Hamburg. Extrem gefährlicher Teenager von Polizei beschattet. Schon wieder soll er jemanden angegriffen haben. Senatorin äußert sich.

In dem erschütternden Fall des als extrem gefährlich geltenden 14-Jährigen, der in der Einrichtung des Kinder- und Jugendnotdienstes Hamburg (KJND) an der Feuerbergstraße untergebracht ist, machen jetzt Eltern aus der Umgebung mobil, denn sie haben Angst um ihre Kinder. Am Donnerstagabend wollten sie vor der Einrichtung in Alsterdorf demonstrieren, allerdings waren bis 19.15 Uhr noch keine Teilnehmer erschienen. Zugleich werden immer mehr Details über den schwierigen Teenager bekannt.

„Was mich fassungslos macht, ist, dass sich in dem Fall offensichtlich niemand zuständig für eine gesicherte Unterbringung des Jungen fühlt“, sagt Inga L., die sich selbst als besorgte Mutter bezeichnet. „Unmöglich“ finde sie auch, dass von den Behörden niemand die Anwohner über die spezielle Situation informiert habe. „Hier leben sehr viele Menschen mit Kindern, es gibt Schulen und Kitas.“

Polizei Hamburg: 14-Jähriger soll Sicherheitsdienst in Alsterdorf angegriffen haben

Erst vor wenigen Tagen soll der hochgefährliche 14-Jährige wieder einen kritischen Vorfall provoziert haben. Der Junge war umgeknickt und hat wohl einen Bänderriss, daher trage er derzeit eine Plastikschiene und sei an Krücken unterwegs, erfuhr das Abendblatt. Mitarbeiter wollen aber beobachtet haben, dass er durchaus normal laufen konnte und wollten ihm die Krücken daher wieder abnehmen. Darüber war der Teenager aber offenbar so erzürnt, dass er einen Beschäftigten des Sicherheitsdienstes, der nachts zur Überwachung vor seinem Zimmer postiert ist, angriff.

Er habe den betroffenen Mitarbeiter übel beschimpft und ihm schließlich mit voller Wucht zwischen die Beine getreten. Danach wurde der Junge mit einem speziellen Multifunktionsband auf dem Boden fixiert, bis die Polizei kam. „Es gibt so Triggerpunkte bei ihm“, schildert ein Mitarbeiter. Der Teenager bleibe unberechenbar.

KJND-Mitarbeiter: „Kinder sind seine Droge“

„Der Junge hat zwei Gesichter, er kann durchaus liebenswürdig sein und dann wechselt er plötzlich sein Wesen“, schildert ein Mitarbeiter aus dem Kinder- und Jugendnotdienst dem Abendblatt. Am Alsterdorfer Markt etwa sei er häufig dabei zu beobachten, wie er sich freundlich mit älteren Menschen unterhalte. „Er ist sehr schlau und manipulativ“, schildert der Mitarbeiter des KJND. „Er kann Filter an PCs umgehen, um sich dann Kinderpornos anzuschauen. Kinder sind seine Droge.“

Die Behörden tun sich schwer, eine passende Einrichtung für den Jungen zu finden, der erst am 7. Juni nach einem Freispruch in einem Prozess wegen versuchten Totschlags aus der Untersuchungshaft entlassen worden ist.

Schlotzhauer über 14-Jährigen: „Eine große Herausforderung“

So hat sich am Donnerstag der Familien-, Kinder- und Jugendausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft in einer Sondersitzung über den Jungen beraten. Die Arbeit mit ihm sei wie in ähnlich gelagerten Fällen „eine große Herausforderung für diejenigen, die mit ihm arbeiten und die ihn begleiten, aber auch für das Umfeld, in dem er lebt“, sagte Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) an die Abgeordneten gerichtet.

Für den Jugendlichen werde einerseits eine rechtlich abgesicherte Unterbringung gesucht, „so dass er mit seinen Herausforderungen besser leben kann“, sagte sie. Andererseits müsse der Schutz der Nachbarn sichergestellt werden. „Deshalb setzen wir die Polizei ein.“

Hier lebt der 14-Jährige: KJND ist in Alsterdorf offenbar umstritten

Geschützt scheinen sich aber nicht alle Nachbarn im Umfeld des KJND zu fühlen. In der Einrichtung werden Kinder und Jugend­liche vorübergehend aufgenommen, die etwa wegen persön­licher Probleme, Überforderung der Eltern, Kriminalität oder Misshandlungen nicht in ihren Familien bleiben können. Das Haus ist Anwohnern ein Dorn im Auge. Der Fall des 14-Jährigen hat das Fass nun offenbar zum Überlaufen gebracht.

„Die aktuellen Zustände im KJND selbst sowie im Quartier sind meines Erachtens so, dass mir nichts weiter als Kopfschütteln, Ratlosigkeit und Besorgnis verbleiben“, formuliert es ein Vater. Sein eigener Sohn sei erst vor wenigen Tagen Opfer von Bewohnern der Feuerbergstraße geworden. Sie hätten ihn in einem Bus bedroht, auch ein Messer sei dabei im Spiel gewesen. Der Fall sei angezeigt worden und die mutmaßlichen Täter inzwischen ermittelt, sagte der Vater.

Für Betroffene sei es aber nur schwierig zu akzeptieren, dass sie die Täter in der Gegend wiedertreffen könnten. „Von einem Bewusstsein in puncto Opferschutz, beispielsweise durch eine Verlegung der Täter in eine andere Einrichtung, scheint aufseiten der Verantwortlichen in der Einrichtung nicht viel vorhanden zu sein“, findet der Vater. „Für mich eine absurde, untragbare Situation.“

Polizei Hamburg beschattet 14-Jährigen – bis eine Lösung gefunden wird

Weil allein von dem 14-Jährigen eine große Gefahr ausgeht, wird er inzwischen rund um die Uhr von der Polizei beschattet. Derweil suchen die zuständigen Behörden für den Jungen fieberhaft nach einer Lösung – und die findet sich vermutlich nicht in Hamburg. Denn in der Hansestadt gibt es keine geschlossene Einrichtung, in der gefährliche Jugendliche dauerhaft untergebracht werden könnten.

In Hamburg gibt es laut Sozialsenatorin Schlotzhauer seit vielen Jahren das Konzept „Handeln gegen Jugendgewalt“. „Dieses Konzept lebt davon, dass Polizei, Jugendhilfe, Schule und andere beteiligte Akteure, zum Beispiel auch der Jugendpsychiatrische Dienst eng miteinander arbeiten.“ Auch in diesem Fall sei das Konzept, in dem die Zuständigkeiten klar geregelt seien, zum Einsatz gekommen. „Zu keinem Zeitpunkt gab es keine oder unklare Zuständigkeiten in diesem Fall“, betonte sie.