Hamburg. Von 125 Auszubildenden kommen nur 107. Dabei geht die Polizei Hamburg ungewöhnliche Wege, um Nachwuchs zu gewinnen.
125 Auszubildende hatte man gewollt. 107 sind gekommen. Die Zahl der angehenden Polizisten, die zu Beginn des Monats August bei der Akademie der Polizei ihre Ausbildung zum Hamburger Ordnungshüter im mittleren Dienst angetreten haben, ist hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Mehrere Beamte sollen sogar noch „in letzter Minute“ abgesprungen sein. Vor gut einer Woche hatte man immerhin noch mit 109 Männer und Frauen gerechnet, die ihre Ausbildung beginnen sollten.
„Wir sind uns bewusst, dass es anspruchsvoller geworden ist, geeigneten Nachwuchs zu gewinnen“, sagt Polizeisprecher Florian Abbenseth. „Deswegen haben wir eine Vielzahl von Maßnahmen gebündelt. Zudem werden, wenn es die Bewerberzahl zulässt, mehr Männer und Frauen in die Ausbildung genommen.“ So habe man bei den ersten beiden Lehrgängen in diesem Jahr 20 Polizeianwärter mehr eingestellt als ursprünglich geplant.
Polizei Hamburg: Zahl der Bewerber rückläufig
Thomas Jungfer, Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), spricht von einem strukturellen Problem. „Das wir die Lehrgänge nicht voll bekommen, ist nicht neu“, sagt er. „Das betrifft bislang die Laufbahn des mittleren Dienstes. Aber auch in der Ausbildung zum gehobenen Dienst sind die Bewerberzahlen rückläufig.“
Was hinzukommt: Längst nicht jeder, der bei der Hamburger Polizei anfängt, bringt die Ausbildung im mittleren Dienst auch zu Ende, um dann zumeist erst einmal in die Bereitschaftspolizei und anschließend an die Wachen zu gehen. „Etwa 20 Prozent schaffen die Ausbildung nicht“, so Jungfer. Die Gründe sind unterschiedlich. „Einige werden ausgesiebt, weil sie sich von ihrer Persönlichkeit einfach nicht zum Polizeiberuf eignen. Das ist auch gut so.“
Sportliche Anforderungen und Deutschtests als Hürden
In anderen Fällen erfüllen die angehenden Polizisten nicht die sportlichen Anforderungen. Aber auch die Deutschtests sind mittlerweile eine Hürde, an der einige der Polizeianwärter scheitern.
Hinzu kommt: Viele der Polizisten, die in Hamburg für den mittleren Dienst vorgesehen sind, haben ein „zweites Eisen im Feuer“. „Nach meinem Kenntnisstand sind mittlerweile rund 80 Prozent der Männer und Frauen, die hier in Hamburg ihre Ausbildung im mittleren Dienst beginnen, Abiturienten“, so Jungfer.
Das Abitur ist eigentlich die Eintrittskarte für den gehobenen Dienst, bei dem man mit Kommissardienstgrad in den Vollzugsdienst übernommen wird. „Wer so einen Abschluss hat, bewirbt sich oft in mehreren Bundesländern bei der Polizei“, weiß Jungfer. „Kommt in ein paar Monaten die Zusage aus einem anderen Bundesland für den gehobenen Dienst, verlassen sie oft die Hamburger Polizei.“
Polizei Hamburg: Nachwuchs „bei der Stange halten“ – gar nicht leicht
Doch es geht nicht nur um Bezahlung oder Laufbahnmodelle. Heute muss man den Nachwuchs gezielt ansprechen und vor allem „bei der Stange halten“. Deshalb hat man auch eine kleine Einheit „Nachwuchskräfte“ unter Leitung eines Polizeioberrats gegründet, die, mithilfe von externen Rekrutierungs-Profis, neue Wege bei der Suche von Bewerbern suchen soll.
Dabei geht es darum, Menschen zu finden, zu denen der Polizeiberuf passt. Mental und körperlich. Denn mittlerweile erfüllen rund 25 Prozent der Bewerber nicht mehr die gesundheitlichen Anforderungen. Früher waren es 15 Prozent.
20 Prozent der Bewerber erscheinen nicht zu Einstellungstest
Und: 20 Prozent der Bewerber kommen nicht zu den Einstellungstest. Deswegen hat die Hamburger Polizei einen SMS-Dienst eingeführt, der kurz vor dem Termin eine Erinnerung verschickt. Und auch die Familien der Bewerber werden einbezogen, damit auch die ein gutes Gefühl haben, wenn der Sprössling sich für den Polizeiberuf entscheidet, und ihn bestenfalls darin bestärken.
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Selbst das neue Haus A der Akademie ist in vielen Bereichen wie ein Wohlfühltempel gestaltet, in dem man sich in der stylischen Lümmelecke mit Heißgetränke aus dem Kaffeeautomaten zwischen den Ausbildungsstunden entspannen kann. Selbst bei der in der Hansestadt nicht einfachen Wohnungssuche greift die Hamburger Polizei ihrem Nachwuchs unter die Arme.
Polizei Hamburg: Zehn Bewerber, um eine Stelle zu besetzen
Schon länger gibt es den „Welcome Day“, eine Art Leistungsshow der Polizei, bei der den angehenden Polizisten, die bereits ihre Zusage zur Ausbildung in der Hansestadt bekommen haben, noch einmal vorgeführt wird, wo man so alles bei der Hamburger Polizei – von der Reiterstaffel bis zum Spezialeinsatzkommando – seine berufliche Zukunft verbringen kann. Die Botschaft dahinter kann man so übersetzen: „Wir sind schon eine coole, gut ausgestattete Großstadtpolizei.“ Auch so soll zusätzlich verhindert werden, dass sich Bewerber kurzfristig doch noch für eine Ausbildung bei der Polizei eines anderen Bundeslandes entscheiden.
Dass man sich so richtig ins Zeug legen muss, ist der Polizeiführung bewusst. Polizeipräsident Ralf Martin Meyer unterschreibt jeden Monat rund 30 Ruhestandsurkunden. Die Babyboomer verlassen die Peterwagen und Dienststellen. Bis 2026 wird diese Entwicklung die Hamburger Polizei, wie auch alle anderen Länderpolizeien, voll treffen.
Gleichzeitig gibt es immer weniger geeigneten Nachwuchs. So gab es eine Formel, wonach man zehn Bewerber brauche, um eine Stelle mit einem geeigneten Kandidaten zu besetzen. Für den mittleren Dienst nimmt man heute eigentlich alle an, die die zugegebenermaßen anspruchsvollen Tests bestehen. Früher gab es auch da noch einmal eine „Bestenauslese“.