Berlin. Vor der Landtagswahl in Thüringen kommt es zum TV-Duell zwischen Voigt (CDU) und Höcke (AfD). Ein Experte spricht über die Gefahr.

  • Thüringen wählt am 1. September einen neuen Landtag
  • In den Umfragen vorne liegen die CDU und die AfD – mit ihren Spitzenkandidaten Mario Voigt und Björn Höcke
  • Am 11. April treffen sich die beiden zum TV-Duell

Duellieren oder ignorieren? Die Frage nach dem Umgang mit der AfD stellen sich die anderen Parteien vor den Wahlen in diesem Jahr – und ganz konkret bereits im Hinblick auf Donnerstagabend. Dann treffen sich Mario Voigt, CDU-Spitzenkandidat in Thüringen, und AfD-Landeschef Björn Höcke zum Rededuell im Fernsehen. Ein Christdemokrat verabredet sich zur Konfrontation auf großer Bühne mit einem Mann, der selbst in der AfD zum ganz rechten Rand gehört: Das hat es noch nicht gegeben.

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Schlägt Voigt damit den richtigen Weg ein? Sicher ist: Der Verlauf des Aufeinandertreffens am Donnerstag um 20.15 Uhr im Sender Welt TV wird von den anderen Parteien ganz genau beobachtet. Im Juni finden die Europawahlen statt, im September werden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg die Landtage neu gewählt. In den drei Ostländern könnte die AfD jeweils stärkste Kraft werden. Alle Parteien suchen nach einem Rezept, Wähler von der AfD zurückzuholen. Die Hoffnung: Was in diesem Jahr funktioniert, könnte auch 2025 bei der Bundestagswahl klappen.

CDU-Chef Merz: Wir müssen die AfD inhaltlich stellen

Voigt hat sich für die Konfrontation entschieden. Er liegt damit auf einer Linie mit CDU-Chef Friedrich Merz. „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es falsch ist, die AfD nur zu ignorieren und sich nicht mit ihr zu befassen“, hatte Merz zu Jahresbeginn gesagt. „Wir müssen sie inhaltlich stellen, weil sie nirgendwo realistische Antworten hat.“ Es gibt in der CDU jedoch auch Zweifel, dass die TV-Debatte eine gute Idee ist. „Dieser Partei würde ich keine Plattform geben wollen, abseits von dem, was ihr parlamentarisch zusteht“, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff unlängst.

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Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder hält es für einen „Fehler“ von Voigt, sich auf die Konfrontation mit dem AfD-Spitzenkandidaten in Thüringen eingelassen zu haben. „Damit trägt er einerseits zu einer weiteren Normalisierung und Etablierung der AfD bei“, sagte der Experte von der Universität Kassel unserer Redaktion. „Andererseits bricht die CDU damit aus der Phalanx der anderen demokratischen Parteien aus.“ Die Kritik der Konkurrenz an dem Duell ist groß. „Jahrzehntelang war unter den demokratischen Parteien klar: Nazis bietet man keine Bühne“, erklärte etwa Thüringens Innenminister und SPD-Spitzenkandidat Georg Maier.

„Hart und sachlich“ will Mario Voigt mit Björn Höcke diskutieren

Mario Voigt, CDU-Spitzenkandidat in Thüringen (im Bild), und Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke treffen sich am Donnerstag zum Rededuell im Fernsehen.
Mario Voigt, CDU-Spitzenkandidat in Thüringen (im Bild), und Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke treffen sich am Donnerstag zum Rededuell im Fernsehen. © DPA Images | Martin Schutt

Bei Voigt spielen konkrete strategische Überlegungen eine Rolle dafür, dass er nach einer Auseinandersetzung in den sozialen Medien ins TV-Duell eingewilligt hat. Neben Höcke, der mit seiner Partei in Umfragen führt, und Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linken will sich Voigt als Kandidat für das Amt des Regierungschefs ins Spiel bringen. Die Konfrontation mit Höcke ist für Voigt allerdings nicht ohne Risiko: Um im Anschluss von einem Erfolg zu sprechen, muss er als klarer Sieger erscheinen. Ein Unentschieden reicht nicht.

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    „Hart und sachlich“ wolle er sich mit Höcke auseinandersetzen, kündigt Voigt an. Themen gibt es genug: die Vorwürfe gegen den AfD-Europawahlkandidaten Petr Bystron, Geld aus russischen Quellen erhalten zu haben. Dass ausgerechnet die AfD so stark von der staatlichen Finanzierung profitiert wie keine andere Partei im Bundestag. Wie viele Millionen Menschen nach Ansicht von Höcke das Land verlassen sollten. Wie der Chef eines vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistisch eingestuften Landesverbandes Deutschland umbauen würde, wenn er könnte.

    Umfrage: Mehrheit nicht der Meinung, dass das TV-Duell der AfD schadet

    In der Bevölkerung gibt es allerdings Zweifel, ob die live übertragene Auseinandersetzung mit Höcke den CDU-Mann Voigt in die Offensive bringt. In einer repräsentativen Online-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für unsere Redaktion gaben 41 Prozent an, dass das Duell eher der AfD nutzen werde. 40 Prozent der rund 5000 Befragten sind unentschieden. 19 Prozent erwarten, dass die Konfrontation im TV der AfD eher schaden werde.

    Der Parteienexperte Schroeder beurteilt die von Voigt gewählte Strategie auch im Hinblick auf die weiteren anstehenden Wahlen skeptisch, da es in der Auseinandersetzung mit Populisten immer eine „gewisse Waffenungleichheit“ gebe: „Populisten nehmen Kernelemente von Wahrheit und spitzen diese mit Stimmungen und Vorurteilen zu, um die Bevölkerung mit einem Gemisch aus Emotionalität und Rationalität anzusprechen.“ Schroeders Fazit: „Das macht es für den Kontrahenten in einer Diskussion schwierig, dagegen anzukommen.“

    Parteienexperte: AfD muss nicht an Wahlrunden beteiligt werden

    Also ignorieren statt duellieren? Die AfD richte sich radikal gegen das demokratische System, sagt Schroeder. „Mit dem Argument lässt es sich begründen, die AfD nicht an Wahlrunden zu beteiligen und die Partei so als Konkurrent auf Augenhöhe einzustufen.“ Der Chefredakteur von Welt TV, Jan Philipp Burgard, widerspricht und begründet die Entscheidung, Höcke und Voigt eine Bühne zu bieten, so: „Die Strategie, Parteien vom Diskurs auszuschließen, hat offenkundig nicht funktioniert.“ Das Duell sei der „Versuch“, formuliert Burgard vorsichtig, „Aussagen kritisch zu hinterfragen“.

    Schroeder empfiehlt den anderen Parteien am Beispiel der Migrationspolitik eine andere Strategie. „Je öfter und lauter über Migration diskutiert wird, desto mehr nützt das der AfD“, erwartet der Politikexperte. „In der Migrationsfrage muss also gehandelt werden, damit die Bevölkerung merkt, dass Schwierigkeiten angegangen werden.“ Anders formuliert: Die Auseinandersetzung mit der AfD ist nicht in Fernsehduellen zu gewinnen.