Berlin. Süddeutschland kämpft gegen die Flut – mit möglichen Folgen auch für die Gesundheit. Denn in verunreinigtem Trinkwasser lauern Keime.
Dauerregen, brechende Dämme, vollgelaufene Keller: Es ist nicht der erste Hochwasseralarm in diesem Jahr. Im Januar stand halb Niedersachsen unter Wasser. Zu Pfingsten kam das Hochwasser im Saarland und in Rheinland-Pfalz. Jetzt kämpfen die Menschen in Bayern und Baden-Württemberg gegen Überschwemmungen. Viele Flutkatastrophen in wenigen Monaten: Ist das die neue Normalität – und ist Deutschland darauf vorbereitet? Was Experten sagen.
Ist der Katastrophenschutz gut aufgestellt?
„Prinzipiell gut“, nennt Reinhard Sager den Katastrophenschutz in Deutschland. Der Präsident des Deutschen Landkreistags lobte vor allem die zügige Reaktion der betroffenen Kommunen: Viele Landkreise hätten schnell den Katastrophenfall ausgerufen. Aber: Deutschland müsse sich noch besser auf extreme Wetterereignisse vorbereiten. Die Kommunen bräuchten mehr Geld – etwa für den Ausbau von Dämmen. Besser werden müsse zudem die Koordination im Krisenfall: Nötig sei etwa ein bundesweites Register zu verfügbaren Ressourcen.
Mehr Geld für den Katastrophenschutz hatte bereits zu Beginn des Jahres auch der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, Karl-Heinz Banse, gefordert. Notwendig seien zehn Milliarden Euro: „Damit können wir wichtige Geräte für den Einsatz anschaffen: Sandsackfüllmaschinen, Pumpensysteme, geländegängige Fahrzeuge.“ Die Großstädte seien gut ausgestattet, aber gerade auf dem Land fehle es an wichtigem Spezialgerät. Gerda Hasselfeldt, Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), forderte ebenfalls, mehr in den Katastrophenschutz zu investieren.
Funktionieren die Alarmsysteme?
Ja, sagt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). „Dem BBK sind keine Ausfälle der Warnsysteme bekannt“, teilte ein Sprecher mit. Auch Landkreispräsident Sager erklärte, die Warnung der Bevölkerung auf der Grundlage der Wetterprognosen habe gut funktioniert. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) zog ebenfalls ein positives Zwischenfazit. Über Warn-Apps, Radio- und Fernsehmeldungen sowie über örtliche Hinweise durch Feuerwehr, Katastrophenschutz und Polizei habe es rechtzeitig konkrete Unwetterwarnungen sowie die Aufforderung zur Evakuierung von Gebäuden und Plätzen gegeben, sagte DStGB-Hauptgeschäftsführer André Berghegger dieser Redaktion.
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Berghegger forderte aber auch hier Verbesserungen. „Die aktuelle Lage in Bayern und Baden-Württemberg unterstreicht auch, dass wir deutschlandweit für Flusseinzugsgebiete einschließlich kleinerer Gewässer verlässliche Vorhersagesysteme und damit zusammenhängende Warnsysteme benötigen.“
Krankheitskeime, Ölspuren, Schlamm: Wie gefährdet ist das Trinkwasser?
Steigt das Hochwasser, wächst auch die Gefahr für das Trinkwasser: „In dem Moment, wo Abflüsse nicht mehr funktionieren, wo das Abwasser hochgedrückt wird oder die Installationen unter Wasser geraten, steigt das Risiko für eine Verunreinigung“, warnt Kristina Böhm, Vorsitzende der deutschen Amtsärzte. Die örtlichen Behörden müssten jetzt genau hinschauen: „Abwässer mit Fäkalien bergen die Gefahr, dass sich zum Beispiel Hepatitis A ausbreitet. Dagegen hilft eine Impfung. Beim Oder-Hochwasser gab es Impfaktionen, möglicherweise ist das diesmal wieder nötig.“
Aber: Bei den gewaltigen Wassermengen wie in jetzt in Süddeutschland sei es praktisch nicht zu verhindern, dass sich das Abwasser zurückstaut und das Abwasser hochdrückt. Die Bilder zeigten, so Böhm, wie wichtig es sei, dass jeder selbst eine Trinkwasserreserve horte – am besten in abgepackten Wasserflaschen. Neben der akuten Gefahr gebe es auch Folgeprobleme: Feuchtigkeit und warme Temperaturen befördern Krankheitskeime im Abwasser – aber auch Mücken und andere Insekten, die ihrerseits Erreger übertragen können. „Die Gefahr ist groß, dass sich dann in den Überschwemmungsgebieten Infektionswellen entwickeln können“, mahnt die Amtsärztechefin.
Wie sicher sind Deiche, Dämme und Straßen?
Fachleute warnen, dass etwa die Stabilität der Deiche in Deutschland ganz unterschiedlich ist. Während Sachsen und Sachsen-Anhalt nach den Elbehochwassern viel getan hätten, seien die Deiche anderenorts schnell durchweicht, weil sie seit Jahren kaum ausgebaut oder erneuert wurden. „Außerdem benötigen wir mehr Ausgleichsflächen für die bei Flutkatastrophen auftretenden hohen Wassermassen – Polder und Wiesen, die überflutet werden können, sowie gegebenenfalls weitere Talsperren, die Wasser zurückhalten“, so Feuerwehr-Präsident Banse.
Müssen wir anders bauen?
Experten empfehlen das. Nicht nur in Bezug auf Flutereignisse – auch mit Blick auf extreme Dürre. Wissenschaftler wie Theo Schmitt von der TU Kaiserslautern-Landau plädiert etwa unter anderem dafür, Städte so umzubauen, dass sie in der Lage sind, große Mengen an Wasser aufzunehmen und zeitverzögert wieder abzugeben („Schwammstadt“). Damit einher müssten auch Renaturierungen und die Ausweisung geplanter Überschwemmungsflächen gehen, so Schmitt.
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Der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), Uwe Brandl (CSU) verlangte von den Bürgerinnen und Bürgern mehr Einschränkungen: „Dazu gehört es, Grundstücke abzugeben, wenn das zum Hochwasserschutz erforderlich ist, aber auch die Mitfinanzierung von Schutzmaßnahmen oder der Verzicht auf das Bauen im Überschwemmungsbereich.“ Ähnliches hatten auch die Versicherer schon gefordert. Nötig sei klimaangepasst zu planen, zu bauen und zu sanieren. „Wir bauen bis heute in Deutschland so, als ob es keinen Klimawandel gäbe“, so eine GDV-Sprecherin.
Die Chefin der Amtsärzte, Kristina Böhm, forderte dabei, auch einen Fokus auf die Gesundheitsinfrastruktur zu legen. „Regionen, die bislang noch nicht mit Hochwasser zu tun hatten, sind oft schlecht auf die Gefahren vorbereitet. Dort, wo es nötig ist, sollten vor allem Kliniken und Pflegeheimen zügig gegen Hochwasser geschützt werden – etwa durch flexible Schutzwände“, so Böhm.
Hochwasserkatastrophen im Monatstakt – geht das jetzt so weiter?
Experten befürchten das: „Starkregenereignisse werden ein Stück weit zur neuen Normalität“, sagte Thomas Deutschländer, leitender Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD). „Die Atmosphäre wird durch den Klimawandel wärmer. Und eine wärmere Atmosphäre kann schlicht und ergreifend mehr Wasser aufnehmen als eine kältere“, so Deutschländer. „Deswegen ist potenziell mehr Wasser in der Luft unterwegs, was dann natürlich auch zu stärkeren Niederschlägen führen kann.“
Der DWD beobachtet bereits, dass die Niederschlagsmenge im Winter deutlich zugenommen hat. Im Sommer dagegen bleibe die Niederschlagsmenge zwar in etwa gleich, der klassische Landregen aber nehme ab, dafür der intensivere Starkregen zu. Die Klimamodelle prognostizieren Deutschländer zufolge, dass dieser für den Sommer beschriebene Effekt noch stärker werden wird. „Sprich: Wir müssen auch mit immer mehr Hochwassern und Überflutungen rechnen.“
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