Hamburg. Manche tauchen unter, andere Ausreisen wurden wegen Corona verschoben. Gewahrsam am Flughafen soll nun geschlossen werden.

Nur etwas jeder vierte Asylbewerber, der in sein Heimatland abgeschoben werden soll, verlässt Hamburg tatsächlich. Der Anteil dieser gescheiterten Rückführungsversuche ist geradezu explodiert – von rund einem Drittel im Jahr 2019 auf 76 Prozent im Jahr 2021. Knapp jeder fünfte Betroffene wurde dabei nicht angetroffen, war untergetaucht oder „unbekannt verzogen“, wie es heißt. Am häufigsten war aber das Scheitern der Abschiebungen aus „sonstigen Gründen“ – darunter fasst der Senat in seiner Antwort neben fehlender Reisetauglichkeit, Haftantritten und gestrichenen Charterflügen auch PCR-Testvorgaben und „nicht regenerierbare QR-Codes“ zusammen, die einer geplanten Abschiebung akut im Wege gestanden hätten.

Die Bemühungen, die Abschiebungen mit dem Bau des „Gewahrsams“ am Flughafen effizienter zu gestalten, sind also weitgehend gescheitert – weshalb die Einrichtung nun auch geschlossen werden soll. Nur mit einer konsequenten Linie erhalte man die „Akzeptanz für Zuwanderung“, hatte Innensenator Andy Grote (SPD) kurz nach dem Bau des Ausreisegewahrsams am Flughafen vor fünfeinhalb Jahren gesagt. Tatsächlich wird die Einrichtung weiterhin aber trotz jährlicher Kosten in Millionenhöhe nur sehr wenig genutzt.

Flüchtlingspolitik: Ausreisgewahrsam vor Abschiebung

Laut der Senatsantworten auf mehrere Anfragen der Linken-Bürgerschaftsabgeordneten Carola Ensslen befanden sich von Anfang Januar bis Ende März nur sechs Menschen im Ausreisgewahrsam am Flughafen, wurden also vor der geplanten Abschiebung für einige Tage dort festgehalten. Zwei von ihnen wurden jedoch wieder freigelassen – jeweils eine Person aus rechtlichen und aus medizinischen Gründen. Neben den Gewahrsamsfällen wurden auch sieben Fälle von gerichtlich angeordneter Abschiebehaft in der Einrichtung vollstreckt.

Pro Insasse kostete die Unterbringung am Flughafen die Stadt damit rechnerisch knapp 45.000 Euro, jeweils für maximal zwei Wochen. Von Mitte März an war die Einrichtung für sechs Wochen geschlossen, weil das Personal gebraucht wurde, um die hohe Zahl an Geflüchteten aus der Ukraine zu registrieren und unterzubringen.

Hochsicherheitsgefängnis statt Gewahrsam am Flughafen

Für die Fragestellerin Carola Ensslen ist es lange überfällig, dass die Anstalt am Flughafen endgültig geschlossen wird. „Eine Freiheitsentziehung, die nicht auf einer Straftat beruht, sondern allein der Durchsetzung einer Abschiebung dient, ist an sich schon höchst fragwürdig“, sagt Ensslen mit Blick auf den Ausreisegewahrsam. Der Kurswechsel der Innenbehörde sei deshalb „eine gute Nachricht“. Aber: Die neu geschaffene Einrichtung in Glückstadt sei ein „inakzeptables Hochsicherheitsgefängnis“ – und es sei dort schwieriger als am Flughafen, den Umgang mit den Betroffenen zu beobachten, glaubt die Linken-Abgeordnete.

Auch die CDU in der Bürgerschaft kritisiert das Vorgehen der Innenbehörde seit Langem – weil ihr der Umgang mit ausreisepflichtigen Ausländern allerdings immer noch nicht konsequent genug ist. „Dass SPD und Grüne keine Abschiebungen wollen, aber für viel Geld so tun als ob, schadet vor allem der Akzeptanz für unser Asyl- und Hilfesystem“, sagte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Dennis Gladiator. Dass stetig nur der „kleinste gemeinsame Nenner dieser Koalition“ umgesetzt werde, mache ein stringentes Vorgehen unmöglich.

Flüchtlingspolitik: 426 Menschen in 2021 ausgewiesene

Tatsächlich gibt es eine Vielzahl von Gründen, warum geplante Abschiebungen scheitern. Die Innenbehörde hatte auch bei der Einrichtung des Ausreise­gewahrsams betont, dass dieser nur für bestimmte Fälle infrage komme. Aktuell heißt es aus der Innenbehörde, man könne „nicht nur betriebswirtschaftlich“ auf die Belegungszahlen blicken. Ausreisepflichtigen Ausländern habhaft zu werden sei in der Praxis oft schwierig. „Und rechtsstaatliche Verfahren können auch finanziell aufwendig sein.“

Im Gegensatz zu anderen Bundesländern ist die Zahl der Abschiebungen in Hamburg während der Corona-Pandemie weniger stark zurückgegangen. Im Jahr 2021 wurden 426 Menschen in ihre Heimatländer oder andere EU-Staaten gebracht, wie kürzlich die Antwort auf eine Kleine Anfrage der AfD in der Bürgerschaft ergab. 2019 waren es aber noch fast dreimal so viele gewesen. Im ersten Quartal 2022 blieben die Zahlen mit 96 erfolgreichen Abschiebungen weiterhin niedrig.

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Die AfD sprach angesichts der Zahlen von einem „Versagen auf ganzer Linie“. In der Ausländerbehörde wird dagegen auf die Corona-Umstände verwiesen. Sobald ein Betroffener etwa kurz vor dem Abflug positiv auf Covid-19 getestet worden sei und die Rückführung verschoben wurde, gehe dies als Fehlversuch in die Statistik ein. Wiederholt hätten auch Herkunftsländer mit Blick auf die Infektionsgefahr gar keine Flüge mehr landen lassen.

Auf der anderen Seite liegt die Zahl der ausreisepflichtigen Menschen, die in Hamburg nur „geduldet“ werden, seit Längerem stabil bei mehr als 7000 Menschen. Dies liegt auch daran, dass stetig neue Asylbewerber nachkommen. Einige Geduldete befinden sich seit Jahren oder gar Jahrzehnten in dem unsicheren Status. Die CDU kritisierte bereits vor Jahren scharf, dass der Senat es nicht schaffe, die hohe Zahl dieser Menschen auch durch Rückführungen abzubauen. Linke und Hilfsorganisationen sehen dagegen Versäumnisse bei der Integration. Da Geduldete meist nicht arbeiten dürfen, aber eben auch nicht abgeschoben werden, würden sie vom Staat alleingelassen und sozialpolitisch vergessen.