Hamburg. Diskussionen um mehr Vielfalt bei Vertretern der Hörer und Zuschauer. Hamburger CDU warnt vor Kooperation mit Radikalen.

Wollen SPD und Grüne von der türkischen Erdogan-Regierung und aus dem Iran beeinflusste Verbände künftig an der Kontrolle des NDR beteiligen? Das befürchtet die CDU.

Hintergrund ist ein von Rot-Grün initiierter Bürgerschaftsbeschluss, in dem der Senat aufgefordert wird, für mehr Vielfalt im NDR-Rundfunkrat zu sorgen. Bei den Verhandlungen über einen neuen Staatsvertrag mit Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern solle der Senat sich dafür einsetzen, dass Vertreter der bisher nicht repräsentierten muslimischen und alevitischen Religionsgemeinschaften in den Rundfunkrat einzögen. Auch „Lesben, Schwule, bi-, trans- und intersexuelle Menschen“ sollten berücksichtigt werden.

CDU befürchtet Einflussnahme von Islamisten auf den NDR

In dem Antrag beziehen sich SPD und Grüne auf den Vertrag der Stadt mit der türkischen Ditib und der Schura, dem Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg. In dessen Vorstand sitzt auch ein Vertreter des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH), das laut Verfassungsschutz aus dem Iran gesteuert wird.

„Mich hat diese Entscheidung der Hamburger Bürgerschaft sehr irritiert“, schreibt der parlamentarische Staatssekretär des Bundesinnenministeriums, Günter Krings (CDU), in einem Brief an den Hamburger CDU-Bundestagsabgeordneten Christoph de Vries, der dem Abendblatt vorliegt. Der Bund habe die Kontakte zu Ditib wegen wachsender Einflussnahme der Türkei deutlich reduziert. Und das IZH sei ein „bedeutendes Propagandainstrument Irans“. Man müsse der „Einflussnahme extremistischer, von ausländischen Staaten geförderten Verbände“ entgegentreten.

Noch deutlicher wird der CDU-Abgeordnete de Vries. „Wer Antisemiten, Israel-Feinden und den Gefolgsleuten Erdogans unmittelbaren Einfluss gewähren will auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, hat seinen demokratischen Kompass vollends verloren“, so de Vries.

SPD und Grüne verteidigen den Vorstoß für mehr Vielfalt im Rundfunkrat

SPD und Grüne verteidigen die Idee, für mehr Vielfalt im Rundfunkrat zu sorgen. „Dabei steht für den Senat außer Frage, dass für eine Vertretung nur solche Verbände und Personen infrage kommen, die auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen“, sagte Senatssprecher Marcel Schweitzer dem Abendblatt.

Im Grundsatz ist diese Idee kaum umstritten. Für scharfe Kritik allerdings sorgt der Verweis im rot-grünen Antrag auf den 2012 mit der türkischen Ditib und der Schura, dem Rat der islamischen Gemeinschaften Hamburg, geschlossenen Vertrag. Ditib gilt vielen als verlängerter Arm der türkischen Erdogan-Regierung, und im Vorstand der Schura ist das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) vertreten, das laut Verfassungsschutz aus dem Iran gesteuert wird.

NDR-Rundfunkrat: SPD und Grüne fordern Muslime als Vertreter

„Während die Bundesregierung sich zum Ziel gesetzt hat, die Einflussnahme extremistischer Vereine und Verbände, die von ausländischen Staaten zum Nachteil unser freiheitlich-demokratischen Grundordnung gefördert werden, zurückzudrängen und die Zusammenarbeit insbesondere mit Ditib deutlich reduziert hat, forcieren SPD und Grüne in Hamburg die Zusammenarbeit mit Islamisten und Vertretern des Politischen Islam weiter“, kritisiert der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries.

„Will Rot-Grün ernsthaft, dass Vertreter des türkischen Präsidenten Erdogan, der kritische Journalisten in Gefängnisse sperrt und oppositionelle Medien verboten hat, künftig Programm und Beiträge im NDR kontrollieren? Wer dies fordert, will nicht mehr Vielfalt, sondern setzt Unabhängigkeit und Pluralität des öffentlichen Rundfunks aufs Spiel.“

„Wir brauchen in Hamburg einen totalen Kurswechsel“

Auch fragt de Vries, warum der Senat an der Kooperation mit dem IZH in den Verträgen festhalte, das laut Verfassungsschutz „nachweislich ein weisungsgebundener Außenposten des iranischen Mullah-Regimes“ sei. „Wir brauchen in Hamburg einen totalen Kurswechsel“, so de Vries. „Der bundesweite Aufschrei von Frauenrechtlerinnen, Migrantenverbänden, liberalen Muslimen, Zentralrat der Juden und anderen muss endlich Gehör finden bei Rot-Grün. Der Kuschelkurs mit Islamisten und Vertretern des Politischen Islam muss ein Ende haben.“

Auch der neue Antisemitismusbeauftragte des rot-grünen Senats, Stefan Hensel, zeigt sich verwundert über SPD und Grüne. „Ich finde es befremdlich, dass dieser Vorstoß jetzt gekommen ist, wo so intensiv über die Rolle des aus dem Iran gesteuerten IZH in der Schura diskutiert wird“, sagte Hensel dem Abendblatt. „Grundsätzlich ist es total sinnvoll, für mehr Vielfalt im Rundfunkrat zu sorgen und dort auch Musliminnen und Muslimen eine Stimme zu geben. Man muss aber sehr genau hinschauen, für welche Richtung diese stehen und von welchen Organisationen sie entsandt werden. Diese Initiative von Rot-Grün macht es grundsätzlich möglich, dass auch das IZH im Rundfunkrat mit entscheidet – und das darf nicht passieren.“

SPD-Medienpolitiker Schmidt verteidigt Pläne

Hensel fragt, was denn passieren würde, wenn Islamisten im Rundfunkrat vertreten wären: „Werden dann Beiträge zur Disposition gestellt, in denen sich Männer küssen, oder das Zeigen israelischer Produktionen infrage gestellt?“ Den Verantwortlichen rate er, „sich über die Konsequenzen der Initiative klar zu werden und darüber nachzudenken, was der richtige Weg zu echter Vielfalt ist“.

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SPD-Medienpolitiker Hansjörg Schmidt wies dagegen am Montag darauf hin, dass die im Antrag genannten Organisationen dieselben seien „wie in den durch den ehemaligen CDU-Bürgermeister Ole von Beust auf den Weg gebrachten Verträgen mit den muslimischen Religionsgemeinschaften“. Die Verträge seien mit großer Mehrheit – inklusive der CDU – durch die Bürgerschaft bestätigt worden. „Jetzt geht es darum, dass sich die Vielfalt unserer Gesellschaft noch stärker im NDR-Rundfunkrat widerspiegelt“, so Schmidt.

NDR: Entscheidung über Organisation steht noch aus

„Welche Organisationen bei einer Einigung mit den drei anderen Landesregierungen überhaupt infrage kommen, ist noch gar nicht absehbar.“ Es gebe den von der CDU behaupteten Automatismus nicht. Diese missbrauche das Thema für den Wahlkampf. Grünen-Religionspolitiker Michael Gwosdz wies darauf hin, dass im NDR-Rundfunkrat zwar Kirchen und jüdische Gemeinden vertreten seien, eine Vertretung der muslimischen Gläubigen aus den vier NDR-Bundesländern Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein aber bisher fehle.

„Auf welche Organisation die Wahl fällt, ist heute noch gar nicht absehbar“, so Gwosdz. „Klar ist, dass die Anforderung für eine Vertretung eine demokratische Grundüberzeugung sein muss. Bei der überwiegenden Mehrheit der Gläubigen dieser Religionsgemeinschaften ist dies der Fall.“ Gwosdz betonte zudem, dass Schura und Ditib Nord „zum Gelingen der Staatsverträge beigetragen“ hätten, „beispielsweise beim gemeinsamen Religionsunterricht“. Zudem hätten sie „den interreligiösen Dialog in der Stadt konstruktiv und mit großem Respekt geprägt“.