Berlin. Der Kanzler spricht im Bundestag. Doch selbst bei den SPD-Abgeordneten löst Olaf Scholz nur mit einem Thema Begeisterung aus.
Um 13.29 Uhr pfeift Bundestagspräsidentin Bärbel Bas den Wahlkampf an: Sie ruft die Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler auf. Olaf Scholz erhebt sich von seinem Platz in der ersten Reihe der Regierungsbank und geht ans Rednerpult. Scholz spricht schnell, fast hastig. Die kommende halbe Stunde könnte entscheidend sein für seine politische Karriere.
Scholz muss jetzt liefern. Der Wahlkampf ist kurz. Scholz muss jede Gelegenheit nutzen, um dem Land zu zeigen, warum er Kanzler bleiben soll. Er muss aber auch die SPD-Mitglieder überzeugen, dass es sich lohnt, im Januar und Februar bei Kälte, Regen und früher Dunkelheit für ihn Wahlkampf an Haustüren und auf Marktplätzen zu machen. Die SPD-Spitze steht bisher geschlossen hinter dem Kanzler, von der Basis und aus der Bundestagsfraktion sind jedoch kritische Stimmen zu vernehmen.
Auch interessant
Rolf Mützenich zur K-Frage: „Ja, ein Grummeln ist da“
„Ja, Grummeln ist da“, räumte Rolf Mützenich erst am Vorabend der Regierungserklärung in den Spätnachrichten ein. Der SPD-Fraktionschef hört von den Sorgen der Abgeordneten, von denen nach aktuellen Umfragen bei der vorgezogenen Neuwahl am 23. Februar viele ihr Mandat verlieren könnten.
Zunder bekam die Debatte um den SPD-Kanzlerkandidaten durch eine aktuelle Forsa-Umfrage: Stünden Merz und für die SPD Verteidigungsminister Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten zur Wahl, wünschten sich 25 Prozent der Befragten den CDU-Chef und 39 Prozent Pistorius als Regierungschef. Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ist demnach der Meinung, die SPD solle mit Pistorius antreten. Bitter für Scholz: Dies gilt auch für die SPD-Anhänger. „Wir haben einen Bundeskanzler, und der ist der designierte Kanzlerkandidat“, sagte Pistorius zwar gerade erst. Aber solange Scholz nicht zeigt, dass er noch Kanzler-Material ist, dürften die Debatten nicht abreißen.
Marschflugkörper Taurus: Scholz bekräftigt sein Nein
Vor Beginn der Sitzung geht Scholz durch den Plenarsaal, schüttelt SPD-Abgeordneten die Hand, steht kurz in einer Runde mit Friedrich Merz und dem von ihm als Finanzminister gefeuerten FDP-Chef Christian Lindner. Scholz wirkt wie ein Fußballspieler, der vor dem Anpfiff den Gegner taxiert, mit den Mitspielern abklatscht und testet, wie tief der Rasen ist. Die Reihen im Bundestag sind voll besetzt, im Plenum und auf den Rängen für Besucher und Journalisten.
Scholz stolpert durch seine Rede, er kommt nicht ins Spiel. Er spricht darüber, was vor den Wahlen im Bundestag noch zu erledigen sei. Kommt auf den Krieg in der Ukraine, die Wahl von Donald Trump in den USA. Scholz betont seine Erfahrung auf internationalem Parkett und stellt noch einmal klar, dass er den deutschen Marschflugkörper Taurus wegen seiner großen Reichweite nicht an die Ukraine liefern will. „Ich bin froh, dass ich Verantwortung tragen durfte in dieser schwierigen Zeit“, sagt Scholz. Er habe besonnen in einer gefährlichen Lage gehandelt.
Rente: Scholz spricht sich gegen Kürzungen aus
Das Klatschen der SPD-Abgeordneten klingt müde. Begeisterung klingt anders. Erst als Scholz sich gegen Rentenkürzungen und für soziale Sicherheit („Nicht mit mir!“, „keine Verteilungskämpfe!“) in die Bresche wirft, wachen die Sozialdemokraten auf. Scholz spricht nun weniger hastig. Attacken auf den Konkurrenten Merz spart sich Scholz. „Es gibt auch den Tag nach der Wahl“, betont der Kanzler. Dann müssten sich die Konkurrenten in die Augen schauen, über politische Lager hinweg.
Dann ist der Kanzler nach einer knappen halben Stunde am Ende einer Rede. War das jetzt der Scholz, der im Wahlkampf zu erleben ist? Der Sozialdemokrat wirkte eher wie ein Politiker, der selbst nicht mehr an seine Wiederwahl glaubt.
- Wahlprogramme: Die teuren Wahlgeschenke der Parteien
- Vertrauensfrage: So wird Deutschland jetzt regiert
- FDP-Chef Lindner: Warum er keine Elternzeit nehmen will
- Interview: Buschmann – „Wenn jemand die Ampel gesprengt hat, dann der Kanzler“
- Sonntagsfrage: Aktuelle Umfragen – und welche Koalitionen möglich wären