Washington. Wie die USA den Iran eindämmen und den Krieg um Gaza beenden wollen – ohne eine Eskalation im Nahen Osten auszulösen.

Als US-Präsident Joe Biden am Freitagmorgen in Dover an der Küste Delawares in einer offiziellen Zeremonie die Särge mit den Leichen der US-Soldaten Jerome Rivers (46), Kennedy Ladon Sanders (24) und Breonna Alexsondria Moffett (23) in Empfang nahm, waren sie schon in der Luft: zwei vom texanischen Luftwaffen-Stützpunkt Dyess gestartete B-1B-Kampfbomber.

Ihr Ziel: 6000 Meilen (ca. 9.656 km) entfernt, das syrisch-irakische Grenzgebiet. Ihr Auftrag: Binnen 30 Minuten mit rund 125 Präzisionsraketen 85 Ziele in sieben Ortschaften auszuschalten, in denen die Al-Kuds-Brigaden der iranischen Revolutionsgarde (IRGC) und von ihr alimentierte Milizen Kommandozentralen und Waffenlager unterhalten.

Zehn Stunden später meldete das Pentagon in Washington: Mission erfüllt. Für Biden, der den Schlag als Antwort auf einen tödlichen Drohnenangriff pro-iranischer Milizen vor einer Woche auf einen US-Stützpunkt in Jordanien anordnen ließ, ist damit der erste Schritt der dosierten Vergeltung getan.

Joe Biden: „All jene, die uns schaden wollen, sollen dies wissen: Wenn Sie einem Amerikaner Schaden zufügen, werden wir darauf reagieren.”

Dabei kamen nach ersten Informationen der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte 18 pro-iranische Kämpfer ums Leben. Nach irakischen Angaben starben 16 Menschen, darunter auch Zivilisten. Die Regierungen in Bagdad wie Damaskus verurteilten die US-Intervention als Verstoß gegen die nationale Souveränität und forderten den Abzug der dort stationierten US-Truppen.

Präsident Joe Biden war am Freitag dabei, als die Särge mit den drei in Jordanien getöteten US-Soldaten am Luftwaffen-Stützpunkt Dover ankamen.
Präsident Joe Biden war am Freitag dabei, als die Särge mit den drei in Jordanien getöteten US-Soldaten am Luftwaffen-Stützpunkt Dover ankamen. © DPA Images | Kyle Mazza

Weitere Militärschläge der USA werden folgen. Wann und wo, das ließ der Präsident offen. „Es wird davon abhängen”, so erklärten Experten des Verteidigungsministeriums in Washington inoffiziell, „wie der Iran nun reagiert.”

Bidens Linie: „All jene, die uns schaden wollen, sollen dies wissen: Wenn Sie einem Amerikaner Schaden zufügen, werden wir darauf reagieren.”

Der Iran kommentierte die Geschehnisse moderat. Man wolle keinen Krieg mit den USA, erklärten Regierungsoffizielle, allerdings seien die US-Angriffe „ein weiterer abenteuerlicher und strategischer Fehler der Vereinigten Staaten, der nur zu einer erhöhten Spannung und Instabilität in der Region führen wird”.

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    Hintergrund der US-Entscheidung: Seit Mitte Oktober, als die radikal-islamische Hamas in Gaza Israel überfiel und ein beispielloses Blutbad anrichtete, gab es mehr als 165 (vom Iran inspirierte) Angriffe auf Stützpunkte im Irak, in Syrien und in Jordanien, wo US-Soldaten stationiert sind.

    USA: Republikaner wollen Mullahs im Iran angreifen

    Amerika, Israels engster Verbündeter, antwortete mit begrenzten Militär-Schlägen. Mit dem Tod der drei aus dem Bundesstaat Georgia stammenden Soldaten/-innen wurde zu Beginn des Wahljahres der innenpolitische Druck auf Biden über Nacht so groß, dass eine „substanzielle Antwort” nötig wurde, wie es in Regierungskreisen hieß. „Der Präsident darf nicht als Zauderer wirken”, erklärten Kommentatoren im US-Fernsehen.

    Vor allem die oppositionellen Republikaner forderten seit einer Woche drakonische Strafaktionen. Dabei müssten, so stellvertretend Senator Lindsey Graham, auch Ziele im Iran angegriffen werden. Tenor: Anders kämen die Mullahs in Teheran nicht zur Räson.

    Hält Bidens Antwort für zu schwach: Lindsey Graham, republikanischer Senator, fordert direkte Angriffe auf den Iran.
    Hält Bidens Antwort für zu schwach: Lindsey Graham, republikanischer Senator, fordert direkte Angriffe auf den Iran. © AFP | ANDREW CABALLERO-REYNOLDS

    Biden und sein Verteidigungsminister Lloyd Austin halten diese Strategie zum jetzigen Zeitpunkt für unverantwortlich. Weil dadurch eine Eskalationsspirale in Gang gesetzt würde, die in einen Krieg mit dem Iran münden und das Pulverfass Nahost zur Explosion bringen könnte. Ähnlich äußerte sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.

    Biden wörtlich: „Die Vereinigten Staaten streben keinen Konflikt im Nahen Osten oder irgendwo sonst in der Welt an.” Sein Außenminister Antony Blinken flankierte die Ansage mit einem Hinweis auf die angeheizte Lage im Nahen Osten: „Ich behaupte, dass wir in der gesamten Region seit mindestens 1973 - vielleicht sogar davor - keine so gefährliche Situation mehr erlebt haben wie jetzt.” 1973 war der Jom-Kippur-Krieg, als arabische Nachbar-Staaten Israel überfielen.

    Ob Bidens Strategie einer „Rache auf Raten“ zum Ziel führt und vom Iran gesponserte Sabotage-Akte im Nahen Osten nachhaltig verringert, ist umstritten. Führungsfiguren der von Präsidentschaftsanwärter Donald Trump angetriebenen Republikaner im Kongress halten Bidens Antwort für halbherzig. „Der Iran wird dadurch nicht nachhaltig abgeschreckt.”

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      Dabei wird ignoriert, was die Biden-Regierung teils hinter den Kulissen, teils offen seit Wochen betreibt, um den Konflikt um Gaza einzudämmen und die Region zu beruhigen.

      Israel: Neuer Plan für Waffenstillstand in Gaza

      Hier spielt die Freilassung der rund 140 israelischen Geiseln, die sich seit 7. Oktober in der Gewalt der Hamas befinden, eine zentrale Rolle. Unter Leitung von CIA-Chef William Burns wird mit Unterstützung von Ägypten und Katar mit Israel an einem Modell gearbeitet, das alle Geiseln schrittweise über mehrere Wochen in Freiheit bringen soll. Umgekehrt sollen in Israel inhaftierte Palästinenser freikommen. Damit soll eine Waffenruhe einhergehen, die das Sterben palästinensischer Zivilisten in Gaza beenden würde. Die Rede ist von 35 Tagen in einem ersten Schritt.

      Bidens wichtigster Mann im Nahen Osten: CIA-Chef William Burns spielt eine führende Rolle bei dem Versuch, 140 israelische Geiseln aus den Händen der radikal-islamistischen Hamas zu befreien.
      Bidens wichtigster Mann im Nahen Osten: CIA-Chef William Burns spielt eine führende Rolle bei dem Versuch, 140 israelische Geiseln aus den Händen der radikal-islamistischen Hamas zu befreien. © Getty Images via AFP | Anna Moneymaker

      Wäre dieser Status erreichbar, zielt die US-Regierung auf eine politisch-diplomatische Neuordnung der Verhältnisse. Dabei soll die wechselseitige Anerkennung von Israel und der Großmacht Saudi-Arabien, sprich eine historische Normalisierung der Beziehungen, eine Schlüsselrolle einnehmen, wie US-Leitmedien berichten.

      Gedanklich wird auch ein neuer Anlauf für einen Palästinenser-Staat durchgespielt. Dabei könne eine „revitalisierte Palästinensische Autonomiebehörde” wichtige Schrittmacher-Dienste leisten.