Hamburg. Erdüberlastungstag – Laut Naturschützern sind bereits alle Ressourcen beansprucht, die der Planet für das ganze Jahr liefert.
Für den heutigen 4. Mai haben Naturschützer den deutschen „Erdüberlastungstag“ ausgerufen. Nach Berechnungen der Umweltorganisation Global Footprint Network haben die Deutschen mit ihrer Lebensweise bereits heute alle nachwachsenden Ressourcen verbraucht, die die Erde für ein Jahr zur Verfügung stellt. Von jetzt an leben wir also auf Kosten des Planeten.
Das jeweilige Datum des Erdüberlastungstags wird berechnet, indem der ökologische Fußabdruck, also die menschliche Nutzung natürlicher Ressourcen pro Jahr, mit der Biokapazität ins Verhältnis gesetzt wird – also der Regeneration von Rohstoffen im selben Zeitraum. Dabei ergeben sich für einzelne Staaten je nach Lebensstil ganz unterschiedliche Daten für den Erdüberlastungstag, der international als „Earth Overshoot Day“ bezeichnet wird.
Klimakrise: Deutschland bräuchte drei Erden
Den größten Raubbau am Planeten betreiben demnach die Menschen in Qatar, für die der Erdüberlastungstag bereits am 10. Februar erreicht war, es folgen Luxemburg (14. Februar) und Kanada, USA sowie die Arabischen Emirate (alle am 13. März). Die geringsten Ressourcen verbrauchen laut Global Footprint Networks Jamaika (Überlastungstag am 20. Dezember), Ecuador (6. Dezember) und Indonesien (3. Dezember). Der globale Erdüberlastungstag wurde 2021 für den 29. Juli berechnet.
Je nach Datum des Tages, kalkuliert die Organisation, wie viele Erden die Menschen im jeweiligen Land bräuchten, um ihren Lebensstil so wie bisher aufrechtzuerhalten. So kann man grob sagen: Weil der Deutsche Erdüberlastungstag bereits nach einem Drittel des Jahres erreicht ist, bräuchten die Deutschen drei Erden für ihren Lebensstil.
Naturschützer fordern radikales Umdenken
Ziel der weltweiten Kampagne ist es, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass die Menschheit mit ihrer jetzigen Art zu konsumieren, zu essen, zu wohnen oder sich fortzubewegen, die Erde in absehbarer Zeit zugrunde gerichtet haben wird – es sei denn, sie ändert ihren Lebensstil.
Das fordert zum heutigen Anlass auch der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND). „Alle Vernünftigen wissen: Wir haben nur eine Erde“, sagt der stellvertretende Hamburger BUND-Vorsitzende Wolfgang Lührsen. „Wenn aber alle Menschen so wirtschafteten wie die Deutschen, bräuchten wir drei Erden.“
Nur noch begrenzte Ressourcen für die Zukunft
Die Menschen auch in Deutschland hätten „diese Diskrepanz erfolgreich verdrängt“, so Lührsen. „Ein zukunftsfähiges Leben ist aber nur möglich, wenn wir uns in der Nutzung von Ressourcen absolut begrenzen. Die Herausforderung der nächsten Jahre ist, diese begrenzten Ressourcen so zu verteilen, dass die Grundbedürfnisse für alle Menschen gedeckt sind.“
Dabei geht der BUND-Vize auch mit dem rot-grünen Hamburger Senat hart ins Gericht. „Der Senat steht stolz auf der Brücke der ,Titanic‘ und gibt Vollgas“, heißt es in einem von Lührsen verfassten Papier zum diesjährigen Erdüberlastungstag. „Im Koalitionsvertrag hat er sich ,auf ein weiteres Wirtschaftswachstum auch und gerade in der Krise‘ festgelegt“, moniert der promovierte Physiker.
Klimakrise: Politiker haben Einwände
„Der vom Senat eingesetzte und mit hochrangigen Wissenschaftler/-innen besetzte Hamburger Klimabeirat schlägt vor, etwas Tempo rauszunehmen und den Kurs zu ändern, und wird dafür von Senator/-innen und Fraktionsvorsitzenden abgewatscht. Das grenzt an Wissenschaftsleugnung.“ Dabei trage der übermäßige Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 „zu mehr als der Hälfte zu den drei Erden bei“, die die Deutschen pro Jahr verbräuchten.
Politiker würden gegen die Forderungen nach einem radikalen Umdenken gerne einwenden, „dass die Menschen nicht mit Einschränkungen ihres Lebensstils behelligt werden wollen“, sagt Lührsen – und wirft sogleich die Frage auf: „Haben Menschen in der Informations- und Werbebotschaftenflut, der sie ausgesetzt sind, überhaupt eine Chance, die großen Zusammenhänge zu begreifen?
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Verbot von Kurzstreckenflügen sei ein Anfang
Wählen sie wirklich den kurzfristigen (Über-)- Konsum, wenn dem eine mittelfristige Katastrophe gegenübersteht?“ Ein „geeignetes Forum, um solche Themen zu verhandeln“, wären laut Lührsen „Bürger/-innenräte, wie sie auch schon in Deutschland veranstaltet worden sind“.
Maßnahmen wie Geschwindigkeitsbegrenzungen oder Verbote von Kurzstreckenflügen seien wichtig, so Lührsen, sie lösten aber nicht das Grundsatzproblem. „Der ,Markt‘, in dem wir uns bewegen, ist dafür nicht geeignet, da er den Zugang zu Ressourcen nach Kaufkraft regelt. Wenn ein Gut knapp wird, wie aktuell Getreide, dann zahlen die reichen Länder mehr. Gleichzeitig wird durch die höheren Preise, die oft nicht bei den Erzeuger/-innen, sondern im Zwischenhandel oder bei Spekulant/-innen landen, in ärmeren Ländern eine Hungerkrise verursacht“, so der BUND-Vize.
Klimakrise: Es geht ums Überleben
Dabei weist Lührsen auch darauf hin, dass das Angebot an erneuerbaren Energien nur relativ langsam zunehme. Um die Klimaziele zu erreichen, müsse daher der Energieverbrauch gesenkt werden. „Die Basis für das Überleben ist die Einsicht in die Begrenztheit der Erde und ein entsprechendes Handeln“, lautet das Fazit des BUND-Vize. „Für den aktuell eingeschlagenen Weg, bei dem immer alles andere wichtiger ist als der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, gilt: Leeve Lüüd, so wart dat nix.“