Berlin. Die Bundeswehr intensiviert ihre Pläne für eine verstärkte Reserve. Die Zahl der Reservisten soll steigen. Bis zu 800.000 Reservisten?

Zurück zum Kalten Krieg? Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will deutlich mehr Reservisten als bisher heranziehen. Das ist eine Folge des Ukraine-Krieges und der größeren Anforderungen der Nato an die Bundeswehr.

Das Signal wurde seit Langem angemahnt, auch aus den Reihen der Ampel-Koalition. So schätzt FDP-Fraktionschef Christian Dürr das Potenzial der Truppe auf eine Million Frauen und Männer, wenn man die aktiven Soldaten und Reservisten addiert. Es heißt, dass bis zu 800.000 Reservisten herangezogen werden könnten.

Bundeswehr will aufstocken: Eine Lehre aus dem Ukraine-Krieg

Erst in der vergangenen Woche hatte die Regierung eine neue Rahmenrichtlinie für die Gesamtverteidigung beschlossen. Sie geht weit über die Bundeswehr hinaus. Sie zeigt, wie man sich in Berlin auf den Ernstfall vorbereitet. Pistorius redet seit Monaten davon, dass insbesondere die Streitkräfte „kriegstüchtig“ sein müssten.

Wie sehr mit den Reservisten geplant wird, machte Generalleutnant Andreas Hoppe, Stellvertreter des Generalinspekteurs und Beauftragter für Reservistenangelegenheiten, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur klar: „Ohne Reserve geht es nicht. Das sehen wir in der Ukraine.“ Das müsse in die Köpfe von allen.

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Truppenstärke wie im Kalten Krieg?

Die Strukturen müssten so sein, dass diese Reserve-Einheiten in die aktive Truppe integriert werden könnten. „Das gab es alles im Kalten Krieg, aber es ist eben seit 30 Jahren vernachlässigt worden und einfach nicht mehr existent. Es gibt noch ein paar ganz wenige, die das noch wissen. Die zapfen wir gerade ab, um die Fähigkeiten noch abzubilden.“

Nach seiner Darstellung ist das Ziel zunächst, künftig bis zu 60.000 Männer und Frauen als Reservisten in einer sogenannten Grundbeorderung zu haben. In diesem Status würden sie für eine feste Aufgabe eingeplant und befähigt sind.

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Nato gibt Ziele vor

Hoppe ist überzeugt, „dass wir die Reserve ganz den aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen anpassen müssen, damit sie die Bundeswehr bei der Wahrnehmung der Aufgabe Landes- und Bündnisverteidigung vernünftig unterstützen kann.“ Die Militärs kalkulieren damit, dass jedes Jahr etwa 10.000 Zeit- und Berufssoldaten ausscheiden. Genau die hat Hoppe im Blick: Sie sollen für die Grundbeorderung gewonnen werden. Bisher gibt es rund 44 000 grundbeorderte Männer und Frauen.

Unklar ist noch, wie viele Reservisten im Verteidigungsfall tatsächlich dienstfähig wären. Tendenziell wird diese Gruppe von Jahr zu Jahr kleiner. Die Frauen und Männer werden immer älter, und wenige können nachkommen, weil die Wehrpflicht seit 2011 ausgesetzt ist.

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Die Truppe muss durchhaltefähig werden

Laut Hoppe gibt es unterschiedliche Zahlen. „Wir gehen davon aus, dass es etwa 800 000 sind, die noch wehrrechtlich herangezogen werden können. Das sind im Prinzip alle, die irgendwann mal Dienst in der Bundeswehr geleistet haben und ausgeschieden sind und in den Altersgrenzen liegen, also auch die letzten Jahrgänge der Wehrpflichtigen“, erläuterte Hoppe. Die Truppe behilft sich unter anderem mit Heimatschutzregimenten. Die werden im Wesentlichen aus Ungedienten gebildet, die sich da melden und eine entsprechende Ausbildung bekommen.

Die Bundeswehr greift auf 181 500 Soldatinnen und Soldaten zurück. Ziel sind 203.000. Die Nato-Planungen sind allerdings anspruchsvoller. Sie schreiben eine Erhöhung auf „tendenziell deutlich über 272 000“ Männer und Frauen in den Streitkräften, wie der „Spiegel“ berichtete.

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Pistorius mit Modell der Wehrpflicht

Pistorius will am Mittwoch einen Vorschlag für ein Modell der Wehrpflicht erläutern. „Wir brauchen einen Wehrdienst als Grundlage für einen schnellen Aufwuchs und die Durchhaltekraft unserer Bundeswehr im Verteidigungsfall“, sagte Pistorius am Freitag bei einer Veranstaltung des Branchenverbands der Familienunternehmen in Berlin.

Üben, üben, üben: 14 Tage im Jahr sollen die Reservisten den Kriegsfall trainieren.
Üben, üben, üben: 14 Tage im Jahr sollen die Reservisten den Kriegsfall trainieren. © DPA Images | Frank May

Das Ziel ist laut Hoppe, Reserve-Kompanien oder Reserve-Bataillone so auszustatten und auszubilden, dass sie nahtlos in die Operationsführung einer Brigade eingebaut werden könnten. „Wenn man in die Ukraine guckt, sind wir einfach nicht durchhaltefähig und aufwuchsfähig so, wie wir momentan dastehen. Dafür brauchen wir eine Reserve, die in der Lage ist, Kräfte auch komplett zu ersetzen.“ Gebraucht würden Spezialisten, aber auch Panzerfahrer. Im Jahr seien 14 Tage Übung nötig, um die Fähigkeiten zu erhalten. (mit dpa)