Hamburg. Polizei nennt eine zentrale Ursache. Auch Zahl der Missbrauchsverfahren gestiegen. Opfern wird jetzt in Spezialeinrichtung geholfen.

Es ist eine bedrückende Entwicklung: Die Zahl der in Hamburg aufgedeckten Fälle von „Herstellung, Besitz oder Verbreitung von kinderpornografischem Material ist laut Polizeistatistik im vergangenen Jahr auf einen neuen Höchststand angestiegen. Wurden im Jahr 2018 noch 107 solcher Fälle von der Polizei registriert, so waren es im Jahr 2022 bereits 1014. In den letzten fünf Jahren verzeichnete die Polizei einen kontinuierlichen Anstieg bei diesen Delikten, den größten Sprung gab es zwischen 2020 und 2021 – von 312 auf 952 Fälle. Das teilte der Senat jetzt in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage von CDU-Fraktionschef Dennis Thering mit.

Glücklicherweise geht die Polizei nicht davon aus, dass die Zahlen auf eine neue Welle bei der Herstellung oder Verbreitung von Kinderpornografie hindeuten. Vielmehr scheint es so zu sein, dass die Behörden zuletzt deutlich mehr Täterinnen und Tätern auf die Spur kommen. Das hat laut Senatsantwort vor allem mit der Arbeit einer gemeinnützigen und privaten US-Organisation zu tun, dem National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC). Diese durchforstet offenbar auch das Netz und gibt der Polizei weltweit Hinweise.

Polizei Hamburg: Kinder und Jugendliche oft selbst unter den Tätern

„Durch eine geänderte Verfahrensweise erhält das Landeskriminalamt deutlich häufiger Kenntnis von im Internet begangenen Fällen der Kinderpornografie“, so die Senatsantwort. Es lägen dagegen „keine Hinweise darauf vor, dass vermehrt kinderpornografische Inhalte gefertigt und verbreitet werden“, schreibt der Senat. „Die Polizei geht davon aus, dass die gestiegene Fallzahl eine Aufhellung des Dunkelfeldes insbesondere im Internet darstellt, hier also mehr Taten der Polizei bekannt werden.“

Auch ein weiterer Faktor könnte bei der Entwicklung eine Rolle spielen. Immer öfter hatten sich zuletzt Kinder und Jugendliche – meist ohne es zu wissen – in diesem Bereich selbst strafbar gemacht. Denn auch das Verschicken von anzüglichen Bildern etwa in WhatsApp-Gruppen kann schon unter den Straftatbestand der Verbreitung von kinderpornografischem Material fallen. Daher war ein relevanter Teil der Täterinnen und Täter in diesem Bereich zuletzt minderjährig.

„Jeden Tag werden Kinder Opfer von sexuellem Missbrauch“

Auch eine andere Entwicklung gibt in Hamburg Anlass zur Sorge. So ist auch die Zahl der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahren gestiegen. Gab es 2018 noch 326 solcher Verfahren, so waren es 2022 bereits 452. Die Zahl der Beschuldigten stieg im selben Zeitraum von 303 auf 540. Im vergangenen Jahr wurden laut Polizei 327 Kinder und 281 Jugendliche Opfer von „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“. Wie hoch die Dunkelziffer ist, kann niemand genau sagen, es ist aber wohl leider davon auszugehen, dass es zusätzlich eine Vielzahl von Fällen gibt, die nicht bekannt werden.

„Jeden Tag werden in Hamburg statistisch betrachtet rund 1,5 Kinder und Jugendliche Opfer von sexuellem Missbrauch“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering. „Es ist ein entsetzliches Leid, das diese Kinder und Jugendlichen ertragen, für das sie die bestmögliche Unterstützung erhalten müssen. Neben einer schnellen und umfassenden psychologischen Hilfe ist es unerlässlich, dass die Ermittlungsbehörden ebenso wie die Strafjustiz personell in den Bereichen so ausgestattet sind, dass die Verfahren zügig beendet können und die Täter konsequent und schnell ihre gerechten Strafe erhalten.“

Kindesmissbrauch: Seit 2021 kümmert sich neue Einrichtung in Hamburg um die Opfer

Lob kommt derweil auch von der CDU für das Ende 2021 eingerichtete „Childhood-Haus Hamburg (CHH)“ im UKE. das das ehemalige Kinderkompetenzzentrum des UKE abgelöst hat. Hier werden Kinder und Jugendliche untersucht und beraten, bei denen der Verdacht besteht, dass sie körperliche oder sexualisierte Gewalt erlebt haben, dass sie vernachlässigt wurden – ebenso wie junge Menschen, die Verletzungen mit ungeklärten Ursachen aufweisen. Dabei arbeiten Mediziner und Psychologen mit Jugendamt und Justiz zusammen.

Im CHH wurde zudem die Möglichkeit geschaffen, videogestützte Vernehmungen durch die Polizei und die Justiz durchzuführen, sodass die Kinder und Jugendlichen nur einmal aussagen müssen. Im vergangenen Jahr sind im CHH 839 Kinder und Jugendliche betreut worden, wie der Senat in einer Antwort auf eine andere CDU-Anfrage mitteilte. Insgesamt fördert die Stadt das CHH in diesem Jahr mit rund 626.000 Euro, für 2024 ist laut Senat ein ähnlicher Betrag vorgesehen.

CDU Hamburg: „Kinder müssen in einem geschützten Raum befragt werden“

„Wir müssen unsere Kinder und Jugendliche, die Opfer von körperlicher, sexualisierter oder emotionaler Gewalt wurden, im Rahmen des Ermittlungs- und Strafverfahrens so gut wie möglich schützen und unterstützen“, sagte CDU-Justizpolitiker Richard Seelmaecker. „Die Einrichtung des Childhood-Hauses in Hamburg war ein großer Schritt in die richtige Richtung. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass so viele Vernehmungen wie möglich in diesem geschützten Raum für Kinder durchgeführt werden, um ihnen die sowieso schon starken Belastungen zu nehmen und die schwierige Situation so belastungsarm wie möglich zu gestalten.“