Hamburg. Grüne werfen SPD vor, Verschärfung der Klima-Maßnahmen zu verhindern. Die kontert, Kerstan habe Hausaufgaben nicht gemacht.
Neue Vorschläge des grünen Umweltsenators Jens Kerstan zur Verschärfung des Hamburger Klimaschutzgesetzes haben für Streit in der rot-grünen Koalition gesorgt. Die Grünen ärgern sich seit Monaten, dass SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher sich in der Öffentlichkeit gerne als größten Klimaschützer des Nordens präsentiert – obwohl die SPD sich in den Augen der Grünen doch jedes Mal quer stelle, wenn es um konkrete Regelungen gehe. Die SPD dagegen wirft dem grünen Umweltsenator Jens Kerstan mantraartig vor, er arbeite nicht sauber. Auf dieser Ebene bewegte sich auch der rot-grüne Zoff am Donnerstag in der Senatskommission für Klimaschutz und Mobilitätswende.
Kerstan präsentierte in der Sitzung der Kommission, in der die von den Themen betroffenen Senatoren und Staatsräte und Bezirksamtsleiter sitzen, seine Vorschläge für eine Verschärfung des Klimaschutzgesetzes. Die SPD lehnte Kerstans Vorlage ab und warf dem Senator vor, er habe anders als abgesprochen „keine beschlussfähigen Vorschläge“ präsentiert.
Vorschläge der Grünen: Dachbepflanzung für alle Neubauten
Die Grünen konterten, es sei wichtig, sich Ziele zu setzen, wie die SPD es auch beim Wohnungsbau verlange. „Ich finde es bedauerlich, dass wir uns noch nicht auf wirklich ehrgeizige Klimaziele und ein Verfahren zur Überarbeitung des Klimaplans einigen konnten“, sagte Kerstan nach der Sitzung. „Wir haben ehrgeizige Ziele vorgeschlagen. Dazu gehört, das Klimaziel für 2030 auf 70 Prozent Reduktion anzuheben, 88 Prozent als Zwischenziel für 2035 festzulegen und die Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen.“ Zudem wollten die Grünen „bauliche Vorgaben zur Entsiegelung und Versickerung machen, damit bei Starkregen keine Häuser und Keller volllaufen“, so Kerstan.
„Wir wollen die Möglichkeit schaffen, dass Gründächer im Neubau verpflichtend werden – das brauchen wir zum Schutz vor Starkregen und gegen die zunehmenden Hitzerisiken in der Stadt.“ Ebenfalls von Kerstan geplant: Überdachung von Großparkplätzen mit Solardächern, Steigerung des Anteils der Fernwärme an der Wärmeversorgung auf 35 Prozent und Erhöhung des Pflichtanteils von erneuerbaren Energien beim Einbau neuer Heizungen.
„Hamburg als Stadt am Wasser ist den Gefahren des Klimawandel besonders ausgesetzt und muss schon aus Eigeninteresse die Klimakrise entschieden bekämpfen“, so Kerstan. „Der Bericht des Weltklimarats ist eindeutig und alarmierend und mahnt die Politik, jetzt Tempo und Druck zu machen. Die Klimaneutralität muss schneller erreicht werden als bisher angenommen.“
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SPD will nicht als Verhinderer von mehr Klimaschutz dastehen
Bei der SPD reagierte man ausgesprochen ungehalten auf die öffentliche Kritik. Denn die Sozialdemokraten wollen so kurz vor der Wahl nicht gerne als Verhinderer von mehr Klimaschutz dastehen. „Der Senat hatte bereits auf Vorschlag des Ersten Bürgermeisters vereinbart, das Klimaschutzgesetz und den Klimaplan fortzuschreiben und dabei die CO2-Minderungsziele zu erhöhen“, sagte Senatssprecher Marcel Schweitzer dem Abendblatt.
„Aus der letzten Senatskommission hatte die Fachbehörde den Auftrag, hierzu neben dem Klimaschutzgesetz auch für den Klimaplan Vorschläge zu erarbeiten. Weder zum Verfahren noch zu den Inhalten lagen abgestimmte, beschlussfähige Vorschläge vor. Wegen der Bedeutung des Themas und der Auswirkungen auf alle Politikbereiche, legt der Bürgermeister Wert auf eine solide Arbeitsweise, damit die ambitionierten Klimaschutzziele auch tatsächlich erreicht werden. Das hierfür erforderliche Verfahren wird nun unter der Federführung der Senatskanzlei abgestimmt.“
Debatte um Einbeziehung des neuen Klimabeirates
SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf sprang dem Bürgermeister ebenfalls bei. „Die SPD in Hamburg steht für konkreten, wirksamen und sozial verträglichen Klimaschutz“, sagte Kienscherf. „Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat noch vor der Sommerpause in der Bürgerschaft erklärt, dass die Klimaziele, und damit auch der Klimaplan, angepasst werden. Das ist unstreitig. Die Behörden haben entsprechende Arbeitsaufträge zur Vorbereitung der Anpassung bekommen, die konkrete Maßnahmen und nicht Symbolpolitik zum Gegenstand haben.“
Alle Senatsmitglieder seien „jetzt gefordert, ihre Hausaufgaben zu machen“, so Kienscherf. „Konkreter Klimaschutz muss auch in Wahlkampfwochen im Mittelpunkt stehen. Aufgeregte Reaktionen und Anwürfe bringen den Klimaschutz nicht voran und sind eher steigender Nervosität aufgrund stagnierender Umfragewerte geschuldet.“
Nach Abendblatt-Informationen wurde in der Senatskommission auch über die Einbeziehung des neuen mit Experten besetzen Klimabeirates diskutiert, der von Ex-BUND-Chef Manfred Braasch koordiniert wird. Die Grünen wünschten sich, dessen Expertise zu nutzen. Die SPD dagegen forderte, die Umweltbehörde müsse erst einmal ihre eigene Arbeit erledigen. Aus dem Rathaus hieß es, die Debatte werde wohl am Dienstag in der Senatsvorbesprechung weitergeführt. Mit großem Konsens ist dabei so kurz vor der Wahl wohl weiterhin nicht zu rechnen.