Manila.. Transmenschen und Kirche: Das ist ein schwieriges Verhältnis. In einem tiefkatholischen Land wird eine Transfrau nun zur Geistlichen.
Wowa Ledama ist ganz aufgeregt, wenn sie von ihrer Taufe erzählt: „Ich konnte nicht glauben, dass ich das jetzt wirklich tat. Ich hab‘ gezittert, dass ich die erste war. Ich hoffte natürlich, dass alles gut gehen würde.“ Eine ganze Woche hatte sie geprobt. Wie genau sie sich verhalten müsste, was genau zu sagen wäre. „Und als es geschafft war, kam ein Elternteil zu mir und sagte: ‚Das haben Sie richtig gut gemacht. Eine sehr schöne Reflektion über das Leben!‘“ Wowa Ledama war erleichtert.
Denn bei diesem Termin vor einem Jahr war nicht sie selbst diejenige, die getauft wurde, sondern ein Kleinkind aus der Stadt Buug im Süden der Philippinen. Dort ist Wowa Ledama seit Februar 2023 Diakonin, ist also auf dem Weg ins Amt der Priesterin – und zwar einer, die es noch nie gegeben hat. Die 29-Jährige ist Transfrau. Im südostasiatischen 114-Millionenland, und womöglich auf der ganzen Welt, ist Ledama damit eine Art Pfadfinderin. Denn was Genderdiversität angeht, haben sich christliche Institutionen bisher kaum als fortschrittlich hervorgetan.
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Wowa Ledama hat ihre Konflikte damit, gesteht sie. Aber ihrem Glauben will sie trotzdem treubleiben. „Ich verarbeite diese Frage für mich selbst noch: Warum sollte ich Priesterin sein, wenn das Christentum so homophob ist? Wenn ich übliche Interpretationen der Bibel ansehe, dann sehe ich, dass alle homosexuellen und queeren Personen Sünder sein sollen.“ Aber sie will dieses Narrativ ändern. „Jede Person kann eine Anführerin sein, egal welche Genderidentität sie hat, solange sie moralisches Handeln vorlebt und vergeben kann.“
Philippinen: „Warum soll ich Priesterin sein, wenn das Christentum homophob ist?“
Wowa Ledama gehört zur Iglesia Filipina Independiente, einer Kirche, die sich 1902 gründete – damals mit dem Ziel, ein spirituelles und politisches Gegengewicht zum spanischen Kolonialerbe und der damit eng verbundenen Römisch-Katholischen Kirche herzustellen. Die Iglesia Filipina Independiente – auf Deutsch: Philippinische Unabhängigkeitskirche – versprach den Menschen ein neues Zuhause für das Christentum. Die Unabhängigkeitskirche wollte Schluss machen mit dem Missbrauch durch die damals einzige etablierte Kirche im Land.
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Um die Jahrhundertwende schlossen sich viele einfache Filipinos – Fischer, Bauern und Arbeiter – begeistert an. Das Versprechen war nicht nur Unabhängigkeit, auch Gleichheit und Freiheit. Was dem neuen Gotteshaus aber sofort Ärger einbrachte: Aus der im Vatikan ansässigen römisch-ratholischen Kirche wurde sie als „Synagoge des Satans“ bezeichnet. Die Unabhängigkeitskirche wuchs trotzdem, zählt heute 640.000 Mitglieder. In den Philippinen, wo rund 80 Prozent dem römisch-katholischen Glauben angehören, ist sie damit eine der größeren unter den kleineren Kirchen.
Transmenschen: Philippinen gehen radikalen Schritt
Und dass die Unabhängigkeitskirche fortschrittlich ist, erkennt man längst auch unter römisch-katholischen Dächern an. Flavie Villanueva etwa, Pfarrer in der Hauptstadt Manila, sagt: „Sie waren in Zeiten der Philippinischen Revolution und Unabhängigkeit ganz vorne mit dabei. Sie lehnten sich gegen die spanischen Kolonialisten auf. Und es überrascht mich auch nicht, dass sie nun so einen mutigen, radikalen Schritt machen.“
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Mit dem „mutigen, radikalen“ Schritt meint Villanueva, dass in der Unabhängigkeitskirche seit 2018 auch Transpersonen Geistliche werden können. Damals erklärten deren führenden Geistliche in einem Statement etwas, das in christlichen Gotteshäusern weltweit Vorbildrolle haben könnte: „Wir glauben, dass die Kirche auf ihrem Weg zu einer gerechten und friedlichen Welt auf offene Weise alle als die Menschen Gottes einschließen muss, mit allen Geschlechtern, sexuellen Orientierungen, Genderidentitäten und -ausdrücken.“
An anderer Stelle heißt es darin weiter: „Wir bitten um Vergebung für die vielen Male, als wir Gleichgültigkeit zeigten und die LGBTIQ+-Personen diskriminierten, stigmatisierten und ihnen das Gefühl gaben, sie seien weniger menschlich. Wir entschuldigen uns für die Momente, in denen sie durch unsere Gedanken, Worte und Taten empfanden, Gottes Liebe sei selektiv.“ Diesem Statement vorausgegangen war ein schwules Kirchenmitglied, das im Jahr 2010 bei einer Versammlung eine Stellungnahme zu diesem Thema gefordert hatte.
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Transmenschen: Außerhalb der Kirche gelangen sie in hohe Positionen
Und sieben Jahre später schlug die Unabhängigkeitskirche dann diese neue Richtung ein. Überall auf der Welt würde eine Transperson als Geistliche Aufsehen erregen. Im südostasiatischen Land ist dies auf eine Weise besonders überraschend. Denn die hier mächtige römisch-katholische Kirche ist ein wichtiger Grund, warum in den Philippinen nicht nur gleichgeschlechtliche Ehen verboten bleiben, sondern auch Scheidungen. Transpersonen können bis heute auch nicht offiziell ihren Namen ändern.
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An Transpersonen, die Geistliche werden, wäre in der römisch-katholischen Kirche schon gar nicht zu denken, bestätigt Flavie Villanueva: „Wenn man die katholische Lehre betrachtet, dann hat Gott Mann und Frau geschaffen.“ Darüber möchte er mit niemandem streiten, denn so solle es bleiben, sagt der Pfarrer. „Wenn jetzt jemand eine Transperson ist, dann heißen wir sie herzlich willkommen. Ich habe auch schwule Freunde, die ich sehr respektiere. Ich persönlich würde auch weibliche Pastorinnen begrüßen.“
Aber eine Transperson als Pastorin? Villanueva ringt einen Moment nach Worten. „Das käme schon Spott gegenüber dieser heiligen Tätigkeit nahe. Denn laut Schöpfung gibt es eben Mann und Frau.“ Und nichts dazwischen oder außerhalb dieser zwei Kategorien. Andererseits: Außerhalb religiöser Institutionen schaffen es Transfrauen und -männer in den Philippinen aber immer wieder in exponierte Positionen: Im nationalen Parlament ist eine Transfrau Politikerin, in einem Regionalparlament war auch schon eine Transperson Abgeordnete.
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Transpersonen sind hier auch Unternehmer, Juristen und Bankmanagerinnen. Wowa Ledama macht das stolz: „In den Philippinen ist es einfacher als anderswo, trans zu sein. Ich wurde zum Beispiel von meiner Großmutter erzogen, und sie förderte das Weibliche in mir. Später sagte sie mir meinem Vater, er muss mich akzeptieren, wie ich bin.“ Als die junge Frau später ein Pflegestudium begann, trug sie ihre Haare lang, legte Frauenkleidung an. „Und ich wurde respektiert.“
Pastorin auf den Philippinen: Worüber Transfrau Ledama am häufigsten predigt
Hintergrund ist eine präkoloniale Tradition, die Geschlechter weniger binär betrachtet als vielmehr auf einem Kontinuum. Die juristisch bis heute bestehende strenge Zweiteilung in Mann und Frau kam mit dem spanischen Kolonialismus und dem Katholizismus. Was will eine wie Wowa Ledama dann in der Kirche? Den Weg in Klerus schlug sie ein, als sie nach dem richtungsweisenden Beschluss von 2017 durch einen Geistlichen der Kirche angesprochen wurde – ob sie nicht Interesse habe, selbst Pastorin zu werden.
Die ohnehin gläubige Frau überlegte nicht lang – und besuchte bei nächster Gelegenheit das Priesterinnenseminar. Wobei sie dort auch erfahren musste, dass selbst in ihrer fortschrittlicheren Kirche einige Strukturen noch altmodisch sind: „Im Seminar wurde ich belächelt.“ Sie musste auch in ein Zimmer für Männer, denn die Einteilungen sind noch binär. „Aber die größte Enttäuschung war, dass ich sexuell belästigt wurde. Ich wurde betatscht und geküsst ohne mein Einverständnis. Und als ich den Fall meldete, passierte nichts. Es gab nie eine Strafe für diese drei Personen.“
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Fallenlassen will Wowa Ledama die Angelegenheit nicht. Umso mehr betont sie in ihren Predigten die Bedeutung von Gerechtigkeit – insbesondere in Bezug auf Gender-Fragen. Oft spreche sie über Themen der Inklusion. „Da geht es um die Wichtigkeit, dass wir endlich ein Gesetz verabschieden müssen, das Menschen gegen Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung oder Genderidentität schützt. Auch die Möglichkeit einer Homo-Ehe.“
Es gebe viele biblische Verse, die sich dazu vorlesen lassen, sagt Wowa Ledama. Das wichtigste christliche Prinzip dahinter sei immer wieder die Nächstenliebe.