Berlin. US-Präsident Joe Biden trifft Kanzler Olaf Scholz. Das Treffen könnte mehr werden als nur ein Abschiedsbesuch – mit Folgen für die Ukraine.

Es ist ein Abschiedsbesuch für den US-Präsidenten Joe Biden in Berlin, die Erwartungen für die Zukunft sind dennoch groß. Weltweit richten sich die Blicke vor allem auf ein Vierer-Treffen am Freitagnachmittag im Kanzleramt, an dem neben Kanzler Olaf Scholz und Joe Biden auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britische Premier Keir Starmer teilnehmen. Bekommt hier die Unterstützung für die Ukraine einen neuen Schub?

„Das Treffen könnte helfen, Sicherheitsgarantien für die Ukraine im Fall eines Waffenstillstandes vorzubereiten“, sagt der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), unserer Redaktion. „In Amerika besteht eine größere Bereitschaft zur Fortsetzung der militärischen Unterstützung der Ukraine, während man in Washington von uns erwartet, dass wir mehr im zivil-wirtschaftlichen Bereich tun, also etwa bei der Finanzierung des Staatshaushaltes.“

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Biden-Besuch: US-Expertin erwartet „transatlantische Antwort“ auf Selenskyjs Siegesplan

Hardt mahnt: „Kanzler Scholz sollte den Biden-Besuch nutzen, um in Deutschland allen, die bei den Ukraine-Hilfen bremsen, klarzumachen: Wir befinden uns bei der Unterstützung der Ukraine in guter Gesellschaft. Bedenken in Deutschland sind unbegründet, wenn es eine solch starke Allianz gibt.“ Nur wenn die Ukraine so stark sei, dass Wladimir Putin mit einem Scheitern rechnen müsse, werde er bereit sein zu ernsthaften Verhandlungen.

Die US-Expertin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin, Rachel Tausendfreund, erwartet, das Vierer-Treffen dürfte „eine transatlantische Antwort“ auf den Siegesplan des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj erörtern. „Die Europäer müssen ausloten, was sie der Nachfolgerin oder dem Nachfolger im Weißen Haus in diesem Zusammenhang als ihren Beitrag anbieten könnten“, sagte Tausendfreund unserer Redaktion. Die Frage, die in nächster Zeit dringender werde: Wie lässt sich der Ukraine-Krieg beenden? „Wenn es irgendwann Verhandlungen mit Russland geben sollte, wird die Ukraine Sicherheitsgarantien von westlichen Staaten benötigen.“

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Das deutsch-amerikanische Verhältnis hat sich unter Biden verbessert

Tausendfreund betont, das deutsch-amerikanische Verhältnis sei im Vergleich zur Trump-Ära sehr viel besser geworden. Die Beziehung zwischen Biden und Scholz sei zwar eine andere als die zwischen Barack Obama und Angela Merkel – „Scholz spielt für Biden vielleicht nicht ganz die Rolle in Europa, wie es Merkel für Obama getan hat, aber die Beziehung ist immer enger geworden.“ Biden und Scholz hätten viele Entscheidungen im Schulterschluss getroffen. Tausendfreund meint: „Biden ist ja mit seiner Politik im Grunde auch ein Sozialdemokrat, und in ihrer Bodenständigkeit sind sich beide durchaus ähnlich. Sie können auf vielen Ebenen gut miteinander.“ Für Biden sei der Zusammenhalt mit Europa im Ukraine-Krieg eine starke Leistung seiner Präsidentschaft. „An dieses Vermächtnis wollte Biden wohl zum Ende seiner Amtszeit erinnern.“

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Auch Unions-Außenexperte Hardt sagt: „Joe Biden war in seinen verschiedenen Funktionen – als Präsident, Vizepräsident, Senator – so oft in Deutschland wie kein anderer US-Präsident vor ihm.“ Sein Besuch sei „eine gute und schöne Geste, die wir Deutschen auch so würdigen sollten.“ Biden habe keinen Zweifel gelassen, dass die USA zu ihren Bündnisverpflichtungen stehen. Allerdings beklagt Hardt Versäumnisse auf deutscher Seite: „Die Bundesregierung hat in Bidens Amtszeit Chancen für eine Verbesserung der Beziehung verpasst.“ In der Handelspolitik gebe es keine richtigen Fortschritte, in der Sicherheitspolitik tue Deutschland trotz Ukraine-Krieg noch nicht das, was in der Nato von uns erwartet werde.

„Und ich vermisse den Versuch der Bundesregierung, mit Biden zu einer stärkeren Abstimmung bei einer China-Strategie zu kommen“, sagt der CDU-Politiker. Berlin habe für die Demokraten in Washington leider nicht den Beweis geliefert, dass der kooperative, auf Dialog angelegte Stil des Präsidenten für die USA erfolgreicher ist als der konfrontative Stil von Donald Trump. Hardt meint: „Man hätte mehr erreichen können.“