Hamburg. Der Parteivorsitzende liegt in Umfragen zur K-Frage klar hinter Markus Söder. Vorzug für einen Bayern gab es schon einmal.
Wenn sich Politiker nicht klar und direkt äußern wollen, dann greifen sie gern zu bildhaften Vergleichen. Sag es durch die Blume – oder auch auf Anglerlatein. „Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler!“ Der Satz ist derzeit in der Hamburger CDU häufig zu hören, wenn es um die Frage geht, wer Kanzlerkandidat der Union werden soll – der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und CDU-Vorsitzende Armin Laschet oder sein bayerischer Amtskollege Markus Söder von der CSU.
Der Anglersatz bedeutet auf die K-Frage übertragen: Söder liegt in Umfragen weit vor Laschet und ist deutlich populärer – er soll als besserer Wähler-Köder Kanzlerkandidat werden. Nun ist es für CDU-Mitglieder aus verständlichen Gründen nicht ganz leicht, sich in dieser wahrlich zentralen Frage gegen den eigenen Vorsitzenden zu stellen und für den Rivalen der Schwesterpartei zu votieren, zumal die CDU als weit größere der beiden Parteien ein quasi angeborenes Recht des ersten Zugriffs auf die Kanzlerkandidatur der Union hat.
Bei der K-Frage 2002 war die Elb-Union auch für den Bayern
Diese Zurückhaltung wird auch beim CDU-Landesvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Christoph Ploß deutlich, sonst durchaus ein Freund der klaren öffentlichen Positionsbestimmung. „Die Person, mit der wir die besten Chancen auf den Sieg bei der Bundestagswahl haben, sollte als Kanzlerkandidat antreten“, sagt Ploß. Das ist gewissermaßen gehobenes Anglerlatein, kommt aber auf dasselbe heraus.
Dass Ploß, der in dieser Woche mit 95,6 Prozent erneut als CDU-Direktkandidat im Wahlkreis Hamburg-Nord/Alstertal aufgestellt wurde, vorsichtig ist, ergibt sich noch aus einem weiterem Grund. Als es vor wenigen Wochen um die Frage ging, wer CDU-Bundesvorsitzender wird, war der CDU-Landeschef entschieden und auch öffentlich für Friedrich Merz und eben nicht für Laschet eingetreten. Zweimal gegen den Nordrhein-Westfalen – das könnte das mächtige Laschet-Lager dem aufstrebenden Bundestagsabgeordneten dann doch übelnehmen ...
Ole von Beust: "Es geht nicht um Solidarität mit Personen"
Schon einmal, vor 19 Jahren, stand die Union bei der Kanzlerkandidatur vor der Frage: CDU oder CSU? Anfang 2002 hieß die Alternative bekanntlich Angela Merkel, CDU-Bundesvorsitzende, oder Edmund Stoiber, bayerischer Ministerpräsident der CSU. Und auch damals hielt sich die Hamburger CDU zurück mit einem klaren Votum. „Die Sache muss jetzt sehr schnell vom Tisch“, sagte der damalige CDU-Landesvorsitzende Dirk Fischer lediglich und wollte sich nicht auf einen Namen festlegen.
„Es geht nicht um Solidarität mit Personen, sondern um eine Entscheidung, von der man meint, dass sie die beste für die Union ist“, sagte Christdemokrat Ole von Beust, damals Erster Bürgermeister, im Abendblatt-Interview. Der Satz mit dem Fisch und dem Köder war ihm wohl nicht eingefallen, denn wie heute Söder führte auch damals Stoiber in Umfragen weit vor der noch wenig bekannten Merkel. Seine Meinung in der K-Frage, so von Beust hanseatisch-vornehm, wolle er Angela Merkel im Vier-Augen-Gespräch mitteilen.
Merkels Meisterleistung: Verzicht auf Kanzlerkandidatur 2002
Die Stimmung in der Hamburger Union war damals eindeutig pro Stoiber. Und so kam es ja schließlich auch, als Merkel beim berühmten Frühstück in Stoibers Wolfratshausener Haus dem Bayern die Kanzlerkandidatur antrug. Als die Entscheidung da war, machte auch von Beust aus seinem Herzen keine Mördergrube mehr. „Ich begrüße den Vorschlag zugunsten von Herrn Stoiber. Er ist ein ausgezeichneter Kandidat, der gute Chancen besitzt, sich gegen Bundeskanzler Schröder durchzusetzen“, sagte der Bürgermeister.
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Es kam bekanntlich anders. Stoiber verlor, wenn auch ausgesprochen knapp. Der Verzicht auf eine eigene Kanzlerkandidatur 2002 gilt heute als strategische Meisterleistung Merkels, die es bei der Bundestagswahl 2005 dann besser machte als Stoiber und seitdem Kanzlerin ist. Laschet ist heute 60 Jahre alt, Merkel war 2002 erst 47. Der Altersunterschied ist auch in der Politik bedeutsam. Für den Nordrhein-Westfalen dürfte es wahrscheinlich die letzte Chance auf das mächtigste Amt im Staate sein.
Laschet könnte auf eigene Kandidatur beharren
Deswegen wird in der Union durchaus damit gerechnet, dass Laschet „durchziehen“ könnte. Das bedeutet, dass der Nordrhein-Westfale vor dem angekündigten, angeblich entscheidenden Gespräch mit Söder auf seiner Kandidatur beharrt und die Führungsspitze in Partei und Fraktion in die Solidarität zwingt. Ein Nein zu ihrem Vorsitzenden kann sich die CDU kaum erlauben, eine noch dramatischere (Führungs-)Krise als ohnehin schon wäre die Folge. Manche rechnen damit, dass Laschet schon am Montag im Bundestags-Fraktionsvorstand die Machtfrage stellen könnte.
Derweil sind die Sympathien bei den Hamburger Christdemokraten klar verteilt – zugunsten von Söder. CDU-Bürgerschaftsfraktionschef Dennis Thering erwartet eine schnelle Entscheidung der K-Frage, weil es vor allem darum gehen müsse, das Land erfolgreich durch die Corona-Krise zu steuern. „Beide sind hervorragend geeignet, beide sind erfolgreiche Ministerpräsidenten“, sagt Thering. „Ohne Frage sollte derjenige Kandidat werden, der die besten Wahlaussichten hat. Aus meiner Präferenz für Markus Söder habe ich schon vor längerer Zeit kein Geheimnis gemacht. Dabei bleibt es“, sagt Thering, der bereits im August 2020 im Abendblatt-Interview gesagt hatte: „Ich kann mir sehr gut einen Bayern von der CSU, eben Söder, als Bundeskanzler vorstellen.“
Weinberg erhofft sich „einen großen Aufschlag“ von Söder
Auch der Altonaer Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg, Spitzenkandidat der CDU bei der Bürgerschaftswahl am 23. Februar 2020, hat sich festgelegt. „Söder ist ein anerkannter Ministerpräsident, und er liegt in den Umfragen deutlich vorn. Ich würde ihn unterstützen, wenn er seine Bereitschaft zur Spitzenkandidatur erklärt“, sagt Weinberg, der klare Erwartungen an den Kanzlerkandidaten hat. „Wir brauchen jetzt dringend einen großen Aufschlag, eine große Reform. Wir kommen aus der schwierigen Lage nur raus, wenn wir die föderalen Strukturen verändern. Der Kanzlerkandidat muss das große Rad drehen . Das traue ich Markus Söder zu.“
„Ich würde Söder als Kanzlerkandidaten aufstellen, weil ich ihn für besser geeignet halte als Laschet“, sagt CDU-Bürgerschaftsfraktionsvize Richard Seelmaecker. Für den Bayern sprächen nicht nur die besseren Umfragewerte. „Söder hat Rückgrat gezeigt. Er hat einen klaren Kompass und ist nicht wankelmütig“, sagt der Rechts- und Verkehrspolitiker.
Kanzlerkandidatur: „Ich präferiere Söder“
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries, gerade mit 98 Prozent als Direktkandidat für den Wahlkreis Hamburg-Mitte nominiert, ist vorsichtiger. „Ziel ist es die Wahl zu gewinnen. Daran muss sich alles ausrichten. Der Kanzlerkandidat muss das Vertrauen der Bürger haben, Führungsstärke beweisen und einen klaren Kompass haben“, sagt de Vries. Man ahnt, wen er meint. „Wir haben zwei hervorragend Geeignete. Ich präferiere Söder“, sagt CDU-Innenexperte Dennis Gladiator.
Nur einer schert aus. „Ich bin für Armin Laschet, weil er die unterschiedlichen Strömungen in Partei und Gesellschaft besser auffangen kann. Das hat er in Nordrhein-Westfalen bewiesen“, sagt der Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse. Von Ködern und Fischen sagt der Chef der Eimsbütteler CDU nichts.