Hamburg. Ex-Box-Weltmeister schaltete sich für seinen Bruder in die Handelskammer. Joachim Gauck freut sich über Bündnis mit Kiew.
Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat Altbundespräsident Joachim Gauck (parteilos) in Hamburg hervorgehoben, wie fundamental wichtig Unterstützung für das Land sei. „Wirklichen Frieden in Europa kann es nur geben, wenn die Ukraine diesen Krieg gewinnt“, sagte der 82-Jährige am Mittwoch vor etwa 500 Gästen im Börsensaal der Handelskammer. Gelänge es Putin, einem großen Land das Recht auf Selbstbestimmung, auf Souveränität und auf territoriale Integrität zu nehmen, wäre die Stabilität Europas einer andauernden Bedrohung ausgesetzt.
„Deshalb ist es so wichtig, dass wir die Ukraine politisch, finanziell, aber auch militärisch unterstützten. Denn dies ist nicht nur Ausdruck unserer Solidarität, sondern auch Ausdruck einer Selbstachtung, einer gemeinsamen Achtung vor den Werten der Demokratie“, sagte Gauck. Er freue sich sehr über den „Pakt für Solidarität und Zukunft“ zwischen Hamburg und Kiew.
Gauck in Hamburg: "brutaler Okkupationskrieg“ gegen Ukraine
„Das ist ein Signal, dass wir zueinandergehören.“ Damit bezog sich der Altbundespräsident auf eine Vereinbarung, die Peter Tschentscher (SPD) und Vitali Klitschko als Bürgermeister von Kiew am 24. April unterzeichnet hatten, um die Beziehungen beider Städte zu stärken. Vitali Klitschko sollte am Mittwoch eigentlich per Video an einer Diskussion teilnehmen, ließ sich allerdings von seinem Bruder Wladimir vertreten. In Kiew waren dem ukrainischen Generalstab zufolge vor wenigen Tagen erneut Raketen eingeschlagen; russische Truppen hätten auch wieder einen Vorort angegriffen.
Joachim Gauck sprach von einem „brutalen Okkupationskrieg“ gegen die Ukraine. „Fast alle haben sich geirrt bei ihrer Wahrnehmung – oder manche wollten sich sogar irren –, als sie glaubten, Stabilität und Frieden hätten endgültig Vorrang gewonnen gegenüber imperialem Machtstreben“, sagte er. „Stattdessen haben wir uns leichtgläubig – auch nicht uneigennützig – dem Glauben hingegeben, dass wirtschaftliche Verflechtung automatisch zu Liberalisierung und Annäherung mit Putins Russland führen würden.“
Tschentscher: Hamburg steht an der Seite der Ukraine
Der Westen habe sich abhängig vom Wohlwollen autokratischer Staaten gemacht. Auch Corona und die Klimakrise verdeutlichten, „dass wir über alle Grenzen hinweg mehr Kooperation und Zusammenarbeit brauchen“, sagte Gauck. Das Bekenntnis der Hamburger Kaufleute zu Freiheit, Weltoffenheit und Freihandel habe „auch in Zeiten des Wandels, in Zeiten zunehmender Krisen und Unsicherheiten Zukunft – wenn es verbunden wird mit Entschlossenheit, Realitätssinn und dem Willen zur Nachhaltigkeit“.
Hamburg stehe an der Seite der Ukraine, sagte Peter Tschentscher. „Wir können alle auf dieser Welt nicht sicher sein, auf die Hilfe auch anderer mal angewiesen zu sein.“ Sobald der Krieg beendet und der Wiederaufbau in der Ukraine möglich sei, werde eine strategische Partnerschaft zwischen Hamburg und Kiew beginnen. Der aus Kiew digital zugeschaltete Wladimir Klitschko sprach von einem „grauenhaften Gesicht des Krieges“. Er dankte für Hamburgs Hilfe und verwies auf die nötige Versorgung vieler Menschen, die aus zerstörten Vorstädten und umkämpften Gebieten nach Kiew geflohen seien.
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Krieg gegen die Ukraine: So hilft Hamburg
Nach Angaben der Innenbehörde hat die Hamburg seit dem Beginn des Krieges viermal „umfangreiche“ Hilfslieferungen bereitgestellt. Darunter seien etwa 440 Unterziehschutzwesten sowie Atemschutzmasken und ballistische Schutzhelme gewesen. Für ukrainische Kliniken habe Hamburg 100.000 FFP2-Masken sowie Einmal-Handschuhe und Infektions-Kittel geliefert. Die Hamburger Feuerwehr brachte laut Behörde zwei Gerätewagen mit Behandlungsplatz ins polnische Nisko, wo die Fahrzeuge an ukrainische Kollegen übergeben wurden. Zu der Lieferung gehörten vier Schnellbauzelte, 50 Krankentragen sowie Medikamente. Koordiniert werden die Lieferungen vom Krisenstab der Innenbehörde.
Im Rahmen des „Pakts für Solidarität und Zukunft“ finden der Behörde zufolge regelmäßig weitere Hilfslieferungen mit Spenden von Einzelpersonen und Firmen statt, gebündelt durch die Initiativen #WeAreAllUkrainians und den Verein Hanseatic Help sowie die Handelskammer. Nach Angaben von Hanseatic Help kamen bisher etwa 900 Paletten mit Sachspenden von Privatpersonen und Unternehmen zusammen.
Handelskammer-Präses Norbert Aust erklärte, der Städtepakt habe ein Zeichen gesetzt zu einem Zeitpunkt, „an dem die Spendenbereitschaft bereits abgenommen hatte“. Seitdem seien Geldspenden sowie Sachspenden von Hamburger Unternehmen im Umfang von vier Lkw-Ladungen zusammengekommen, darunter Hygieneartikel, Konserven, Nuss-Mischungen, medizinische Produkte, Decken und Tierfutter.