Brüssel/Helsinki. EU und Nato sind alarmiert, Finnland spricht von „hybridem Krieg“ und schließt Grenzübergänge. Doch Russland weist die Vorwürfe zurück.

Eine neue Flüchtlingsroute für Migranten aus dem Nahen Osten und Afrika alarmiert die Europäische Union. Zunehmend reisen Asylbewerber etwa aus dem Irak, Syrien oder Afghanistan jetzt über Russland nach Finnland ein, offenbar mit aktiver Hilfe des russischen Grenzschutzes. Die EU-Kommission und die finnische Regierung sind sicher, dass der russische Präsident Wladimir Putin als Drahtzieher dahinter steckt.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte: „Russlands Instrumentalisierung von Migranten ist beschämend“. Der finnische Ministerpräsident Petteri Orpo wirft Putin vor, er versuche als Reaktion auf den Nato-Beitritt seines Landes Finnland zu destabilisieren; Verteidigungsminister Antti Hakkanen spricht gar von „hybrider Kriegsführung“.

Finnland hält erstes Militärmanöver nach Nato-Beitritt ab
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    Auch die Nato ist alarmiert. Das Bündnis beobachte die Vorgänge sehr genau, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg: „Die Allianz ist wachsam“. Die Vorgänge werden sehr ernst genommen, weil die Abläufe an ähnliche Provokationen von Belarus an der Grenze zum Baltikum und Polen erinnern. Vor zwei Jahren ließ der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenkogezielt Zehntausende Flüchtlinge aus dem Nahen Osten in sein Land einfliegen, die dann mithilfe von belarussischen Grenzsoldaten nach Polen, Lettland und Litauen geschleust wurden.

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    Auch damals fing es erst mit einigen Dutzend Flüchtlingen an, dann kamen täglich Tausende. In Finnland geht es bisher um mehrere hundert Asylbewerber, die bei Minustemperaturen um Schutz gebeten haben, in der Spitze kamen 74 an einem Tag. Aber es dürften mehr werden, denn die Route gilt als wesentlich sicherer im Vergleich zur Flucht übers Mittelmeer – und sie wird inzwischen auch in arabischsprachigen sozialen Medien empfohlen.

    Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko (r.) schleuste vor zwei Jahren Flüchtlinge über Belarus nach Polen und ins Baltikum – jetzt lässt Putin offenbar gezielt Migranten nach Finnland reisen.
    Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko (r.) schleuste vor zwei Jahren Flüchtlinge über Belarus nach Polen und ins Baltikum – jetzt lässt Putin offenbar gezielt Migranten nach Finnland reisen. © EPA/AP/dpa | Sergei Chirikov

    Bislang hatte Russland den Zugang zu seiner Seite der Grenze streng kontrolliert – jetzt werden Flüchtlinge offenbar zum Teil direkt bis zum finnischen Staatsgebiet begleitet und sogar daran gehindert, den Rückweg nach Russland einzuschlagen. Dennoch weist der Kreml alle Vorwürfe zurück, die Flüchtlinge gezielt über die Grenze zu schicken. „Wir akzeptieren solche Anschuldigungen nicht“, sagt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Die finnische Regierung hat längst reagiert und vier von acht Grenzübergängen geschlossen, teilweise mit Stacheldraht abgesperrt.

    Finnland ist auf Hybrid-Angriffe aus Russland vorbereitet

    Eine komplette Schließung der 1340 Kilometer langen Grenze wird erwogen. Auf einem Abschnitt von 200 Kilometern wird ohnehin schon ein Zaun gebaut. Finnland ist seit langem auf hybride Bedrohungen vorbereitet: Wegen des Nato-Beitritts Finnlands im vorigen Jahr hatte Russland bereits Gegenmaßnahmen angedroht, ohne jedoch konkret zu werden. Zusätzlich stört sich Putin jetzt an einem geplanten Verteidigungskooperationsabkommen Finnlands mit den USA.

    Anders als bei der Beschädigung der finnisch-estnischen Gaspipeline vor einigen Wochen gibt es bei der Zuwanderung von Migranten keinen Zweifel an Moskaus Urheberschaft. Die finnischen Sicherheitsbehörden erklärten, sie hätten mit Hybrid-Angriffen seit langem gerechnet. Beirren lässt sich die Regierung in Helsinki nicht: Derzeit hält Finnland in der Ostsee ein großes Marinemanöver zusammen mit den USA und anderen Nato-Partnern ab – das erste gemeinsame Manöver seit dem Nato-Beitritt.

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