Washington. Die US-Wahl zwischen Kamala Harris und Donald Trump wird sich in den Staaten mit Wechselwählern entscheiden. Was in den Swing States zählt.
Wählen dürfen am 5. November rund 245 Millionen Amerikaner. Wirklich ankommen wird es bei der Wahl des 47. US-Präsidenten oder 47. US-Präsidentin aller Voraussicht nach aber nur auf einige hunderttausend Wähler in sieben von 50 Bundesstaaten. 538 Wahlleute gibt es im „electoral college“, die am 5. November den oder die Präsidentin wählen werden. 270 Stimmen braucht es entsprechend, um die Mehrheit zu erlangen.
Schon heute hat nach Erhebungen des anerkannten Portals „Ballotpedia“ Kamala Harris etwa aus stabil linksliberalen Hochburgen wie Kalifornien, Colorado und Illinois cirka 226 Stimmen „im Sack“. Während Donald Trump aus konstant republikanisch gestimmten Regionen wie Texas, Alabama und Mississippi cirka 219 Stimmen hinter sich weiß.
US-Wahl: Trump gegen Harris – auf diese Länder kommt es an
Heftig umkämpft sind insgesamt nur 93 Stimmen, die es in Pennsylvania (19), North Carolina (16), Georgia (16), Michigan (15), Arizona (11) Wisconsin (10) und Nevada (6) zu erringen gilt. Darauf konzentrieren sich beide Kampagnen. Hierhin fließt das meiste Geld für Wahlwerbung. Hier tauchen Harris wie Trump seit Wochen am häufigsten auf. Mit Abstand vorn: Pennsylvania.
Im nationalen Durchschnitt der Umfragen-Institute lag Harris zuletzt mit 49,2 Prozent vor Trump, der auf 47,1 Prozent taxiert wird. Der Mittelwert speist sich beim News-Aggregator „realclearpolitics“ aus 13 Umfragen. In neun „polls“ liegt Harris zwischen zwei und sechs Prozentpunkten vorn. In zwei Umfragen hat sie das Nachsehen gegenüber Trump. Zwei „polls“ weisen ein Patt aus.
Wie es in den „Swing States“ ausschaut, ändert sich nahezu täglich; abgebildet durch zig Umfragen. In Arizona (plus 2,2 Prozent), North Carolina (0,7 Prozent), und Georgia (2,1 Prozent) rangiert Trump gerade vor der Demokratin. Harris hat in Nevada (plus 0,4 Prozent), Wisconsin (plus 1 Prozent), Pennsylvania (plus 0,6 Prozent) und Michigan (plus 1,8 Prozent) den etwas besseren Stand. Wobei gilt: Sämtliche Werte bewegen sich innerhalb der Irrtums-Marge von drei Prozentpunkten. Einfacher ausgedrückt: Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen der knappsten Art. Ein Überblick:
Pennsylvania:
Das grösste Gewicht hat mit 19 Wahlmänner-Stimmen Pennsylvania. Der „Keystone State“ im Nordosten hatte seit 1988 konstant demokratisch gewählt. Bis Donald Trump hier 2016 einen Überraschungserfolg landete. Vier Jahre später hatte Joe Biden knapp die Nase vorn. Der Bundesstaat ist von urbanen Zentren geprägt, die demokratisch wählen: im Osten Philadelphia und im Westen Pittsburgh. Ihnen stehen ländliche Regionen gegenüber, die stramm republikanisch sind.
Dazu kommen noch Industrie-Zonen im Nordosten und im Westen (Kohlebergbau), die traditionell dem gewerkschaftlichen Flügel der Demokraten nahestehen. Strategie der Demokraten ist es, in den urbanen Räumen und Industriezentren einen so großen Stimmenvorsprung einzufahren, dass er vom republikanischen Wählerreservoir in den ländlichen Gebieten nicht mehr ausgeglichen werden konnte. Im nationalen Vergleich sind die Menschen dort überdurchschnittlich oft weiß, älter und weniger gut gebildet.
Wisconsin:
Der „Badger”-State, benannt nach dem possierlichen Dachs, mit knapp sechs Millionen Einwohner etwas größer als Griechenland, gehört zu den umkämpftesten in ganz Amerika. 2016 gewann Trump mit 20.000 Stimmen Vorsprung. Vier Jahre später verdrängte Joe Biden den Republikaner – mit 20.700 Stimmen mehr. Er legte überall da, wo die Menschen gut ausgebildet sind und gut verdienen, deutlich zu. In dem von deutschen und skandinavischen Einwanderern geprägten Wisconsin gelten die Wirtschaftsmetropole Milwaukee und die Universitätsstadt Madison im Süden als demokratische Hochburgen. Sie haben großes demografisches Gewicht: Einer von sieben Wählern in diesem Gliedstaat wohnt im Großraum Milwaukee. Dagegen ticken die ländlichen Regionen, in denen Hochschulabschlüsse Mangelware sind, meist republikanisch.
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Michigan:
In Michigan liegen die demokratischen Hochburgen im Umfeld der Industriezentren von Detroit und Flint sowie der Universitätsstadt Ann Arbor im Südwesten. Der Rest ist, mit wenigen Ausnahmen, ein republikanisches Meer. Trump gewann 2016 mit nur 10.704 Stimmen Vorsprung (0,2 Prozent); bei damals fast fünf Millionen abgegebenen Stimmen ein Glückstreffer. Joe Biden holte den „Wolverine State” 2020 mit rund 150.000 Stimmen Vorsprung. Der Ballungsraum Detroit ist ethnisch mehrheitlich schwarz. Hier wird zu beobachten sein, ob Kamala Harris den schwindenden Rückhalt in der afro-amerikanischen Bevölkerung für Joe Biden erbt oder ob sie neues Vertrauen attestiert bekommt. In Michigan leben 300.000 arabisch-stämmige Wähler, die mit Joe Bidens Politik im Israel-Gaza-Konflikt unzufrieden sind. Sie können das Zünglein an der Waage sein.
North Carolina:
Eigentlich ist dieser Bundesstaat sehr konservativ und hat seit Ende der 70er Jahre fast nur republikanische Siege hervorgebracht. 2016 gewann Trump mit drei Prozentpunkten Vorsprung gegen Clinton. Auch 2020 hatte Joe Biden das Nachsehen. Der Bundesstaat unterliegt einer veränderten Sozialstruktur, die auf hervorragende Universitäten, medizinische Zentren und Tech-Unternehmen zurückgeht. Dadurch sind gut ausgebildete, ethnisch diverse Zuzügler hinzugekommen, die wie auch die afro-amerikanische Bevölkerung oft eher demokratisch wählen. Eine progressive Stadtbevölkerung steht hier einer konservativen Landbevölkerung mit einer angeschlagenen Textil- und Möbelindustrie gegenüber.
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Arizona:
Der südwestliche Bundesstaat galt lange Zeit als Bastion der Republikaner. John McCain machte hier als Senator Schlagzeilen weit über den Wüstenstaat hinaus. 2016 konnte sich Donald Trump durchsetzen. 2020 dreht Joe Biden den Spieß um und holte sich mit rund 11.000 Stimmen vor Trump den Sieg. Vor Biden hatte zuletzt 1996 mit Bill Clinton ein Demokrat dort gewonnen. Im Grand Canyon State verändert sich die Demografie zugunsten der Demokraten; durch den Zuzug von Hispanics, die bereits 33 % der Bevölkerung stellen, und eher liberal gestimmten Kaliforniern. Präsident Joe Biden hat rund um Phoenix mit Milliarden-Zuschüssen neue Chip-Fabriken initiiert. Die Wirtschaft brummt. Ob es sich auszahlt für Harris? Offen.
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Nevada:
Berühmt geworden durch das Casino- und Entertainment-Mekka Las Vegas, hat der wüstenreiche Südstaat 2020 Joe Biden mit 33.500 Stimmen Vorsprung den Vorzug vor Trump gegeben. Harris wie Trump umgarnen hier vor allem Beschäftige in Gastronomie und Hotellerie mit dem Versprechen, Trinkgelder steuerfrei zu stellen. In Nevada gibt es ein Unikat: Anders als im Rest des Landes haben die Wähler die Option, auf dem Stimmzettel „keiner von beiden“ anzukreuzen, wenn sie weder Trump noch Harris akzeptabel finden.