Hamburg. Die Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sind bekannt, aber es passiert wenig. CDU fordert nun einen „Hitzeaktionsplan“.

Der Klimawandel ist im besten Falle noch zu bremsen – vollständig aufzuhalten ist er längst nicht mehr. Deswegen müssen sich die Bewohner in weiten Teilen des Planeten auf extremere Wetterereignisse einstellen: höhere Temperaturen mit langen Hitzeperioden, Dürren und intensive Niederschläge, die häufiger zu Flutkatastrophen führen könnten.

Doch obwohl längst bekannt ist, was gegen die zunehmende Sommerhitze etwa in Städten zu tun ist, kommt Hamburg hier nur langsam voran. Darauf hat jetzt erneut die CDU hingewiesen – und nun einen „Hitzeaktionsplan“ gefordert, um wenigstens die gesundheitlichen Folgen kommender Hitzewellen für die Bürger einzudämmen.

Hitzewellen in Hamburg: Gründächer sollen kühlen

Städte sind durch den sogenannten Hitze-Inseleffekt besonders stark von Hitzewellen betroffen. Durch enge Bebauung wird vermehrt Wärme gespeichert, und auch nachts sinken die Temperatur weniger ab. Als wichtige Instrumente gegen extreme Hitze, aber auch zur Aufnahme von Starkregen, gelten viel Grün und weniger Versiegelung der Böden. Das Grün sorgt in seinem Umfeld für Kühlung und kann bei starken Niederschlägen viel Wasser aufnehmen und so Überschwemmungen eindämmen.

„Feuchte Grünflächen kühlen, weil für die Verdunstung Energie verbraucht wird, die nicht mehr zur Temperaturerhöhung beitragen kann“, erläutert David Grawe von der Stadtklimawerkstatt des Centrums für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) an der Uni Hamburg. „Für das zukünftige Stadt­klima ist es deshalb besonders wichtig, den Grünflächenanteil zu erhöhen und den Versiegelungsgrad zu begrenzen. Gründächer sind hier ein effektives Mittel, aber nicht das einzige. Wir brauchen auch Entsiegelung in der Fläche.“

In Untersuchungen hätten seine Kollegen und er zeigen können, dass in Hamburg mit umfangreicher Grünbedachung der negative Effekt etwa des massiven Wohnungsneubaus kompensiert werden könne und trotzdem Temperaturen gemindert würden, so Grawe. „Dafür reicht es aber nicht, in Neubauten auf Gründächer zu setzen, sondern es muss auch im Bestand begrünt werden.“

Dachbegrünung in Hamburg läuft eher schleppend

Trotz vieler Ankündigungen läuft die für die Klimaanpassung so wichtige Dachbegrünung in Hamburg allerdings eher schleppend. Bei nur 93 der 7112 Immobilien städtischer Firmen (inklusive Saga-Wohnungen) wurde laut einer Senatsantwort auf eine CDU-Anfrage die Möglichkeit einer Dachbegrünung geprüft. Und bei nicht einmal vier Prozent der direkt städtischen Immobilien gibt es bisher Gründächer. Für das Jahr 2018 wurde eine Gesamtfläche von 1.684.355 Quadratmetern Dachgrün in Hamburg erhoben, derzeit sind es laut Senat im Sieleinzugsgebiet von Hamburg Wasser 1.720.165 Quadratmeter. Auch wenn die Zahlen nur bedingt vergleichbar sind, deuten auch sie darauf hin, dass die Dachbegrünung in Hamburg nicht gerade rasant zunimmt.

Die zuständige Umweltbehörde von Senator Jens Kerstan (Grüne) allerdings betont, dass man gewillt sei, Tempo zu machen. „Etwa ein Zehntel der gesamten Landesfläche Hamburgs besteht aus Dachfläche. Zweieinhalb Prozent davon sind inzwischen mit Gründächern versehen“, sagte Behördensprecherin Renate Pinzke. „Bei fast allen Planverfahren für Neubauten ist inzwischen eine Gebäudebegrünung vorgesehen, da die Umsetzung dieser Planverfahren meist viele Jahre in Anspruch nimmt, kann die Gründachstrategie erst mittelfristig ihren vollen Erfolg entfalten.“

Stadtklimaforscher: Qualität der Dachbegrünung ist entscheidend

Allein im Schulbau seien 2018 insgesamt 7,5 Millionen Euro zusätzlich für Dachbegrünung bereitgestellt worden. „Insgesamt werden rund 350 Schulgebäude in den kommenden Jahren mit einem Gründach ausgestattet“, so Pinzke. „Jeder Schulneubau wird dabei mit einem Gründach realisiert, und bei Sanierung wird geprüft, ob eine Nachrüstung mit einem Gründach möglich ist.“

Stadtklimaforscher Grawe betont, dass es auch auf die Qualität der Dachbegrünung ankomme. „Besonders in Hitzewellen ist die Bauart des Gründachs relevant“, so Grawe. „Ein einfaches Gründach mit dünner Substratschicht trocknet in Hitzewellen aus.“ Dann würden nur noch Gründächer mit Wasserspeichern eine kühlende Wirkung entfalten.

Aus „stadtklimatischer Sicht“ wünsche er sich, „dass der Versiegelungsgrad in der Fläche sinkt, dass der Bestand an groß gewachsenen Straßenbäumen nicht abnimmt, dass Neubauten grundsätzlich mit Dachbegrünung geplant werden und dass bewässerte Dächer bevorzugt werden“, so Grawe. „Ein großer Straßenbaum spendet neben Verdunstung auch Schatten als lokaler Rückzugsraum. Noch besser, als gefällte Straßenbäume zu ersetzen, finde ich es, wo möglich, den Bestand zu erhalten.“

Auch Hamburg ist von der Erwärmung betroffen

Viel geholfen hat das Wünschen zuletzt nicht: Die Zahl der Straßenbäume ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken, auch wenn sich der Senat verstärkt um den Erhalt bemüht. Auch der Anteil der versiegelten Böden hat zu- statt abgenommen: 1999 waren noch 36 Prozent der Hamburger Fläche versiegelt, 2017 bereits 39 Prozent.

Dass Hamburg längst vom Klimawandel betroffen ist, hat 2021 der Klimareport des Deutschen Wetterdienstes (DWD) gezeigt. Seit 1881 ist die Jahresmitteltemperatur hier demnach um 1,7 Grad gestiegen – deutschlandweit liegt der Anstieg bei 1,6 Grad, weltweit bei 1,1 Grad. Der Unterschied erklärt sich laut DWD dadurch, dass die Erwärmung über Wasser, also über den Ozeanen, langsamer verläuft. Für das Pariser Klimaziel einer maximalen Erwärmung von 1,5 Grad seit dem vorindustriellen Zeitalter ist der weltweite Anstieg maßgeblich.

Wie stark Hamburg von der Erwärmung betroffen ist, zeigt der Vergleich der beiden Referenzperioden 1961 bis 1990 und 1991 bis 2020. Allein in dieser Zeit nahm der vieljährige Mittelwert von 8,8 auf 9,8 Grad zu. Die Zahl der Sommertage mit 25 Grad und mehr stieg von durchschnittlich 19,5 auf 29,8 pro Jahr, die der heißen Tage mit 30 Grad und mehr von 2,5 auf 5,9 Tage.

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„Aktionsplan“ soll Hitzefolgen für anfällige Bürger mindern

Die CDU fordert nun in einem aktuellen Antrag für die Bürgerschaft einen „Hitzeaktionsplan“, wie ihn auch der Bund empfiehlt. Damit sollen besonders anfällige Personen vor Gesundheitsgefahren durch extreme Hitze geschützt werden. Denn starke Hitze ist eine große Belastung für den Organismus und kann für geschwächte Menschen im Extremfall sogar lebensgefährlich werden.

„Es muss das Ziel des Senats sein, diese Personen zu schützen“, heißt es in dem CDU-Bürgerschaftantrag. „Denkbar sind Maßnahmen wie die Einrichtung eines Beratungstelefons bzw. die Koordinierung/Zusammenführung bestehender telefonischer Beratungsangebote zum Umgang mit Hitze. Auch sollten Ältere und andere besonders hitzeanfällige Menschen durch eine bedürfnisorientierte Vernetzung von professionellen und nachbarschaftlichen Unterstützungsangeboten vor einer gesundheitsgefährdenden Hitzeexposition bewahrt werden“, heißt es in dem von CDU-Umweltpolitiker Sandro Kappe federführend formulierten Antrag. Das Bundesumweltministerium stelle „Handlungsempfehlungen bereit“, so der Antrag. „Wir haben es in der Hand, mit einem Hitzeaktionsplan auf zukünftige Hitzewellen besser vorbereitet zu sein.“

Der Senat will sich des Themas offenbar annehmen. „Der Umgang mit Hitze gehört zur Klimapolitik der Stadt“, sagte Umweltbehördensprecherin Pinzke. Für „zielgruppengerechte Maßnahmen“ zum Gesundheitsschutz bei starker Hitze müssten alle Beteiligten zusammenarbeiten. „Hierzu befinden wir uns derzeit in Gesprächen.“