Hamburg. Landeschef Christoph Ploß fordert starke Abgrenzung von SPD und Grünen. Marcus Weinberg vertritt eine andere Einstellung.
Am kommenden Donnerstag will die CDU auf einem Landesparteitag in die Analyse ihres schlechten Bundestagswahlergebnisses einsteigen. Das scheint auch bitter nötig, denn nach dem Desaster bei der Bürgerschaftswahl mit dem historisch schlechtesten Ergebnis von 11,2 Prozent ist der Landesverband nun zum zweiten Mal weit hinter den selbst gesteckten Erwartungen zurückgeblieben.
Die 15,5 Prozent, die die CDU am Sonntag in Hamburg bei den Zweitstimmen einfuhr, sind das schlechteste Bundestagswahlergebnis seit 1949 – da waren es 19,7 Prozent. Mehr noch: Die Hamburger Verluste waren mit 11,7 Prozentpunkten bei einer ohnehin niedrigeren Ausgangsbasis deutlich höher als das Minus auf Bundesebene mit 8,9 Punkten gegenüber den Wahlen 2017.
Bundestagswahl: Ploß spricht von „Scholz-Effekt“
„Es ging bei dieser Wahl vor allem um die Frage, wer nächster Bundeskanzler werden soll. Armin Laschet hatte bei dieser Frage leider geringe Zustimmungswerte. Hinzu kam ein gewisser Scholz-Effekt“, sagte CDU-Landeschef Christoph Ploß.
Er steht für eine eher konservative Ausrichtung des Landesverbandes, glaubt aber nicht, dass diese Ausrichtung und eine entsprechende Wahrnehmung eine Ursache für das unterproportionale Abschneiden des Landesverbands ist. Ploß holte in seinem Wahlkreis Hamburg-Nord mit 23,8 Prozent das beste Erststimmenergebnis aller CDU-Direktkandidaten. Das bedeutete Platz drei, nachdem Ploß den Wahlkreis 2017 direkt gewonnen hatte.
Ploß fordert Abgrenzung von SPD und Grünen
„Ich sehe es angesichts des Bundestrends als persönlichen Vertrauensbeweis an, dass mein Erststimmenergebnis um 5,2 Prozent über dem Zweitstimmenergebnis im Wahlkreis liegt. Das ist der beste CDU-Wert in Hamburg“, sagt Ploß, der über die Landesliste wieder in den Bundestag eingezogen ist. Er will nach der Wahlniederlage nicht den Kurs seines Landesverbands ändern.
„Wir brauchen ein klares eigenes Profil, mit dem wir uns deutlich von SPD und Grünen abgrenzen“, sagt Ploß. Den Parteien dürfe die CDU „nicht hinterherhecheln“, weil dann trotzdem das Original gewählt würde. „Wir haben nur eine Chance, wenn wir eine klare Alternative sind“, glaubt der Christdemokrat.
Marcus Weinberg widerspricht Ploß
Doch diese Linie ist in der Elb-Union umstritten. Die klare Gegenthese zu Ploß formuliert der langjährige Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg, der in Altona als Direktkandidat gescheitert ist und nicht über die Landesliste abgesichert war.
„Ich bin es mittlerweile überdrüssig, dafür zu werben, dass eine CDU in Hamburg nur dann bei den Menschen und den Milieus der Stadt ankommt, wenn man die Themen ihrer Lebenswelten auch zum Beispiel von der Neuausrichtung der Mobilität über die soziale Verantwortung bis zum Klimaschutz besetzt. Auch wenn ich persönlich als Vertreter dieses Kurses eine Wahlniederlage einstecken musste, gibt es für mich zum liberalen Kurs keine Alternative, insbesondere nicht inhaltlich“, sagt Weinberg. Es müsse festgestellt werden, „dass die neue inhaltliche Ausrichtung der Hamburger CDU und auch die neue Kommunikation des ,verschärften Tones‘ nicht angenommen wurden“.
„Die CDU muss ihr Narrativ finden“
„In Hamburg hat die CDU den Abstand zur Bundespartei noch vergrößert. Das muss zu denken geben“, sagt der bisherige CDU-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse, der als Eimsbütteler Direktkandidat den Wiedereinzug verpasste. Zwar macht auch Kruse einen „Scholz-Effekt“ für das schlechte Hamburger Ergebnis verantwortlich, fügt aber hinzu: „Die CDU muss ihr Narrativ finden.“
Dass die Union in Hamburg als eher konservativ wahrgenommen werde, liege jedenfalls nicht an ihm. Es sei bemerkenswert, dass die CDU mit einer ähnlich konservativen Ausrichtung bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin ebenfalls nicht erfolgreich gewesen sei.
„Die SPD hatte das Momentum auf ihrer Seite"
Kruse lenkt den Blick aber auch auf die Situation der Union auf Bundesebene. „Die SPD hatte das Momentum auf ihrer Seite. Jetzt geht es darum, dass das Land eine zukunftsfähige Regierung braucht“, sagt der Eimsbütteler, der für ein Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP plädiert. „Wir müssen den Klimaschutz nach vorn bringen. Dafür, dass das im Einklang mit der Wirtschaft geschieht, ist die Union wichtig“.
Ploß hat im CDU-Bundesvorstand dafür votiert, dass Laschet Sondierungsgespräche mit Grünen und FDP aufnimmt. „Natürlich sollte man sondieren, aber nicht um den Preis der inhaltlichen Selbstaufgabe“, sagt Ploß. Dazu zähle: keine Aufweichung der Schuldenbremse und keine Steuererhöhungen. „Es gibt nichts zu beschönigen: Dieses Ergebnis ist bitter und eine Wahlniederlage für die Union. Selbst das Minimalziel, vor der SPD stärkste Kraft zu werden, haben wir verfehlt“, sagt Ploß aber auch. Der „in weiten Teilen mutlos geführte Wahlkampf“ müsse aufgearbeitet werden.
Weinberg hält Jamaika-Koalition für beste Option
Weinberg, der eine Jamaika-Koalition ebenfalls für die beste Option hält, geht auch mit der Bundespartei hart ins Gericht: „Wir müssen feststellen, dass konkrete Antworten auf die aktuellen Themen wie die Bekämpfung des Klimawandels oder der Frage der sozialen Gerechtigkeit zu spät kamen oder ganz gefehlt haben. Zu häufig agierten wir wie Abziehbilder mit einfachen Schlagworten statt mit konkreten Antworten.“
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Auch Philipp Heißner, Vorsitzender der Jungen Union, ist in seiner Kritik deutlich. „Das Wahlergebnis ist eine klare Wahlniederlage der Union und das Ergebnis eines in weiten Teilen inhaltlich mutlosen Wahlkampfs ohne eigene Akzente. Wenn die Union wieder besser abschneiden will, muss sie diesen jetzt schonungslos aufarbeiten. Es darf der Union nie wieder passieren, dass Aufstellungsverfahren und Wahlkampfstrategie weitestgehend an der Bevölkerung und der Parteibasis vorbei entschieden werden“, sagt Heißner.
Bundestagswahl: „Historische Wahlniederlage" für CDU
„Das ist eine historische Wahlniederlage, da gibt es nichts zu beschönigen. Wir müssen tief in die Analyse gehen, warum es nicht geklappt hat, nachdem wir im Sommer soweit vorn lagen“, sagt Christoph de Vries, der über die Landesliste erneut in den Bundestag einzieht.