Athen. Mit Schnellbooten bringen die Menschenschmuggler Migranten über die Ägäis – und schrecken nicht vor Schießereien mit Küstenwachen zurück.
Bisher kamen irreguläre Migranten meist mit billigen Schlauchbooten von der türkischen Küste zu den griechischen Inseln. Jetzt setzen die Schleuser zunehmend Schnellboote ein und riskieren Schießereien mit der griechischen Küstenwache. Werden die Schlepper gefasst, drohen ihnen drakonische Strafen.
Kürzlich in der Ägäis: Ein Schnellboot steuert mit hoher Geschwindigkeit von der türkischen Küste auf die kleine griechische Insel Symi zu. Die Besatzung eines Patrouillenbootes der griechischen Küstenwache entdeckt das Schiff. Mit Lautsprecherdurchsagen und Sirenen fordern die Beamten den Steuermann des Schnellbootes auf, beizudrehen. Doch der nimmt mit voller Fahrt Kurs auf den Kreuzer der Küstenwache und rammt ihn. Die Beamten geben daraufhin Schüsse auf den Außenbordmotor des Schnellbootes ab, um es zu stoppen. Eine Kugel trifft einen 39-jährigen Migranten an Bord des Bootes tödlich. Zwei mutmaßliche Schleuser werden festgenommen, 14 Migranten in ein Aufnahmelager auf der Insel Rhodos gebracht.
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Der Menschenschmuggel von der Türkei nach Griechenland ist ein Millionengeschäft. Und es wird zunehmend brutaler. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR kamen seit Beginn dieses Jahres rund 25.500 irreguläre Migranten über die Ägäis und den griechisch-türkischen Grenzfluss Evros in die EU. In der Ägäis kassieren die Schleuser für die Überfahrt zwischen drei- und fünftausend Euro. Nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur Frontex kamen vergangenes Jahr 60.073 Migranten über die Ägäis. Die Schleuser dürften rund 240 Millionen Euro eingenommen haben.
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Überfahrt im Schnellboot von der Türkei nach Griechenland für rund 6000 Euro
Früher setzten sie die Migranten in billige Schlauchboote, die in türkischen Werkstätten eigens für diesen Zweck wie am Fließband hergestellt werden. Angetrieben werden die Boote von kleinen oder altersschwachen Außenbordmotoren, die Migranten müssen selbst das Steuer übernehmen. Immer wieder gehen solche überladenen Schlauchboote unter. Nach Angaben von UNHCR sind vergangenes Jahr im östlichen Mittelmeer 710 Migranten ertrunken.
Jetzt rüsten die Schlepper auf. Zahlungskräftigen Migranten bieten sie die Überfahrt in Schnellbooten an. Das Ticket kostet rund 6000 Euro. Nach Angaben aus Kreisen der griechischen Küstenwache sind die Schleuser mitunter bewaffnet. Und sie ändern ihre Taktik: Brachten sie die Migranten früher vor allem zu den großen Inseln Lesbos, Chios und Samos, steuern sie jetzt immer öfter kleinere Inseln wie Symi an, weil es dort weniger Patrouillen gibt. Vergangenen Montag stoppte die griechische Küstenwache vor der Insel Leros ein Schnellboot mit 29 Migranten. Am Dienstag brachten zwei Patrouillenboote der Küsten vor der Insel Oinousses ein Schnellboot mit 25 Migranten auf. Die Schleuser wurden in beiden Fällen festgenommen. Seit Beginn dieses Jahres hat die griechische Küstenwache rund 200 solcher Schleusungen mit Schnellbooten registriert.
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Auch deshalb kommen jetzt mehr Migranten als im Vorjahr über die Ägäis. Im Juli und August meldeten die griechischen Behörden dieses Jahr rund 6700 Aufgriffe, gegenüber 4700 in den Vergleichsmonaten des Vorjahres.
Allein im Juni und Juli nahm die Küstenwache 117 mutmaßliche Schleuser fest. Ihnen drohen in Griechenland drakonische Strafen. Ein Gericht auf Kreta verurteilte im Juni zwei Ägypter, die 40 irreguläre Migranten auf die kleine Insel Gavdos gebracht hatten. Gegen jeden der beiden Schleuser verhängte das Gericht vier Millionen Euro Geldstrafe und 280 Jahre Haft. Davon müssen sie 20 Jahre absitzen.
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