Athen/Brüssel/Berlin/Hamburg. Die Griechen stehen vor der wichtigsten Abstimmung seit ihrem EU-Beitritt. Varoufakis beschwert sich über den Umgang mit Griechenland.
Das hoch verschuldete Griechenland steuert auf eine Staatspleite zu. Einen Tag vor dem Referendum in Griechenland schließt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone nicht aus. Am letzten Tag der Wahlkampagne schwört Regierungschef Alexis Tsipras die Bürger noch einmal darauf ein, bei der Volksabstimmung mit „Nein“ zu stimmen.
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Wir halten Sie in unserem Grexit-Ticker auf dem Laufenden:
Spaniens neuer Politstar lobt Athen
21.01 Uhr: Vor dem Referendum in Griechenland hat sich der Chef der aufstrebenden spanischen Protest-Partei Podemos, Pablo Iglesias, mit der Regierung in Athen solidarisch erklärt. Diese antworte mit Demokratie auf die „Tyrannei“ der Gläubiger, sagte Iglesias am Sonnabend bei einer Veranstaltung im nordwestspanischen Vigo. Ministerpräsident Alexis Tsipras habe „viel Mut gezeigt“.
Zugleich kritisierte er die Geldgeber aus EU-Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) scharf. Diese versuchten den Menschen in Griechenland und auch in Spanien mit Drohungen Angst einzujagen.
Bei den Regionalwahlen am 24. Mai errang Podemos („Wir können“) überraschende Erfolge unter anderem in den Metropolen Madrid und Barcelona. Bei den Parlamentswahlen Ende des Jahres will der 36-jährige Politikdozent Iglesias den Traditionsparteien den Sieg streitig machen. Bei einem Erfolg werde die spanische Regierung nicht mehr nach Brüssel fahren, „um sich bei Kaiserin Merkel zu bedanken, sondern um zu verhandeln“, sagte er.
Varoufakis: Schäuble wollte Grexit schon 2012
16.39 Uhr: Der griechische Finanzminister Giannis Varoufakis hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorgeworfen, schon lange für einen Austritt Griechenlands aus dem Euro zu sein. „Schon 2012 hat Herr Schäuble deutlich gemacht, dass er einen Grexit bevorzugen würde“, sagte Varoufakis der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Die Schuld an der Schließung der griechischen Bankfilialen gab er den Geldgebern: „Europa hat beschlossen uns zu erpressen, damit wir einen Vertrag unterschreiben, der für niemanden gut ist.“
Varoufakis wirft Brüssel „Terrorismus“ vor
14.47 Uhr: Der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis hat der Europäischen Union (EU) „Terrorismus“ vorgeworfen. „Was man mit Griechenland macht, hat einen Namen: Terrorismus“, sagte der Minister zu den Verhandlungen mit den Gläubigern in einem Interview der spanischen Zeitung „El Mundo“.
„Wieso hat man uns dazu gezwungen, die Banken zu schließen? Um den Menschen Angst einzuflößen. Wenn es darum geht, Terror zu verbreiten, dann nennt man das Terrorismus. Aber ich bin sicher, dass die Angst nicht gewinnen wird“, sagte Varoufakis. In Brüssel sei schon vor fünf Monaten ein Plan ausgeheckt worden, „um eine Regierung fertigzumachen, die sich vom europäischen Establishment nicht erpressen lässt.“
Der 54-Jährige äußerte sich zuversichtlich, dass bei einem Sieg des „Nein“ bei der Volksabstimmung am Sonntag über den künftigen Spar- und Reformkurs Ministerpräsident Alexis Tsipras in Brüssel „ein Abkommen erreichen“ werde. „Wenn mein Land zerschellt, wird man eine Billion Euro verlieren. Das ist eine Menge Geld. Ich glaube kaum, dass Europa sich das leisten kann“, sagte Varoufakis.
Er sei sich derweil „völlig sicher“, dass es unabhängig vom Ergebnis des Referendums schon am Montag ein Abkommen geben werde. Am Dienstag würden dann die Banken wieder öffnen. Bei einem Sieg des „Ja“ werde das Abkommen aber „unheilvolle Auswirkungen“ haben.
Bei Merkel-Auftritt Protestaktion gegen Sparauflagen für Athen
13.13 Uhr: Bei einem Auftritt von Kanzlerin Angela Merkel beim Tag der offenen Tür in der Berliner CDU-Zentrale haben mehrere griechische Aktivisten gegen die Sparauflagen für Athen protestiert. Die etwa zehn Demonstranten trugen kleine Plakate mit der Aufschrift „Oxi“ - das heißt Nein auf griechisch - und skandierten lautstark „Oxi, Oxi“. Kurz darauf wurde die kleine Gruppe von Ordnern aus dem Konrad-Adenauer-Haus geleitet. Die Polizei musste nicht einschreiten.
Merkel reagierte gelassen und meinte unter dem Beifall der Zuhörer: „Damit die Sache mal wieder ausgeglichen ist, sagen wir mal: "Nai" - das heißt nämlich "Ja" auf griechisch.“
Serbische Zeitung gegen „deutsche Ausbeuter“
10.13 Uhr: Die serbische Boulevardzeitung „Informer“ hat von den Griechen beim Referendum ein klares Nein gefordert, um gegen die „deutsche Ausbeutung“ aufzustehen. „Das ist der Schluss des Projektes eines deutschen Europas, in dem wir wohl oder übel die deutsche Ausbeutung als Gipfel der Demokratie akzeptieren sollen“, begründete das Blatt am Samstag in Belgrad seine Position.
„Das ist das verschobene Ende des blutigen 20. Jahrhunderts, in dem Deutschland ganz Europa beraubt hat und niemals gerechte Reparationen gezahlt hat“, schrieb die Zeitung weiter: „Das ist das Ende des Ideologieprojekts ‘Blut und Boden’, das so abgeändert wurde, dass wir - die Angehörigen der niederen Rassen - nicht sterben müssen, aber alles, was wir verdienen, den Herrschern des ‘deutschen Europas’ abgeben müssen.“
Der Kommentar der Zeitung, die als glühende Verfechterin der Regierungspolitik gilt, endet: „Darum ist es für uns Serben so ungemein wichtig, wie diesen Sonntag die Griechen abstimmen. Ihr Nein ist die letzte echte Hoffnung, dass Europa vielleicht möglich ist als Gemeinschaft der gleichen Chancen, also einer Gemeinschaft, in der Gesetze und Moral herrschen und nicht die Ausbeuter.“
Athen: Keine Kürzungen von Bankguthaben geplant
9.19 Uhr: Die Regierung und die Banken in Griechenland sind Befürchtungen entgegengetreten, dass aufgrund der dramatischen Finanzkrise des Landes Bankguthaben gekürzt werden könnten. „Solche Pläne gibt es absolut nicht“, sagte die Präsidentin des griechischen Bankenverbandes, Louka Katseli, dem TV-Sender Skai am Samstag.
Die Wirtschaftszeitung „Financial Times“ hatte unter Berufung auf Bankkreise berichtet, die griechischen Geldinstitute erstellten Pläne für Kürzungen von wenigstens 30 Prozent bei Guthaben von über 8000 Euro. Das Athener Finanzministerium wies den Bericht als eine „Provokation“ zurück. Damit solle auf den Ausgang der Volksabstimmung an diesem Sonntag über die Sparpolitik Einfluss genommen werden.
Die „Financial Times“ hatte in ihrer Online-Ausgabe berichtet, mögliche Kürzungen von Bankguthaben sollten im Rahmen einer Sanierung des griechischen Finanzsystems vorgenommen werden. Griechische Bankkunden können derzeit an den Geldautomaten nur 60 Euro pro Tag von ihren Konten abheben.
„Das Szenario einer Kürzung von Bankguthaben gehört in den Bereich der Fantasie“, sagte Katseli. Spekulationen über mögliche Einschnitte kursieren schon seit Tagen in der griechischen Presse. Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras betonte jedoch wiederholt, die Bankguthaben seien sicher.
Die Volksabstimmung über das Sparprogramm
8.57 Uhr: Die Volksabstimmung über den künftigen Spar- und Reformkurs in Griechenland spielt eine Schlüsselrolle im griechischen Schuldendrama. Bei dem Referendum am Sonntag soll die griechische Bevölkerung entscheiden, ob sie Forderungen der Gläubiger zustimmt oder ablehnt. Das Hilfspaket, zu dem diese Bedingungen gehören, ist allerdings am 30. Juni ausgelaufen und damit überholt.
Dennoch gilt der Ausgang des Referendums als wichtiges Signal. In der Eurogruppe wird es bis dahin keine weiteren Beratungen zu Griechenland geben. Athens Ministerpräsident Alexis Tsipras hat seine politische Zukunft indirekt mit der Abstimmung verknüpft und seine Landsleute zur Ablehnung der Sparvorgaben aufgefordert. Finanzminister Gianis Varoufakis will bei einem „Ja“ der Griechen zurücktreten.
Am Sonntag sollen die Wahllokale im ganzen Land laut Innenministerium von 7 bis 19 Uhr Ortszeit (6 bis 18 Uhr MESZ) geöffnet sein. Erste aussagekräftige Ergebnisse dürften etwa zwei Stunden nach Schließung vorliegen, erwarten griechische Medien. In einer letzten Umfrage lagen Befürworter und Gegner praktisch gleichauf.
Bei Volksabstimmungen über „gravierende nationale Themen“ muss in Griechenland die Wahlbeteiligung bei mindestens 40 Prozent liegen. Wahlberechtigt sind rund 9,8 Millionen Griechen über 18 Jahre.
Schäuble schließt Ausscheiden Griechenlands aus Euro-Zone nicht aus
8 Uhr: Vor dem griechischen Referendum über den weiteren Reformkurs des Landes schließt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone nicht aus. „Ob mit Euro oder vorübergehend ohne: Diese Frage können nur die Griechen selbst beantworten“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Offensichtlich mit Blick auf die in jedem Fall fortbestehende EU-Mitgliedschaft der Griechen fügte er hinzu: „Klar ist auch: Wir werden die Menschen in Griechenland nicht im Stich lassen.“
Zugleich pochte Schäuble darauf, dass die Euro-Staaten die Regeln der Währungsunion strikt einhalten. „Eine Gemeinschaft kann nur funktionieren, wenn sich die Mitglieder an die Regeln halten. Und selbstkritisch müssen wir dabei einräumen: Es waren wir Deutsche und die Franzosen, die 2003 als erste die Stabilitätsregeln des Euro gebrochen haben. Das war der Sündenfall.“
Vom griechischen Banken-Sektor geht Schäuble zufolge keine Bedrohung für andere Geldinstitute in Europa aus. „Selbst wenn es zum Zusammenbruch einzelner Banken kommen würde, ist die „Ansteckungsgefahr“ vergleichsweise gering“, sagte er. „Die Märkte haben schon in den vergangenen Tagen sehr zurückhaltend reagiert. Das zeigt, dass das Problem beherrschbar ist.“
(dpa/HA)