Hamburg. Jetzt fordert auch Ex-SPD-Chef Petersen den Erhalt der Brücke. Aber in Wahrheit geht es um viel mehr für den Hafen und die Stadt.
In der Diskussion über Abriss oder Erhalt der Köhlbrandbrücke im Hamburger Hafen hat sich ein prominenter Sozialdemokrat auf die Seite des grünen Umweltsenators Jens Kerstan gestellt. Kerstan hatte im Abendblatt gefordert, eine Sanierung der Brücke noch einmal zu prüfen, um sie zu erhalten. Denn sie sei auch ein Wahrzeichen Hamburgs.
„Ich bin der Ansicht, dass wir einen Erhalt der Köhlbrandbrücke sehr ernsthaft prüfen müssen“, sagte nun auch der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Mathias Petersen dem Abendblatt. Als Vorsitzender des Haushaltsausschusses hat der frühere Hamburger SPD-Chef großen Einfluss in der Bürgerschaft. „Wenn wir eine neue Querung brauchen, schreibt unsere Landeshaushaltsordnung vor, dass wir alle Alternativen abwägen. Dazu gehört eine Prüfung, ob eine Reparatur der bestehenden Brücke möglich ist“, so Petersen. „Und nach dem, was ich von Experten höre, ist der Erhalt durchaus möglich.“
Köhlbrandbrücke: „Geld ist knapp, wir müssen eine günstige Lösung finden“
Wenn das bisher letzte umfassende Gutachten von 2008 zum Zustand der Brücke laut Wirtschaftsbehörde veraltet sei, „muss eben ein neues Gutachten dazu erstellt werden“, sagte Petersen. „Das Geld im Hamburger Haushalt ist knapp, deswegen müssen wir auch darauf achten, dass wir eine günstige Lösung finden – die könnte im Erhalt der Brücke liegen, die für viele Hamburgerinnen und Hamburger längst ein Wahrzeichen unserer Stadt ist.“
Hintergrund: Seit vielen Jahren wird in der von den SPD-Bürgermeistern lange mit parteilosen Senatoren besetzten Wirtschaftsbehörde (bisher ergebnislos) darüber beraten, ob die Köhlbrandbrücke durch einen Tunnel oder einen Brückenneubau ersetzt werden soll. Kürzlich legte SPD-Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard, die das Amt Ende 2022 übernahm, eine schon weit gediehene Tunnellösung auf Eis – wegen extrem hoher Kosten von 5,3 Milliarden Euro.
Hafen Hamburg: Petersen macht Vorschlag für Riesenfrachter-Problem
Eine leistungsfähige Köhlbrandquerung ist für den Hafen von größter Bedeutung. Ein Erhalt der Brücke wurde dabei zuletzt stets ausgeschlossen – zu marode der Bau, zu hoch die Belastung, hieß es immer wieder. Kürzlich aber stellte sich heraus, dass ein Gutachten von 2008 den Erhalt durchaus für möglich hielt – und seither offenbar kein umfassendes Gutachten zur Frage der Sanierung und möglicher Kosen dafür mehr erstellt wurde.
Ex-SPD-Chef Petersen machte jetzt auch einen Vorschlag, wie man das Problem mit der zu niedrigen Höhe der Köhlbrandbrücke für die größten Containerschiffe lösen könnte. Diese können derzeit nicht zum Terminal Altenwerder gelangen, der hinter der Köhlbrandbrücke liegt.
„Eurokai und HHLA sollten kooperieren“, so Petersen. „Die größten Schiffe könnten dann vor der Köhlbrandbrücke entladen werden und die kleineren in Altenwerder hinter der Brücke.“
Fegebank maßregelt Parteifreund Kerstan, kann Debatte aber nicht stoppen
Damit hat die Aussage von Kerstan im Abendblatt, die manchem im Senat zunächst wie eine bloße Provokation erschien, mittlerweile zu einer durchaus ernsthaften Diskussion in Hamburg geführt. Nicht nur seine eigene Grünen-Fraktion hatte Kerstans Vorschlag beigepflichtet, auch die Architektenkammer und der Denkmalverein forderten mehr Transparenz bei dem Plan des Senats, das Wahrzeichen Köhlbrandbrücke abzureißen. 74 Prozent der Abendblatt-Leser sprachen sich in einer nicht repräsentativen Online-Umfrage für den Erhalt der Brücke aus.
Mit der Positionierung des SPD-Haushaltsausschussvorsitzenden zeigt sich nun erneut, dass die Diskussion nicht nur ein Sommerlochthema ist. Denn es geht nicht allein um ein Wahrzeichen, sondern auch um extrem viel Geld der Steuerzahler – und um die Zukunft des Hafens. Der Versuch der grünen Zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank, die Debatte damit zu beenden, dass sie ihren Parteifreund Kerstan am Dienstag öffentlich für seinen Vorschlag maßregelte, scheint gescheitert.
Köhlbrandquerung: Senat wird weitere Fragen der Bürgerschaft beantworten müssen
SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf hatte in dieser Woche besonders scharf auf Kerstans Aussage reagiert. „Ich find’s ja ganz gut, wenn man in seinem eigenen Bereich seine Hausaufgaben macht, das kommt mir nicht immer so vor, dass das passiert“, sagte Kienscherf im NDR-Interview – gemünzt auf Umweltsenator Kerstans Ausflug in den Verantwortungsbereich der Wirtschaftsbehörde.
Hört man sich im Hafen, bei der Wirtschaft oder der Opposition um, entsteht allerdings auch der Eindruck, dass viele dort sich vor allem wünschen, dass auch die SPD in der für Hamburg so wichtigen Hafenpolitik ihre Hausaufgaben macht.
Hafen Hamburg: Wirtschaft fordert zuverlässigen Hafenzugang
Denn zwar betonen auch Sozialdemokraten immer wieder, der Hafen sei das Herz Hamburgs und die Köhlbrandquerung die Schlagader des Hafens. Gleichwohl ist die von ihr verantwortete Wirtschaftsbehörde in den zwölf Jahren der SPD-Regierungszeit bisher zu keiner Lösung des so drängenden Problems gekommen.
„Es dauert zu lange“, sagte Handelskammersprecher Peter Feder jetzt dem Abendblatt. „Die deutsche Wirtschaft braucht einen zuverlässigen Zugang zum Hamburger Hafen. Dafür ist neben einer Köhlbrandquerung auch die A26-Ost nötig und beides muss schnell umgesetzt werden. Weitere jahrelange Diskussionen und parteipolitische Auseinandersetzungen sind nicht nachvollziehbar.“
Hafen Hamburg: Verlorene Jahre mit parteilosen Senatoren aus der Wirtschaft?
Auch SPD-intern heißt es mittlerweile, die beiden parteilosen Wirtschaftssenatoren, der von Olaf Scholz geholte Frank Horch und der von Peter Tschentscher eingesetzte Michael Westhagemann, hätten das Thema zwischen 2011 und 2022 nicht energisch genug vorangetrieben. Von der als hoch kompetent geltenden neuen Wirtschaftssenatorin, der SPD-Landeschefin Melanie Leonhard, verspricht man sich nun eine baldige Lösung der Probleme an der Schlagader des Hafens.
Für Linken-Hafenpolitiker Norbert Hackbusch waren die beiden parteilosen Wirtschaftssenatoren „politische Ausfälle“. Sie seien im Senat nicht durchsetzungsfähig gewesen. Hinzu komme, dass der Senat in Sachen Köhlbrand bisher nicht mit offenen Karten gespielt habe. „Wir sind im Wirtschaftsausschuss nie vernünftig informiert worden“, sagt Hackbusch.
Köhlbrandquerung: Was ist die fachliche Grundlage für Aussagen aus dem Senat?
Auch mancher Vertreter der Hafenwirtschaft wirft dem Senat Intransparenz oder gar Unehrlichkeit beim Thema Köhlbrandquerung vor. Dabei wird auch betont, dass Hapag Lloyd sich mittlerweile in den Tiefseehafen Wilhelmshaven eingekauft habe – es also unklar sei, ob die Reederei mit den größten Containerschiffen überhaupt noch nach Hamburg komme.
Damit könnte ein Argument zum Abriss der für die modernsten Containerriesen zu niedrigen Köhlbrandbrücke wegfallen. Im Übrigen sei das Terminal in Altenwerder, das hinter der Brücke liegt, durch den Amerikahandel gut ausgelastet, bei dem kleinere Schiffe zum Einsatz kämen, die die Brücke problemlos passieren könnten.
Insgesamt sei unklar, was eigentlich zuletzt die fachliche Grundlage für immer neue Aussagen der Wirtschaftssenatoren zur Lebensdauer der Köhlbrandbrücke gewesen sei, heißt es. Zudem stelle sich die Frage, wie Hamburg die immensen Kosten für einen Tunnel oder eine neue Brücke tragen solle. Denn man schlittere womöglich gerade in eine Rezession, und der Bund übernehme für eine neue Querung nur einen Anteil der Nettobaukosten – sodass Hamburg bei der Gesamtsumme vermutlich 65 bis 70 Prozent der Milliardenkosten allein tragen müsse. Und das könne die Stadt „nicht stemmen“.
Hafen Hamburg: Wirtschaftsbehörde macht eine Ansage zur Köhlbrandbrücke
Die Wirtschaftsbehörde sieht allerdings auch weiterhin keine Möglichkeit, die 1974 eingeweihte Brücke zu erhalten. „Darüber, wie es um die Brücke steht, wissen wir aus vielen Daten ziemlich gut Bescheid“, sagte Behördensprecher Martin Helfrich. „Es gibt Sensoren, ein digitales Brückenmodell mit Echtzeitdaten, laufende Messungen, jährliche Prüfungen, alle drei Jahre den großen Brücken-TÜV (zuletzt 2022), regelmäßige Baumaßnahmen und ein Team von Ingenieuren und Fachleuten, die sich laufend mit den Unterhaltsmaßnahmen beschäftigen.“
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Es vergehe „fast kein Tag, an dem sich die Experten nicht mit dem Zustand der Brücke und ihrem Unterhalt beschäftigen“, so der Sprecher von Wirtschaftssenatorin Leonhard. „2025 steht die nächste große Hauptuntersuchung an – diese Daten werden neue Erkenntnisse bringen, was womöglich für den Unterhalt noch zu unternehmen ist. Eines wissen wir aber schon seit Jahren: Die laufenden Unterhaltsmaßnahmen machen es im Moment noch möglich, die Brücke weiter zu nutzen. Für immer geht das aber nicht. Die Materialermüdung schreitet fort, und irgendwann kommt der Punkt, an dem noch so viele Flicken nicht mehr helfen, um die Brücke noch wirtschaftlich erhalten zu können.“
Nun muss sich zeigen, ob die Bürgerschaft sich mit solchen Aussagen zufrieden gibt – oder ob sie ein neues Expertengutachten zum Zustand der Köhlbrandbrücke verlangt, wie es auch Mathias Petersen vorschlägt. Denn am Ende liegt die Entscheidung bei den Bürgerschaftsabgeordneten. Sie sind es, die die voraussichtlich extrem hohen Summen dafür freigeben müssen, dass die Schlagader des Hafens auch künftig offen bleibt.