Washington. Christliche Nationalisten sind für Donald Trump bei der US-Wahl eine zentrale Zielgruppe. Wie er sie umgarnt, macht vielen Sorgen.
In Amerika kann jede Religion nach ihrer Façon glücklich werden. Solange sie sich an Recht und Gesetz hält. In der Verfassung ist die Trennung von Staat und Kirche festgeschrieben. Die Bevorzugung einzelner Glaubensrichtungen ist verboten. Aber Papier ist geduldig.
Als der republikanisch regierte Süd-Bundesstaat Louisiana es kürzlich als erste Gebietskörperschaft im Land zur Pflicht machte, in öffentlichen Kindergärten, Schulen und Universitäten „in großer, leicht lesbarer Schrift” die Zehn Gebote zu plakatieren, blieb der öffentliche Aufschrei aus. Obwohl es dort unter anderem heißt: „Du sollst keine andern Götter neben mir haben”.
Was Gouverneur Jeff Landry mit Rückendeckung einer konservativen Mehrheit des Kongresses in der Hauptstadt Baton Rouge entschieden hat, führt zwangsläufig dazu, dass sich Muslime, die den Koran befolgen, oder Hindus, die sich der Bhagavad Gita verpflichtet fühlen, ausgegrenzt fühlen müssen.
Donald Trump: Christliche Nationalisten verfolgen einen finsteren Plan
Dahinter steckt eine einflussreiche Minderheit, die sehr eng mit dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten verbandelt ist. Für christliche Nationalisten ist Donald Trump, nicht zuletzt seit er zwei Attentatversuche überlebt hat, eine Heilsgestalt.
Christliche Nationalisten sind davon überzeugt, dass die USA von weißen Christen für weiße Christen gegründet wurden. Und dass darum das komplette politische und gesellschaftliche Leben einer christlichen Agenda untergeordnet werden müsse. Das geht bis zur Kontrolle von Lehrplänen an Schulen, wo liberales Gedankengut Jahr für Jahr durch Dutzende Bücher-Verbannungen verdrängt wird.
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In dieser Wählergruppe, die 2016 maßgeblich zu Trumps Wahlsieg beigetragen hat und am 5. November erneut an seiner Seite zu finden sein wird, ist die Toleranz für andere Glaubensgemeinschaften überschaubar.
Christliche Nationalisten haben sich in der Erzählung eingerichtet, dass ihre gottgegebene Dominanz durch Einwanderung und linke Gesellschaftskonzepte akut bedroht ist. Und im Notfall mit Gewalt bewahrt werden muss.
Trump und christliche Nationalisten könnten für „gefährliche Stabilisierung“ sorgen
Donald Trump gab im Frühjahr in Nashville der Bewegung neuen Auftrieb. Er sprach von einem (linken) „Feind im Inneren”, der Amerika existenziell bedrohe. Um den Kampf zu gewinnen, so Trump, „benötigen wir die Hand und die Güte des allmächtigen Gottes”.
Für die amerikanische Gesellschaft, sagen Gegner in Washingtoner Denkfabriken, kann die Liaison zwischen Trump und dem christlichen Nationalismus im Falle eines Wahlsieges eine „gefährliche Destabilisierung” auslösen.
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Ein Indiz: Unter christlichen Nationalisten ist die Meinung verbreitet, dass Gewalttäter, die beim von Trump angezettelten blutigen „Sturm aufs Kapitol” im Januar 2021 dabei waren und rechtskräftig zu teils langen Gefängnisstrafen verurteilt wurden, „politische Gefangene des Systems” sind. Ihnen gefällt, dass Trump im Falle eines Wahlsieges massenhaft Begnadigungen versprochen hat.
Auch Russell Vought gefällt das. Der frühere Budget-Direktor des Weißen Hauses, der in einer zweiten Regierung Trumps als Stabschef gehandelt wird, gehört zu den Speerspitzen der Bewegung. Vought bekennt sich zu einem landesweiten Abtreibungsverbot, der Aufhebung der höchstrichterlich bestätigten gleichgeschlechtlichen Ehe und Restriktionen bei Sexualaufklärung und Geschlechterlehre in den Schulen. Transgender-Belange sind für ihn des Teufels.
Als Chef des „Center for Renewing America” zeichnet Vought für eine intellektuelle Blaupause mitverantwortlich, die Trump im Erfolgsfall ab Januar umgehend in den Stand setzen soll, Politik im Sinne der christlichen Nationalisten zu betreiben. Zur Not, so ist es in dem 900 Seiten starken Handbuch des „Project 2025” zu lesen, mit Hilfe staatlicher Gewalt. Vought plädiert etwa dafür, dass der Präsident bei Demonstrationen die Streitkräfte gegen die eigene Bevölkerung einsetzen darf.
Obwohl Trump privat mit drei Ehen, außerehelichen Affären und jüngsten Verurteilungen wegen sexuellem Missbrauch laut US-Medien das „Anti-Beispiel eines christlichen Nationalisten abgibt”, sehen Vought und viele Wähler in ihm einen Verbündeten im Kampf gegen progressive gesellschaftliche Veränderungen.
Radikalisierung des Obersten Gerichts wird als Trumps Meisterleistung gesehen
Von enormer Bedeutung für Trumps Ansehen unter christlichen Nationalisten, das bestätigt Russell Vought, war darum die Installierung von drei erzkonservativen Richterinnen und Richtern am Obersten Gerichtshof. Dadurch ist eine 6:3-Mehrheit entstanden, die auf viele Jahre als Bollwerk gegen linke Gesellschaftsentwürfe fungieren wird.
Christliche Nationalisten erwarten, dass ihre Überzeugungen vom höchsten amerikanischen Gericht jederzeit verteidigt werden. Dort hatte zuletzt der unter massiven Korruptionsvorwürfen stehende Richter Clarence Thomas Sympathien für die Abschaffung der gleichgeschlechtlichen Ehe erkennen lassen.
Ein anderer wichtiger Aspekt ist Trumps pro-israelische Politik, die von vielen christlichen Nationalisten nachhaltig unterstützt wird. Trump ist für sie die Speerspitze im Kampf gegen „woke” Eliten in Politik und Wirtschaft. Indem Trump diese Gruppen als Bedrohung für die Zukunft Amerikas brandmarkt, wächst die Bewunderung für ihn als „Kulturkrieger Nr. 1”.
Das bringt dem Ex-Präsidenten inzwischen religiöse Deutungen ein. Ein beträchtlicher Teil der konservativen Wählerschaft hält Trump für ein von Gott gesandtes Instrument, um auf Erden aufzuräumen und den Gottesstaat zu errichten.
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