Hamburg. Am UKE wurde ein neues Zentrum für Kinderschutz eröffnet. Schwedens Königin Silvia sendet eine Videobotschaft.
Ein Leuchtturm lädt zum Erkunden ein. Ein hölzernes Boot kann geentert werden, als frisch gebackener Kapitän, die Hände dann fest am Steuerrad – und das Ganze unter dem wachen Blick einer Möwe aus Plüsch. Bücher und Spielzeug liegen bereit. An den Wänden vermitteln Fototapeten das Ambiente von Strand und Hafen.
Es ist ein warmer, freundlicher Raum, der eine geschützte, sichere Atmosphäre bietet. Und die Kinder, die hierher kommen, haben Geborgenheit, Begleitung und Unterstützung auch bitter nötig. Sie finden sie hier. Hier sind die Mädchen und Jungen gut aufgehoben – Kinder, die früher in ihrem Umfeld Schmerzen, Ablehnung und Leid erfahren haben.
Childhood-Haus am UKE: 430 Quadratmeter für Kinder
Der Raum mit dem Leuchtturm und dem Boot ist das Spiel- und Wartezimmer im neuen Childhood-Haus in Hamburg, einer Institution für Kinder und Jugendliche, die Opfer oder Zeuge von Misshandlungen, sexualisierter Gewalt oder Vernachlässigung geworden sind.
Das Childhood-Haus an der Hoheluftchaussee 18 vereint Elemente einer Klinik und eines Gerichts. Hier, in dieser Einrichtung mit zehn Räumen auf insgesamt 430 Quadratmetern, können die jungen Patienten in kindgerechter Umgebung und interdisziplinär unter einem Dach untersucht, beraten und befragt werden.
Childhood-Haus am UKE: Botschaft der schwedischen Königin
Zur offiziellen Einweihung am Montag sandte Königin Silvia von Schweden, die vor 21 Jahren die Childhood-Stiftung gegründet hatte, eine Grußbotschaft. Dass es in Hamburg ein Childhood-Haus geben solle, sei ein „lang gehegter Wunsch“ von ihr gewesen, sagte die schwedische Monarchin in der Videobotschaft. Wie dieser Wunsch nun umgesetzt wurde, habe sie „mit Stolz und Freude erfüllt“. So werde der Kinderschutz in der Hansestadt noch weiter vertieft.
Kinderschutz: Diese Aufgabe verfolgt Prof. Benjamin Ondruschka, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin, mit „Herzblut“, wie der Experte betonte. „Kinderschutz geht uns alle an.“ Hier im Childhood-Haus werde diese essentiell wichtige Arbeit „auf eine neue Ebene der Professionalität gehoben“. Es sei oberstes Ziel, die Untersuchung der Kinder und Jugendlichen „so sachgerecht wie nötig, aber so kindgerecht wie möglich“ vorzunehmen. Er finde es wichtig, hatte Ondruschka bereits im Vorwege verdeutlicht, mit der Arbeit „etwas für die zu leisten, die sich am wenigsten gegen Gewalteinwirkung wehren können“.
Im Childhood-Haus sollten Kinder und Jugendliche „niedrigschwellig“ professionelle Hilfe und Unterstützung erfahren, etwa wenn Verwandte, Lehrer oder Jugendämter den Verdacht haben, ein Kind werde misshandelt, sexuell missbraucht oder vernachlässigt. „Wir sind für alle da“, verdeutlichte Ondruschka. Seit 16 Jahren wurden Kinder und Jugendliche mit Gewalterfahrung im vom Institut für Rechtsmedizin betriebenen Kinderkompetenzzentrum untersucht, das nun im neuen Childhood-Haus aufgeht. In den letzten Jahren waren es durchschnittlich rund 850 Untersuchungen, die an Patienten vom Säuglingsalter bis zum 18. Lebensjahr durchgeführt wurden.
Childhood-Haus unter Trägerschaft des UKE
Das Besondere am Childhood-Haus ist neben der speziellen Atmosphäre die Bündelung unterschiedlicher Professionen wie Ärzten, Sozialpädagogen, Psychologen, Jugendamtsmitarbeitern Polizei und Justiz. In Fällen, in denen ein Ermittlungsverfahren läuft, können alle notwendigen Befragungen durch Mitarbeitende von Polizei und Justiz kindgerecht durchgeführt werden. Diese Befragungen können audiovisuell aufgezeichnet und ins Gericht übertragen werden. Damit sollen den Kindern und Jugendlichen mehrfache Aussagen erspart und die Opfer vor einer Retraumatisierung geschützt werden.
Auch die Befragungszimmer wirken eher wohnlich als einschüchternd, ebenso wie die Untersuchungszimmer. In dem für die kleineren Patienten bis zum Alter von etwa zehn bis elf Jahren schaffen drei an die Wand gemalte Bullaugen den Eindruck eines Aquariums mit vielen bunten Fischen. Überhaupt herrschen im gesamten Childhood-Haus maritime Elemente vor — passend zur Hafenstadt Hamburg.
Das Childhood-Haus Hamburg ist unter der Trägerschaft des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) in Zusammenarbeit mit der World Childhood Foundation sowie dem Hamburger Senat entstanden. An der Umsetzung und Unterstützung sind unter anderem die Sozial-, die Innen-, die Justiz- und die Wissenschaftsbehörde beteiligt. Mehr als zwei Jahre lang war nach einer geeigneten Immobilie gesucht worden, nachdem Hamburg mit seinem seit Langem bewährten Kinderkompetenzzentrum von der Childhood Foundation Deutschland als neuer Standort für ein „Kinderhaus“ ausgewählt wurde. Die Childhood-Stiftung setzt sich für die Rechte von Kindern ein, die von Vernachlässigung, Gewalt und sexuellem Missbrauch betroffen oder bedroht sind.
Wie bedeutsam das Childhood-Haus ist
Mit der Einweihung der neuen Einrichtung für Kinder gebe es in Hamburg „wirklich einen herausragenden Tag“ und einen „besonderen Tag für die Kinder“, sagte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD). „Kinderschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der wir alle gefordert sind, noch viel genauer hinzusehen, zuzuhören und nachzufragen.“ Mit der Eröffnung des Childhood-Hauses setze die Stadt „ein Zeichen, dass Kinderschutz in gemeinsamer Verantwortung weiterentwickelt wird“. Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) betonte, durch das Childhood-Haus solle eine „noch stärkere und schnellere Vernetzung und Abstimmung aller an den Verfahren beteiligen Stellen“ erreicht werden. Die Hamburger Justiz unterstütze die Einrichtung „mit großem Einsatz“.
Wie bedeutsam die Institution Childhood-Haus ist, unterstrich die Geschäftsführerin der World Childhood Foundation Deutschland, Astrid Helling-Bakki. Sie bat die Anwesenden, sich in ein Kind von etwa acht Jahren zu hineinzuversetzen, das Zeuge einer Straftat oder sogar Opfer geworden ist. „Kinder brauchen eine kindgerechte Umgebung“, sagte Helling-Bakki. „Sie brauchen Menschen, die sich in sie hineinversetzen, ihnen Gehör verschaffen, sie begleiten und sie in den Mittelpunkt stellen.“ Es gehe um einen „Perspektivwechsel im Sinne der Kinder und eine echte Partizipation“. Dies werde mit dem Hamburger Childhood-Haus erreicht. „Es ist ein weiterer Leuchtturm in der Hansestadt.“