Paris. Grandios oder grandios gefährlich? Die Pariser hadern mit der olympischen Eröffnungsfeier auf der Seine – und denken auch an Trump.
Langsam, aber sicher verwandelt sich Frankreichs Hauptstadt in eine Hochsicherheitszone. Metrostationen werden geschlossen, Brücken gesperrt. Über die Boulevards preschen imposante Geländewagen mit Tarnbemalung, 45.000 Polizisten und Gendarmen, inklusive ihrer Eliteeinheiten, sind während der beiden Olympiawochen im Einsatz. Dazu kommen 15.000 Soldaten, sekundiert durch rund 20.000 private Sicherheitsleute. Bis nach Marseille oder Nantes sind sie stationiert.
Die Wachsamkeit ist groß. In Saint-Étienne wurde im Mai ein minderjähriger Tschetschene verhaftet, der im Namen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und der palästinensischen Hamas ein Attentat bei einem olympischen Fußballspiel im lokalen Stadion plante. Im elsässischen Colmar verhaftete die Polizei einen 19-Jährigen, der ebenfalls einen Anschlag verüben wollte. Kein Islamist, sondern ein Neonazi von einer bisher unbekannten „französischen arischen Division“, die Migranten und Juden zum Feindbild hat.
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Die beiden so unterschiedlichen Täterprofile erinnern an frühere Anschläge auf Olympische Spiele: München 1972 gegen die israelische Delegation, Atlanta 1996 durch einen Rechtsextremisten. So beunruhigend es klingt: Paris kombiniert nun beide Gefährdungslagen.
Olympia 2024 in Paris: Größte Sorge ist die Eröffnungsfeier
Dazu kommen in den vergangenen Tagen zwei – wohl eher psychopathologische als terroristische – Messerattacken im Pariser Ostbahnhof und auf den Champs-Élysées sowie vermutlich russische Cyberattacken, die sich schon bei den letzten Wahlen sehr direkt gegen Frankreich richteten. „Es gibt Infiltrationsversuche und andere digitale Attacken auf olympische Strukturen“, bestätigt Guillaume Poupard, Direktor der Nationalen Agentur für die Sicherheit von Informationssystemen.
Zur internationalen Gemengelage kommen innerfranzösische Probleme. Verkehrsexperten glauben, dass die öffentlichen Transporte unter der Last von 15 Millionen Olympiabesuchern rasch kollabieren könnten. Zumal die Gewerkschaft CGT mit weiteren Streiks und Protestaktionen droht, da sie mit den bereits ausgehandelten Prämien nicht zufrieden ist. All dies könnte zahlreiche Polizeieinheiten absorbieren.
Die meisten Sorgen bereitet aber die Eröffnungszeremonie von Freitagabend, dem 26. Juli. Sie zieht sich über sechs Kilometer entlang der Seine hin. Vor einer animierten Kulisse mit Louvre und Notre-Dame-Kathedrale werden an die 100 Schiffe, Yachten und Hausboote vier Stunden lang den Stadtfluss bis zum Eiffelturm hinunterfahren. Sie transportieren ungefähr 7000 Athleten – die genaue Zahl ist unbekannt.
Experte nennt Eröffnungsshow „kriminellen Wahnsinn“
Nicht alle freuen sich auf „das größte Spektakel der Welt“, wie es die Organisatoren nennen. Der Pariser Sicherheitsexperte Alain Bauer nennt die erste nicht in einem Stadion organisierte Olympiashow gar „kriminellen Wahnsinn“. Kriminell im Sinne von hochriskant. Auch Zehntausende Polizisten und Agenten könnten eine kilometerlange Szenerie mit 300.000 Zaungästen nicht genügend absichern, so Bauer.
Polizeipräfekt Laurent Nuñez widerspricht: Entlang der Seine gelte eine „Anti-Terror-Zone“ mit äußerst strikten Kontrollen. Die 100.000 zahlenden Gäste auf den wassernahen Tribünen hätten sich seit Langem registrieren müssen – und die 200.000 Zuschauer auf Straßenniveau mussten sich vorab bei ihrer Wohngemeinde einschreiben, um ein Gratisticket zu kriegen.
Nuñez hat an alle Eventualitäten gedacht – von Unterwasserminen bis hin zu Drohnenangriffen. Vergangenen Mittwoch staunten Passanten nicht schlecht, als die Pariser Flusspolizei sogar eine Geiselnahme auf einem „Bateau-Mouche“, einem Ausflugsschiff, fingierte und erfolgreich bekämpfte. Um Kamikaze-Flüge wie 2001 in die New Yorker Twin Towers zu verhindern, wird der Luftraum über Paris während der Olympia-Ouvertüre im Umkreis von 150 Kilometern gesperrt. Erstmals überhaupt werden dann alle Flughäfen der Zwölf-Millionen-Metropole geschlossen sein.
Ein Szenario wurde bislang öffentlich kaum angesprochen
Eine andere Gefahr ist in der Öffentlichkeit bisher kaum angesprochen worden: die Möglichkeit von Snipern auf einem Dach oder in einer Wohnung direkt an der Seine. Ein solches Szenario lag dem in Paris spielenden Kinofilm „Der Schakal“ (1973) zugrunde: Ein Killer versucht darin, den Staatschef mit einem Präzisionsgewehr zu ermorden – das Attentat misslingt, weil Charles de Gaulle gerade den Kopf neigt, als der Schuss fällt.
Der ehemalige Chef der französischen Polizei, Frédéric Péchenard, fragte schon vor dem jüngsten Mordversuch gegen den US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, ob „Hunderte Wohnungen“ entlang der Seine ausreichend kontrolliert würden.
Sie befinden sich zwar alle in der Anti-Terror-Zone, in der man sich seit Tagen genaustens ausweisen muss. Aber was, wenn sich ein Sniper seit Wochen in einer Wohnung eingerichtet hat? Wenn nicht schon geschehen, ist anzunehmen, dass die Polizei nun ein wachsames Auge auf Gebäude mit „Blick auf die Seine“ haben wird.
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