Hamburg. Innung der Schornsteinfeger legt neue Zahlen vor. Klimabeirat fordert schnellen Austausch alter Anlagen. Was der Senat dazu sagt.
Der Klimabeirat des Senats hat die Politik erneut aufgefordert, für einen raschen Austausch sehr alter Heizungen in Hamburg zu sorgen. Anlass sind neue Daten, die die Schornsteinfeger vorgelegt haben.
„Die Zahlen der Hamburger Schornsteinfegerinnung bestätigen, dass sehr alte Heizungen in Hamburg noch weit verbreitet sind“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Klimabeirats, Prof. Jörg Knieling, dem Abendblatt. „Aus Sicht des Klimabeirats sind die Daten der Machbarkeitsstudie und die Erhebungen der Schornsteinfeger eine sehr wichtige Arbeitsgrundlage.“
Heizung: Tausende Anlagen in Hamburg älter als 30 Jahre
Hintergrund: Nach den Daten des Senats aus der Machbarkeitsstudie zur Gebäudesanierung werden 21 Prozent der gesamten Hamburger Wohnfläche noch mit Heizungen beheizt, die älter als 30 Jahre sind, wie die Stadtentwicklungsbehörde dem Abendblatt kürzlich mitteilte. Ältere Anlagen sind in der Regel deutlich klimaschädlicher als neuere.
Besonders gravierend ist die Situation bei der größten Gebäudegruppe in Hamburg: den zwischen 1949 und 1978 gebauten Mehrfamilienhäusern mit sieben bis zwölf Wohnungen. Hier sind laut Machbarkeitsstudie 37 Prozent der aktuell noch laufenden Heizungen bereits vor 1978 eingebaut worden, also mittlerweile mindestens 45 Jahre alt.
Heizung Hamburg: Schornsteinfeger nennen Zahlen zur Austauschpflicht
Kürzlich vorgelegte Zahlen der Schornsteinfeger haben das mit der Machbarkeitsstudie aufgezeigte Problem aber laut Stadtentwicklungsbehörde mittlerweile relativiert. „Eine Prüfung der Schornsteinfegerinnung hat ergeben, dass nur ganz wenige der 110.000 Hamburger Heizungsanlagen so veraltet sind, dass sie nach aktueller Rechtslage ausgetauscht werden müssen“, sagte Behördensprecher André Stark dem Abendblatt. Die Angaben seien „plausibel und wurden von der Innung freigegeben“.
Von einer Austauschpflicht betroffen seien demnach nur 1,4 Prozent der Ölheizungen und 0,35 Prozent der Gasheizungen. Im Jahr 2021 habe die Hamburger Schornsteinfegerinnung bei nur etwa 300 Anlagen, meist in größeren Mehrfamilienhäusern. „Die Grundeigentümer sind der Austauschpflicht ihrer Heizung dann in der Regel nachgekommen, sodass nur wenige Meldungen an die Bezirksämter gegangen sind“, so die Behörde.
Allerdings zeigten die Zahlen, die die rund 100 Hamburger Schornsteinfeger im Jahr 2021 erhoben, laut einem DPA-Bericht auch: Von den 86.000 mit Gas betriebenen Anlagen sind rund 14.000 oder 16 Prozent zwischen 30 und 38 Jahre alt. Da es sich jedoch um Niedertemperatur- oder Brennwertkessel handle, bestehe hier keine gesetzliche Austauschpflicht.
Klimaschutz: Senat weiß selbst nicht, wie alt die Heizungen in Hamburg sind
Es bleiben allerdings einige Widersprüche zwischen den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie und den Daten der Schornsteinfeger. Die Behörde erklärt dies damit, dass die Erhebung im Rahmen der Studie eine andere Zielsetzung gehabt habe. Nachrüstungen alter Heizungen seien nicht erfasst worden. Unklar bleibt dabei, warum in der Studie der Behörde dennoch Heizungen als „gering oder gar nicht modernisiert“ kategorisiert wurden – wenn man angeblich keine Daten dazu erhoben hat.
Auch wenn dies für die Klimapolitik von großer Bedeutung wäre: Umfassende Daten zu Alter und Zustand der Heizungen in Hamburg liegen der Stadtentwicklungsbehörde von Senatorin Karen Pein (SPD) nach eigenen Angaben bis heute nicht vor. „Eine entsprechende Datenerhebung ist auch nicht vorgesehen und liegt außerhalb der Zuständigkeit der Behörde“, so Sprecher Stark. „Die Daten von Heizungsanlagen werden in Hamburg ausschließlich von den Schornsteinfegern erhoben.“
Schornsteinfeger sind sieben Bezirken zugeordnet – im Senat drei Behörden zuständig
Zuletzt war kritisiert worden, dass die Datenlage bei diesem Thema in Hamburg ungenügend sei. Das hat womöglich auch mit der auf viele Institutionen verteilten Zuständigkeiten zu tun. Die Schornsteinfeger sind bei den sieben Bezirken angedockt. Für die Bezirke ist im Senat Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) zuständig, für das Schornsteinfegerwesen im allgemeinen aber Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) – und für die Sanierungsoffensive und die Machbarkeitsstudie die neue SPD-Stadtentwicklungssenatorin Pein. Das macht die Lage womöglich etwas unübersichtlich.
So oder so: Der Klimabeirat weist weiter darauf hin, dass der Austausch alter Heizungen die Klimabilanz Hamburgs sehr zügig verbessern könnte. Man sollte nach dem Prinzip „worst first“ (das Schlechteste zuerst) zügig die wirklichen Dreckschleudern austauschen – das hätte den größten und am schnellsten zu erreichenden Effekt, so die Argumentation.
Heizung Hamburg: Kerstan will Schornsteinfegern mehr Macht geben
„Ziel sollte es sein, dass möglichst schnell klimafreundliche Heizungen eingebaut werden und dies die Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer finanziell nicht überfordert“, sagte Klimabeirats-Vize Knieling. „Das bringt den Klimaschutz voran, spart Energie und senkt letztlich auch die Heizkosten.“ Zuletzt hatte der Umweltsenator vorgeschlagen, den Schornsteinfegern eine „Vollzugsmacht“ zu geben, um den Austausch alter Heizungen schneller durchsetzen zu können.