Berlin/Tel Aviv. Hat Israel Atomwaffen? Die Antwort muss lauten: Ja, aber… Was dahintersteckt und wie groß die Gefahr einer Eskalation im Krieg ist.

  • Es gilt als offenes Geheimnis, dass Israel über Atomwaffen verfügt
  • Aber warum macht das Land ein so großes Geheimnis aus seinen nuklearen Bomben?
  • Und: Droht im Krieg gegen die Hamas gar ihr Einsatz?

Dass Israel über Atomwaffen verfügt, ist ein offenes Geheimnis. Immer wieder deuten israelische Politiker die Existenz der Nuklearwaffen an. Noch im April warnte beispielsweise der israelische Ex-Ministerpräsident Ehud Barak in einem Tweet, dass Israel sich zu einer Diktatur entwickeln könne, die über Kernwaffen verfügt und die Konfrontation mit dem Islam sucht. Damals ging es noch um die umstrittene Justizreform Benjamin Netanjahus, doch nach den verheerenden Terrorangriffen der Hamas befindet sich Israel im Kriegszustand. Seitdem wird diskutiert, wie weit Israel mit seinen Militärschlägen gehen darf. Welche Rolle spielen jetzt die Atomwaffen?

Israel bestätigt Besitz von Atomwaffen nicht offiziell

Offiziell bestätigte bisher keine israelische Regierung ein eigenes Atomwaffenarsenal – allerdings stritt es auch keine ab. Unabhängige Beobachter wie das Stockholmer Internationale Friedensforschungsinstitut (SIPRI) schätzen, dass Israel etwa 80 bis 90 Atomwaffen besitzt. Damit wäre es die zweitkleinste Nuklearmacht der Welt. Nur Nordkorea besitzt mit ungefähr 30 Atomwaffen weniger Sprengköpfe.

Videografik: Israels Raketenabwehr
Videografik: Israels Raketenabwehr "Iron Dome"

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    Zum Vergleich: Die USA unterhalten immer noch 5244, Russland sogar 5889 Atomwaffen. Allerdings verfügt Israel auch über genug spaltbares Material, um noch 200 weitere nukleare Sprengköpfe zu produzieren, wie das International Panel on Fissile Materials (IPFM) vorrechnet.

    Laut dem SIPRI sind 30 der geschätzten 80 israelischen Atomwaffen freifallende Bomben, die mit dem Flugzeug abgeworfen werden müssten. Die restlichen 50 Atomsprengköpfe könnten mit der israelischen Ballistikrakete „Jericho III“ abgefeuert werden, deren Reichweite das „CSIS Missile Defence Project“ mit 4800 bis 6500 Kilometern angibt. Experten vermuten die mobilen Abschussrampen für die Raketen in Höhlen einer Militärbasis östlich von Jerusalem. Auch von Deutschland gelieferte U-Boote könnten unter Umständen mit Nuklearwaffen bestückt werden.

    Israels Atomprogramm unterliegt kaum internationalen Verträgen

    Israel verfolgt offiziell eine Politik der „Mehrdeutigkeit“. Weil Israel seine Atomwaffen nie vor der Weltgemeinschaft zugegeben hat, konnte es sich in der Vergangenheit immer wieder entsprechenden Abkommen zur Kontrolle von Nuklearwaffen entziehen. So unterzeichnete Israel nie den Atomwaffensperrvertrag, der ein Verbot des Besitzes und der Verbreitung von Kernwaffen zum Gegenstand hat. Bemühungen der UN, den Nahen Osten zur atomwaffenfreien Zone zu machen, scheiterten. Die internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hat keinerlei Zugriff auf israelische Atomanlagen.

    Dass israelische Politiker dennoch immer wieder die Existenz der Atomwaffen durchscheinen lassen, folgt einer gewissen Logik. Schließlich ist doch der Sinn und Zweck eines Arsenals zuallererst die Abschreckung des Feindes. Damit die wirkt, muss die andere Seite auch Kenntnis davon haben, dass ein Angriff möglicherweise mit der eigenen nuklearen Zerstörung endet. Diese Dynamik bestimmte lange Zeit den Kalten Krieg und ist auch heute noch das Kalkül von Staaten wie Nordkorea, die sich mit ihren Atomprogrammen vor einem internationalen Eingreifen schützen.

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    Die Entwicklung der israelischen Atombombe erfolgte wohl in den 50er und 60er Jahren unter völliger Geheimhaltung. Im Jahr 1960 entdeckten die Amerikaner in der Negev-Wüste den Bau eines geheimen Nuklearreaktors, den Israel mit der Unterstützung von Frankreich realisierte. Zusätzlich stahlen und kauften israelische Geheimdienstler das nötige nukleare Material aus der ganzen Welt zusammen, wie ehemalige Agenten berichteten. Die USA als wichtigste Schutzmacht von Israel arrangierten sich mit der neuen Atommacht und folgten in den Jahrzehnten danach der israelischen Linie, die Atomwaffen nicht offiziell zu erwähnen.

    Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Israels Atomwaffenprogramm 1986 bekannt, als Mordechai Vanunu, ein israelischer Nukleartechniker, in der „Sunday Times“ von der Nukleareinrichtung in der Negev-Wüste berichtete. Daraufhin lockte ihn der israelische Geheimdienst Mossad nach Italien, wo Agenten Vanunu unter Drogen setzten und nach Israel entführten. Dort wurde er zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt, von denen er elf Jahre in Einzelhaft verbringen musste.

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    Israel plant in der „Operation Samson“ den Einsatz seiner Nuklearwaffen

    Israel musste seit seiner Gründung 1948 immer wieder um seine Existenz kämpfen. Im Sechstagekrieg oder Jom-Kippur-Krieg besiegten Israels Verteidigungsstreitkräfte (IDF) ihre zahlenmäßig überlegenen Gegner. Auch wegen der ständigen Bedrohung durch die arabischen Nachbarn entwickelte Israel seine Nuklearwaffen. Die dazugehörige Nuklearstrategie wird dabei von Militäranalysten als „Samson Option“ bezeichnet. Demnach werde Israel, sollte es von feindlichen Streitkräften größtenteils eingenommen sein, nukleare „Rache“ an seinen Invasoren nehmen. Samson ist ein Charakter aus der Bibel, der die Säulen eines Tempels zerstörte und sich und seine Feinde gleichzeitig darunter begrub.

    Solange also Israel von der Hamas und ihren Verbündeten nicht großflächig überrannt wird, ist es eher unwahrscheinlich, dass das Land im jetzigen Konflikt Atomwaffen einsetzen wird. Zur Bekämpfung des ausgeprägten Tunnelsystems der Hamas unter dem Gazastreifen nutzt die israelische Luftwaffe nicht-nukleare, bunkerbrechende Munition. Trotzdem bleibt das Nuklear-Arsenal auch ein Signal an andere Staaten, dass vor einer Niederlage Israels immer noch der Einsatz von Atomwaffen steht.

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