauschen, sollte sie das bis zur „Wahlsiegkonferenz“ tun.
Von einem Putsch gegen Olaf Scholz ist in der SPD bisher nichts zu spüren. Die Parteispitze steht hinter Scholz und seiner erneuten Kanzlerkandidatur. Von den Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil über Fraktionschef Rolf Mützenich bis zu der in der SPD einflussreichen saarländischen Ministerpräsidentin Anke Rehlinger haben sich prominente Sozialdemokraten ausdrücklich für Scholz ausgesprochen.
Dass dies überhaupt notwendig ist, ergibt sich aus den Umfragen. Scholz hat seit seinem Wahlsieg 2021 beständig an Unterstützung in der Bevölkerung verloren. Selbst Grünen-Kandidat Robert Habeck ist aktuell beliebter als Scholz. Die Zustimmungswerte des Kanzlers müssten für alle SPD-Wahlkampfstrategen ein Warnsignal sein. Zumal durch die vorgezogene Neuwahl nur wenig Zeit bleibt, um das Image von Scholz und die Beliebtheit der SPD so zu steigern, dass sie Friedrich Merz und der Union noch gefährlich werden könnten.
Boris Pistorius ist deutlich beliebter als Olaf Scholz
Selbst in der SPD sehen das manche so, wie Mützenich eingeräumt hat. Der Fraktionschef spricht von einem „Grummeln“ in der Partei. Schließlich ist es nicht so, dass die SPD keine Alternative hätte. Verteidigungsminister Boris Pistorius ist beständig der beliebteste Politiker des Landes. Nun kann man sich fragen, womit der Niedersachse diese große Zuneigung verdient hat. Er hat keineswegs nur Erfolge im Amt gefeiert, manche seiner Forderungen sind kontrovers.
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Scholz ist als Ampel-Kanzler jedoch verbrannt, Pistorius könnte einen Neustart symbolisieren, obwohl er Teil der unbeliebten Regierung war. Sicher ist aber: Wenn Scholz in der Öffentlichkeit immer wieder blass und rhetorisch verkopft daherkommt, wirkt Pistorius kernig und volksnah. Merz müsste diese Qualität des 64-Jährigen fürchten.
Boris Pistorius: Mit Rente und Bürgergeld hatte er bisher nichts zu tun
Doch reicht das aus, um der bessere Kanzlerkandidat zu sein? Pistorius sei ein toller Minister, aber nicht unbedingt Kanzlermaterial, warnen manche in der SPD. Mit Rente, Bürgergeld oder der Sicherung von Industriearbeitsplätzen hatte der frühere Landesinnenminister Pistorius bisher wenig zu tun.
Deutschlands wirtschaftliche Zukunft sowie die Unterschiede zwischen der sozialdemokratischen Sozialpolitik und den Ideen von Friedrich Merz dürften aber den Wahlkampf bestimmen. Pistorius steht zudem für die Forderung nach Deutschlands „Kriegstüchtigkeit“ und einer massiven Aufrüstung und Modernisierung der Bundeswehr. Themen, die selbst in Teilen der SPD umstritten sind.
Pistorius für Scholz? Das Beispiel Kamala Harris schreckt ab
Pistorius hat deutlich gemacht, dass seiner Meinung nach Scholz der Kanzlerkandidat der SPD sein wird. Scholz ist nach dem Bruch der Koalition in sich gegangen und zu demselben Schluss gekommen. Und die SPD-Spitze hat offenbar nach einer Abwägung von Risiken und Chancen eines Kandidatenwechsels beschlossen, dem Noch-Kanzler treu zu bleiben.
Möglicherweise fehlen der Partei aber auch einfach die Kraft und der Mut für eine Revolte. Das Beispiel der US-Demokratin Kamala Harris hat gezeigt, dass man mit einem Kandidatenwechsel kurz vor der Wahl zwar ein Strohfeuer erzeugen, aber dennoch krachend scheitern kann.
Die SPD plant „Wahlsiegkonferenz“
Wenn die Kanzlerkandidatur also entschieden ist, sollte die SPD dies schnell klarstellen. Bisher will die Partei Scholz erst auf einem Parteitag am 11. Januar offiziell nominieren. In zwei Wochen kommen die Genossen zu einer optimistisch „Wahlsiegkonferenz“ getauften Versammlung zusammen. Dort sollten sie bereits endgültig klarstellen, mit wem dieses Wunder gelingen soll.
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