Hamburg. Naturschutzverband BUND kritisiert Bau der neuen U-Bahn und bemüht drastischen Vergleich. Verkehrsbehörde widerspricht.
Der Umweltverband BUND hat seine Bedenken gegen den Bau der Hamburger U-Bahn U5 bekräftigt – und verweist dabei jetzt auch auf eine Untersuchung aus Berlin. Danach wirke sich der Bau neuer U-Bahnen erst nach 100 Jahren positiv auf das Klima aus. Nach der auch im Internet einsehbaren Veröffentlichung liege das vor allem daran, dass der Bau von U-Bahntunneln mit einem sehr hohen Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) verbunden sei.
„Diese Relation gilt nach unserer überschlägigen Abschätzung auch für die U5-Ost in Hamburg, wahrscheinlich sind die Relationen sogar noch schlechter“, sagte Hamburgs BUND-Chef Manfred Braasch dem Abendblatt.
„Mit anderen Worten: Die U5 zahlt mindestens 100 Jahre lang nicht auf den Klimaschutz ein. Aus unserer Sicht ist es daher zu einseitig, wenn der Senat von einem klimafreundlichen Verkehrsmittel spricht, ohne dabei die CO2-Emissionen der Bauphase zu berücksichtigen.“
U5 in Hamburg: Das sind die Pläne und die Strecke
Zusätzlich weist der BUND auf die sehr hohen Baukosten hin. „Für die gesamte etwa 25 Kilometer lange Streckenführung der U5 wird mit Kosten in einer Höhe von 8 bis 10 Milliarden Euro gerechnet. Damit gehört die U5 zu einem der teuersten U-Bahn-Bauten in Deutschland und bindet sehr viel Kapital, das für eine flächendeckende ÖPNV-Verbesserung in HH in den nächsten 15 bis 20 Jahren fehlen wird“, so Braasch. „Und es erfolgt erneut eine zentralistische Streckenführung über den Hauptbahnhof, der bereits überlastet ist.“
Der BUND Hamburg sehe bei der U5 „einen gravierenden Planungs- und Abwägungsfehler“ und habe dies im Verfahren mehrfach vorgetragen. Trotzdem hätten Hochbahn und Senat die Berechnung des CO2-Ausstoßes durch den Bau bislang nicht vorgelegt, moniert der BUND-Chef. „In Zeiten der drohenden Klimakrise ist das nicht akzeptabel.“ Es sei „eine ehrliche politische Debatte über die Vor- und Nachteile der U5 notwendig“. Einen „ernsthaften Systemvergleich unter Berücksichtigung aller Faktoren“ habe es aber nie gegeben.
„In Bezug auf den Klimaschutz und vor dem Hintergrund der Herausforderungen, die Pariser Klimaschutzziele auch in Hamburg zu erreichen, sehen wir die U5 weiterhin äußerst kritisch, wenn nicht sogar als kontraproduktiv.“
"U5 so falsch wie neue Autobahnen"
Falsche Infrastrukturentscheidungen habe es in der Bundesrepublik und in Hamburg zuhauf gegeben und gebe es immer noch. „So wie der Bau neuer Autobahnen, zählt auch die U5 zu diesen Fehlentscheidungen“, so der BUND-Chef. „Eine Überprüfung zur Energie- und CO2-Bilanz auch während der Bauphase hätte an den Anfang jeder Planung zur U5 gehört und nicht ans Ende in das Beteiligungsverfahren.“
In Paragraph 1 des Hamburger Klimaschutzgesetzes heiße es: "Die Erfordernisse des Klimaschutzes einschließlich der Anpassung an den Klimawandel müssen bei allen Planungen, Maßnahmen und Entscheidungen der Freien und Hansestadt Hamburg und ihrer landesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts berücksichtigt werden.“
Das habe der Senat nicht beachtet – weil er die „graue Energie“ nicht berücksichtigt habe, also die für Herstellung, Transport oder Entsorgung von Produkten nötige Energie, inklusive der dabei entstehenden Emissionen.
Braaschs Fazit: „Unsere Bedenken zum Bau der U5 verstärken sich weiter. Eine U-Bahn, die als klimafreundlich beworben wird, aber sich frühestens in 100 Jahren für den Klimaschutz amortisiert, ist keine Antwort auf die Klimakrise.“ Der Senat habe „schwere Versäumnisse begangen, weil er die bei dem Bau anfallenden CO2-Emissionen nicht berücksichtigt hat“. Das sei „bei so einer zukunftsweisenden Planung unverantwortlich“. Daher fordere der BUND erneut „einen sauberen und ehrlichen Systemvergleich zwischen Stadtbahn und U-Bahn unter Berücksichtigung aller Faktoren, vor allem des Klimaschutzes“.
Hamburger Verkehrsbehörde widerspricht vehement
Die Verkehrsbehörde des grünen Senators Anjes Tjarks wies die BUND-Kritik am Donnerstag auf Abendblatt-Anfrage zurück. „Die U5 soll täglich bis zu 300.000 Hamburgerinnen und Hamburgern vom Osten über die Innenstadt in den Westen transportieren und dabei attraktive Umsteigebeziehungen und Reisezeiten ermöglichen“, sagte Behördensprecher Dennis Krämer. „Die innerstädtischen Destinationen wie der Hauptbahnhof, der Jungfernstieg und der Stephansplatz sind dabei zentrale Ziele der Hamburgerinnen und Hamburger, die diese schnell komfortabel und in großer Zahl erreichen wollen. Dies wäre mit einem anderen Verkehrsmittel so nicht möglich.“
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Der HVV rolle derzeit „ein umfangreiches Netz an Expressbussen aus, die genau diese fehlenden Tangentiallinien herstellen sollen“, so Krämer. „Zudem beginnt die Behörde aktuell Prüfungen, ob sich auf der Güterumgehungsbahn auch Personenverkehre in einem weiter außen gelagerten Eisenbahnring fahren lassen.
Zugleich beginnen wir in diesem Jahr mit der Weiterführung der U4 in die Horner Geest und mit dem Bau der S4 in Richtung Rahlstedt.“ Zu der Kritik, die durch den Bau der U-Bahn entstehenden CO2-Emission würden nicht ausreichend berücksichtigt, sagte Krämer: „Zusammen mit der Hochbahn werden wir den Bau der U5 bilanzieren und optimieren.“
Die U5 soll auch zum UKE führen
Insgesamt soll die U5 nach derzeitigem Stand 23 Stationen haben, von Bramfeld über die City bis zu den Arenen im Volkspark führen und auch Siemersplatz, UKE, Uni, Winterhude, City Nord und Steilshoop an das Schnellbahnnetz anbinden. Laut Senat kommen durch die U5 künftig 150.000 Hamburger in den Genuss eines U-Bahnanschlusses.
Im Verkehrsausschuss hatte Verkehrssenator Tjarks in dieser Woche Details der Planung vorgestellt. So muss, wie berichtet, für den Bau der U5-Haltstelle Jungfernstieg ein kleiner Teil der Binnenalster zeitweise trockengelegt werden. Bis Mitte 2021 soll laut Senatsankündigung die Vorplanung der Strecke von City Nord bis Arenen abgeschlossen sein, danach folgen weitere Entwurfsplanungen und Detailuntersuchungen – und die „Konkretisierung der Kosten-Nutzen-Analyse“.
Voraussichtlich Ende 2021 soll mit dem Bau der U5-Ost zwischen Bramfeld und City Nord begonnen werden. Ab Mitte der 2020er Jahre soll der Bau Richtung Innenstadt fortgesetzt werden. Für die U5-Haltestelle Stephansplatz verspricht der Senat laut seiner Präsentation „minimale Eingriffe in Planten und Blomen“ und eine „Verbesserung des Umstiegs zwischen Dammtor und U-Bahn“.