Berlin. Wichtige Datenleitungen im Roten Meer sind zerstört, womöglich durch Huthi-Rebellen. Wie angreifbar ist unsere digitale Infrastruktur?

Es sind die Mittagsstunden des 26. Februars, als die Kurve fällt. Steil nach unten – und das innerhalb von Minuten. Die Stabilität des Netzes bricht über mehrere Stunden ein. Irgendetwas läuft schief bei Seacom, TGN, AAE-1, EIG. Es sind Chiffren für Leitungen, die in knapp zweihundert Meter Tiefe auf dem Grund des Roten Meeres zwischen Dschibuti und Saudi-Arabien verlaufen.

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15 Kabel liegen dort unter Wasser. Sie sind Teil eines globalen Netzes an Unterseekabeln, die Daten-Autobahnen der Welt. Darunter Kabel, einige Zentimeter dick, die Asien mit Europa verbinden. Mehr als 95 Prozent des Datenverkehrs gehen durch diese Leitungen am Meeresgrund. Knapp 500 Verbindungen verlaufen auf Meeresböden des Atlantiks, des Pazifiks, des Mittelmeers oder der Nord- und Ostsee. Insgesamt mehr als 1,3 Millionen Kilometer Datenströme.

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    Doch nun sind offenbar vier dieser Lebensadern des weltweiten Internets beschädigt, ausgerechnet dort, wo derzeit die Europäische Union eine ihrer heikelsten Militäroperationen durchführt: Es geht um die Sicherheit im Roten Meer im Kampf gegen islamistische Huthi-Rebellen. Die Islamisten greifen immer wieder Handelsschiffe an. Finanziert und ausgerüstet auch durch das schiitische Regime des Irans, wollen sie die Meeresstraße zum Gefahrengebiet machen.

    Die Betreiberfirma der Unterwasser-Leitung, der chinesische Konzern HGC Global, spricht von einem „ernsten Vorfall“. In den ersten Stunden nach dem Alarm ist vor allem eine Sorge groß: Stecken die Huthi-Rebellen hinter dem Schaden an den Unterseekabeln? Greift die Miliz nicht nur Schiffe auf der Route über das Rote Meer an – sondern auch kritische Infrastruktur des Westens unter Wasser?

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    Asymmetrische Kriegsführung: Kraftwerke, Computersysteme und eben auch Datenleitungen

    Klar ist: Das Rote Meer ist eine der kürzesten Verbindung von Europa nach Asien. Gezielte Angriffe auf die Daten-Kabel hätten gravierende Folgen, für Internetnutzer, vor allem für den globalen Handel. Daten müssten aufwendig umgeleitet werden, etwa über Afrika. Das kostet Zeit, und selbst wenn es nur Sekunden sind, die eine Verbindung länger dauert, wirkt sich das aus. Jeder, der stockende Videos schaut, weiß das.

    Medien berichteten zunächst schnell, dass „ein Angriff“ auf die Unterwasserkabel auf das Konto der Rebellen gehe. Gerade israelische Berichte deuteten zunächst darauf hin. Die Journalisten beriefen sich auf Ankündigungen der Huthi-Kämpfer, diese wichtige Architektur der globalen Wirtschaft anzugreifen. Es passt zur Taktik sogenannter asymmetrischer Kriegsführung, bei der Milizen und Terrorgruppen in gezielten Angriffen Knotenpunkte von Logistik des Gegners attackieren: Kraftwerke, Computersysteme, Stromtrassen, Versorgungslinien – und eben auch Datenleitungen.

    Doch mittlerweile wachsen die Zweifel, dass die Huthi-Rebellen die Datenkabel am Meeresboden gezielt sabotiert haben. Fachleute zweifeln daran, dass die Miliz eine solch aufwendige Operation technisch stemmen kann. Die Kabel liegen in einer Wassertiefe von 150 bis 180 Meter, es braucht Spezial-Taucher, Gerät und auch Wissen darüber, wo genau die Kabel verlaufen. Selbst mithilfe des Regimes in Teheran, so ist aus den Sicherheitsbehörden zu hören, sei diese Sabotage-Aktion kaum zu meistern.

    Experten kritisieren: Daten-Autobahnen im Wasser zu wenig geschützt

    Experten bemängeln seit Jahren, dass die Politik des Westens viel diskutiert über den Schutz von Grenzen, von Kraftwerken und Kliniken sowie Computersystemen, also der kritischen Infrastruktur. Viel zu wenig aber stünden diese Daten-Autobahnen unter Wasser im Fokus der Regierungen in Europa und den USA. Mit fatalen Folgen: Die Kabel sind kaum geschützt, vor allem die Anladepunkte, an denen die Kabel aus dem Wasser ans Festland verlaufen, gelten als Schwachstellen. Mehrfach hatte es in den vergangenen Jahren Sabotage-Aktionen gegeben, etwa in der französischen Hafenstadt Marseille.

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      Dabei könnte schon ein Ausfall des Netzes und damit des Datenverkehrs etwa von Asien nach Europa und in die USA „verheerende Auswirkungen“ auf die Finanzwirtschaft haben, wie ein Bericht der EU festhält.

      Und doch könnten die Huthi-Rebellen schuld am aktuellen Kabelschaden sein. Fachleute der Netzbetreiber halten mittlerweile folgendes Szenario für möglich: Im Februar beschossen die Kämpfer den Frachter Rubymar in diesem Seegebiet, beladen mit Düngemittel. Nachdem das Schiff Treffer kassiert hatte, ging es zunächst vor Anker und sank schließlich vor wenigen Tagen. Der Anker könnte, so Experten, den Schaden an den Unterseekabeln verursacht haben.

      Das Rote Meer ist eine umkämpfte Zone, Kampfgebiet des Nahostkonflikts

      Das wäre ein dummer Zufall – und doch sagt er viel darüber aus, wie Krisen dieser Welt die Sicherheit des Westens eben auch an einer Flanke treffen können, mit der nur wenige rechnen. Die Reparatur der Kabel kann dauern. Spezialschiffe müssen zu der Stelle fahren, sie sind oft lange im Voraus ausgebucht. Zudem: Das Rote Meer ist eine umkämpfte Zone, Kampfgebiet des Nahostkonflikts. Dorthin Arbeiter auf Schiffen zu schicken, ist riskant.

      Die Netzbetreiber konnten den Datenverkehr im aktuellen Fall schnell umleiten auf andere Unterwasserleitungen. Die Firmen reagieren schnell, die Verbraucher in Deutschland werden den Vorfall im Roten Meer nicht bemerkt haben. Doch je mehr Industrie und Dienstleister, aber auch Kliniken, Flughäfen und Straßenverkehr auf funktionierende Datenströme angewiesen sind, desto größer werden Unterseekabel zu einer Achillesferse westlicher Infrastruktur. Und auch Milizen, autoritäre Regime und Terrorgruppen kennen diese Schwachstellen mittlerweile.