Hamburg. Über alle Parteigrenzen hinweg trauert die deutsche Politik um Altkanzler Helmut Schmidt. Ein Überblick über die Reaktionen.
Altkanzler Helmut Schmidt starb am Dienstag im Alter von 96 Jahren. Ein Überblick über die ersten Reaktionen zu seinem Tod:
Bundespräsident Joachim Gauck: „Wir trauern um einen der bedeutendsten deutschen Politiker der Nachkriegszeit. In seinen öffentlichen Ämtern, ganz besonders als Bundeskanzler, hat Helmut Schmidt Großes geleistet. Sein entschlossenes Handeln in schwierigsten Situationen, seine Fähigkeit, das Machbare zu erkennen und zu gestalten, aber auch seine Kompromissfähigkeit, sein Eintreten für die Verteidigungsbereitschaft der freien Staaten Europas in Zeiten der Bedrohung – das alles steht mir und vielen Menschen in unserem Land in diesen Stunden der Trauer vor Augen. (...) Helmut Schmidt wird uns allen als ein Mensch in Erinnerung bleiben, der in seltener Einheit ein Mann der Tat, des klaren Gedankens und des offenen Wortes war. Er hat sich um unser Land verdient gemacht.“
SPD-Chef Sigmar Gabriel: „Ein wirklich großer Patriot, ein großer Europäer und ein großer Sozialdemokrat ist gestorben.“ Die Sozialdemokratie trauere um einen Menschen, der weit über die SPD hinaus als jemand im Gedächtnis bleibe, der mit Zuversicht, Realismus und Tatkraft „unser Land gestaltet hat“. Schmidts Herzensthema sei der Zusammenhalt Europas gewesen: „Ich glaube, dass sein Vermächtnis Europa ist.“ Gabriel erinnerte an Schmidts letzte große Rede bei einem SPD-Bundesparteitag 2011. Schmidt habe damals gemahnt, dass es nichts Wichtigeres als die Freundschaft zu Frankreich gebe. Und: „Dass Deutschland seine Führungsrolle nicht überfordern darf, und dass wir eine Verantwortung haben, Europa zusammenzuhalten.“
Der "Guardian" veröffentlichte schnell einen ausführlichen Nachruf
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte Schmidt einen Vordenker der internationalen Zusammenarbeit. Sie erinnerte an seine Entscheidung zum Nato-Doppelbeschluss. Merkel sei auch sehr persönlich geworden, hieß es: Sie habe etwa 1962 von der DDR aus beobachtet, wie er als Hamburgs Innensenator in der Sturmflut agiert habe. Ihre Familie habe Verwandtschaft in Hamburg gehabt, um die man sich Sorgen gemacht habe, sagte die in Hamburg geborene Kanzlerin.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD): „Wir Deutschen haben eine Vaterfigur verloren. Helmut Schmidt hat uns und unser Land tief geprägt. Generationen – auch ich – haben seine Klugheit und Autorität gesucht und geschätzt – bis an sein Lebensende in einem gesegneten Alter. Helmut Schmidt war nicht nur Kanzler der Deutschen – er war Mentor der Deutschen. (..) Wir trauern um einen deutschen Demokraten, einen europäischen Wegbereiter und einen globalen Geist. Helmut Schmidt war ein großer Staatsmann, bis zur letzten Zigarette.“
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU): „Deutschland hat einen Großen verloren. Als Bürgermeister von Hamburg, als Finanzminister und als Bundeskanzler: Helmut Schmidt wusste, worauf es ankam. Er hat Politik kraftvoll gestaltet – gerade in Krisenzeiten.“
Der Dirigent und Pianist Justus Frantz (71) trauert um einen seiner besten Freunde: „Wenn es einem dreckig ging, war er immer an der Seite seiner Freunde“, sagte Frantz. Frantz berichtete, als er einmal einen Unfall hatte, habe Schmidt - statt sich als Staatsmann auszuruhen - eine strapaziöse Autofahrt unternommen, um ihn in der Klinik zu besuchen. „Es gab keinen bescheideneren Menschen, keinen souveräneren, keinen gebildeteren“, sagte Frantz über Schmidt, den er seit 1959 kenne.
Der frühere italienische Ministerpräsident und EU-Kommissionschef Romano Prodi hat Helmut Schmidt als „einen der großen Väter Europas“ gewürdigt. „Er war ein erleuchteter Kanzler Deutschlands, immer aufmerksam bei den komplexen internationalen Problemen und mit einer außerordentlichen Sensibilität im Umgang mit den Themen der Sozialpolitik ausgestattet“, sagte Prodi der italienischen Nachrichtenagentur Ansa.
Die Wochenzeitung „Die Zeit“ trauert um ihren langjährigen Herausgeber. Chefredakteur Giovanni die Lorenzo sagte: „Helmut Schmidt ist tot und wir, die ihn überlebt haben, müssen jetzt erwachsen werden. Ob wir es wollen oder nicht.“
Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder: „Wir verneigen uns vor einem großen Staatsmann. Helmut Schmidt war der letzte Bundeskanzler, der den Zweiten Weltkrieg als Soldat mit erlebt hat. Diese Erfahrung war für ihn die Motivation, unserem Land zu dienen. Als Kanzler führte er Deutschland durch schwere Jahre, die von Wirtschaftskrisen, Terrorismus und Aufrüstung der Sowjetunion geprägt waren. Helmut Schmidt hat sich um Deutschland verdient gemacht.“
Die Linken-Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch: „Nicht mit allen Entscheidungen waren wir einverstanden. Doch wir haben an Helmut Schmidt über Parteigrenzen hinweg geschätzt, dass er von ihm als richtig erkannte politische Projekte auch gegen innerparteiliche und gesellschaftliche Widerstände immer mit beeindruckendem persönlichen Einsatz und großer Beharrlichkeit vorangetrieben hat.“
Hamburg trauert um Helmut Schmidt
Die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter: „Helmut Schmidt war ein kantiger, gradliniger und streitbarer Politiker und Denker. In vielen schwierigen Situationen hat er mutige Entscheidungen getroffen, wo andere längst aufgegeben hätten. Nicht mit allen seiner Entscheidungen waren wir einverstanden. Die Gründung der Grünen war auch eine Reaktion auf die Politik der SPD unter Helmut Schmidt, sei es die Nato-Nachrüstung, sei es die Atompolitik.“
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner: „Helmut Schmidt war die Verkörperung pragmatischer Staatskunst und klarer Verantwortungsethik. "Leitender Angestellter der Republik" – diese nüchterne Tätigkeitsbeschreibung von Helmut Schmidt zeigt, was er verkörperte und was dem Land fehlt: Managementqualität, Gestaltungs- und Führungswille. Schmidt wurde durch Krisen groß, die er klein machte. Heute wird Politik oft klein, weil sie Krisen groß macht.“
Stimmen aus Hamburg:
Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz sagte von seiner China-Reise: "Die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt trauern um einen Mann, dem sie vertraut haben. Das politische Leitmotiv von Helmut Schmidt war pragmatisches Handeln zu sittlichen Zwecken. Er war davon überzeugt, dass ein Politiker sich an seinen Taten messen lassen muss und die Verantwortung für diese Taten trägt." Als Mitglied der Kriegsgeneration sei für Helmut Schmidt die Sicherung des Friedens eine Lebensaufgabe gewesen. Schmidt habe durch die intensiven Kontakte zu Frankreich, mit der Begründung des Weltwirtschaftsgipfels und der Hervorhebung der Bedeutung Chinas die Politik bis heute geprägt. Scholz sagte: "Er fand auch bei jenen Gehör, die ihre Ohren sonst für die Politik verschlossen hatten. Dabei blieb Helmut Schmidt immer ein Sohn seiner Stadt. Sein Verhältnis zu seiner Heimatstadt war geprägt von tiefer Zuneigung."
Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs hat den verstorbenen früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt als „Jahrhundertpersönlichkeit“ gewürdigt. Er habe die „Höhen und Tiefen des 20. Jahrhunderts erlebt“, sagte Fehrs am Dienstagnachmittag. Sein Engagement für das Gemeinwohl sei „die Konsequenz aus den Schrecken von Krieg und Diktatur“ gewesen. „Mich hat sehr beeindruckt, dass er seiner Kirche immer treu geblieben ist - trotz aller kritischen Fragen, die er im Laufe seines Lebens an die Religion stellte. Die Werte, für die Kirche steht, aber auch seine Liebe zu Johann Sebastian Bachs Orgelwerken nannte er als Gründe dafür.“
Hamburgs früherer Erster Bürgermeister, Klaus von Dohnanyi (SPD): „Ich verliere mit ihm einen älteren, aber auch engen Weggefährten. Er war ein wegweisender politischer Freund und er ist als Kopf und Mitdenker über Deutschland und Europa nicht zu ersetzen.“
SPD-Landesverband Hamburg: „Es gibt kaum einen Politiker der Nachkriegszeit, dem die Freie und Hansestadt Hamburg mehr zu verdanken hätte. Bereits 1962 hat er sich durch sein Wirken als Krisenmanager während der Sturmflut in einer Weise verdient gemacht, die ihresgleichen sucht.“
Anjes Tjarks, Fraktionschef der Grünen-Bürgerschaftsfraktion: „Mit Helmut Schmidt ist heute ein großer Hamburger von uns gegangen. Bis zu seinem Tode war er ein streitbarer Politiker, seine großen Verdienste um Hamburg, Deutschland und Europa bleiben dabei über Parteigrenzen hinweg unbestritten.“
Roland Heintze, CDU-Landeschef: „Mit ihm verliert Deutschland einen großen Geist und einen beeindruckenden Politiker. (...) Seine oftmals kontrovers diskutierten Denkanstöße haben viele Debatten bis zuletzt geprägt. Hamburg hat mit ihm eine starke, einzigartige Persönlichkeit verloren.“
André Trepoll, Vorsitzender der CDU-Bürgerschaftsfraktion: „Helmut Schmidt war ein herausragender Staatsmann und großer Hanseat. Er hat Deutschland und Hamburg geprägt. Ob Sturmflut, Deutscher Herbst oder Nachrüstung – Sein Mut, auch schwierige Entscheidungen entschlossen zu vertreten, war beispielhaft.“
Katja Suding, FDP-Fraktionvorsitzende Hamburg: „Helmut Schmidt hat sich um die Freie und Hansestadt Hamburg und um die Bundesrepublik Deutschland große und bleibende Verdienste erworben. Seinem engagierten Einsatz als Innensenator während der Flutkatastrophe 1962 verdanken viele Hamburger buchstäblich Ihr Leben.“
Katharina Fegebank (Grüne), Hamburgs Zweite Bürgermeisterin: „Einer der klügsten Köpfe der Weltpolitik steckte unter einer Lotsenmütze.“