Hamburg. Weil die U-Bahn-Strecke 1,1 Milliarden Euro teurer werden soll, fordern Kritiker abermals eine Straßenbahn. Zuschuss des Bunds in Gefahr?
Andreas Dressel ist nicht dafür bekannt, dass ihn so schnell etwas aus der Fassung bringen kann. Dementsprechend war es wenig verwunderlich, dass sich Hamburgs Finanzsenator am Sonntagmittag ganz entspannt auf den Weg zu einem Kindergeburtstag nach Hamm machen konnte, obwohl seine Expertise an diesem Wochenende gleich mehrfach gefragt war. So musste sich Dressel am eigentlich freien Sonntag zum Tarifabschluss vom späten Sonnabend (siehe Seite 1) äußern. Doch deutlich mehr Arbeit dürfte dem 48-Jährigen die Exklusivgeschichte des Abendblatts vom Freitagabend über die Mehrkosten beim Bau der U 5 am Wochenende gemacht haben.
„Schlag für Hamburg: Neue U 5 wird 1,1 Milliarden Euro teurer“, hatte das Abendblatt getitelt. Im Kern ging es darum, dass die erste 5,8 Kilometer lange Teilstrecke zwischen Bramfeld und City Nord der insgesamt 24 Kilometer langen Strecke statt der von der Hochbahn bislang veranschlagten 1,754 Milliarden nun mit 2,857 Milliarden zu Buche schlagen soll. So steht es in einem vertraulichen Entwurf einer „Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft“, die derzeit im Senat abgestimmt wird und dem Abendblatt vorliegt.
U-Bahn Hamburg: Erste U-5-Teilstrecke soll 2,857 Milliarden kosten
Und natürlich dauerte es nach der Veröffentlichung nicht lange, ehe beißende Kritik an Dressel, Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) und den bisherigen Planungen der Hochbahn formuliert wurde. Den Anfang machte Heike Sudmann, die verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, die nur wenige Minuten nach dem Erscheinen des Artikels per Pressemitteilung schwere Vorwürfe erhob.
„Kein Wunder, dass der Senat seit Monaten nicht mit der aktuellen Kostenschätzung für die U5-Ost rausrückt. 60 Prozent mehr Kosten für eine U-Bahn, die zu wenig Fahrgäste zwischen Bramfeld und City Nord aufweist und deren Klimabilanz im Bau verheerend ist, lassen sich schlecht verkaufen. Ganz zu schweigen von den noch nicht bezifferten Zusatzkosten für „,grünen‘ Beton und ‚grünen‘ Stahl“, ließ sich Sudmann zitieren.
Sudmann weiter: „Bei einer soliden Planung hätte der Senat Alternativen zum U-Bahn-Bau geprüft. Nun steht er dumm da. Wann, wenn nicht jetzt, kommt endlich die Einsicht, dass eine Straßenbahn um ein Zigfaches günstiger ist, mehr neue Fahrgäste erreicht, schneller fertig und besser für das Klima ist?“
Finanzsenator Dressel lässt die Kritik der Opposition kalt
Dressel war auf derlei Kritik vorbereitet – und konterte sie. Die U-Bahn sei der Stadtbahn in Sachen Leistungsfähigkeit um Längen überlegen, sagte der Finanzsenator am Sonntag dem Abendblatt. „Wir überlassen diese große Finanzierungsaufgabe nicht der jeweiligen Haushaltslage, sondern planen langfristig.“ Vorausschauende und fachgerechte Finanzpolitik ist eben kein Kindergeburtstag: „Wir sind gut aufgestellt.“
Wenig überraschend bewertete Richard Seelmaecker, der verkehrspolitische Sprecher der CDU, die Sachlage ein wenig anders. „Die Explosion bei den Kosten der U 5 belegt erneut, dass diese Regierung nicht planen kann. Um es ganz klar und deutlich zu sagen: Die SPD will sowohl im Bund als auch in Hamburg die Menschen weiterhin hinter die Fichte führen. Mit immer mehr Schulden treibt die Pleite-Regierung die Inflation hoch, enteignet gleichermaßen Rentner, Angestellte und Sparer und zeigt auch noch mit dem Finger auf andere.“
CDU erinnert daran, dass Hamburg auf Bundesmittel angewiesen ist
Erst einmal in Fahrt kritisierte Seelmaecker weiter: „Was wir jetzt brauchen, ist eine ehrliche Analyse der Kostensteigerung. Im Anschluss ist zu prüfen, welche Kosten reduziert werden können. Danach ist die weitere Finanzierung sicherzustellen. Selbstverständlich sind wir bei einem solchen Infrastrukturprojekt auf die Unterstützung aus Bundesmitteln angewiesen. Umso wichtiger ist, dass durch Fehlplanungen und Fehlkalkulationen in Hamburg nicht die Kostenbeteiligung durch den Bund gefährdet werden darf.“
Und genau an dieser Stelle wird es tatsächlich heikel. Denn die extreme Kostensteigerung wirft nun auch die Frage auf, ob der Bund unter diesen Bedingungen, wie von Hamburg fest eingeplant, große Teile der Finanzierung übernimmt. Zwar zahlt der Bund seit 2020 bis zu 75 Prozent der Kosten von großen Infrastrukturprojekten. Dafür aber muss Hamburg zunächst nachweisen, dass der Nutzen der U 5 ihre Kosten in der sogenannten „standardisierten Bewertung“ übersteigt – der „Nutzen-Kosten-Faktor“ muss größer als eins sein.
U-Bahn Hamburg: Verkehrsbehörde gibt sich optimistisch
Für den ersten Bauabschnitt im Osten der Stadt lag er schon vor der Kostenexplosion darunter, wie der Senat bereits einräumte. In der noch vertraulichen Mitteilung gibt sich die Verkehrsbehörde gleichwohl optimistisch, dass der Faktor für die Gesamtstrecke auch weiterhin größer als 1,0 ausfallen werde.
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- „Das Prinzip Hoffnung ist keine vorausschauende Finanzpolitik, sondern ein untragbares Risiko“, kritisierte dagegen Heike Sudmann. Ebenfalls unschön: Auch die Verlängerung der U 4 in die Horner Geest soll laut der vertraulichen „Mitteilung des Senats“ deutlich teurer werden. Statt der ursprünglichen 465 Millionen Euro rechnet man laut der Senatsdrucksache nun mit 561 Millionen Euro.