Fahimi sieht im Abendblatt-Interview keine Alternative zu der Lage in Thüringen. Außerdem fordert sie in der Flüchtlingsfrage mehr Unterstützung vom Bund für die Kommunen.
Hamburg Mit großer Zufriedenheit registriert SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi die Sonntagsfrage des Abendblatts. Danach kommt die SPD von Bürgermeister Olaf Scholz auf 45 Prozent. Anders ist die Lage in Thüringen, wo die SPD als Junior-Partner der Linken in die Regierung gehen will. Fahimi sieht im Abendblatt-Interview keine Alternative dazu. Außerdem fordert sie in der Flüchtlingsfrage mehr Unterstützung vom Bund für die Kommunen.
Abendblatt: Nach dem Bahnstreik will mit Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles nun ausgerechnet eine Sozialdemokratin das Streikrecht einschränken.
Fahimi: Niemand in der SPD spricht von einer Einschränkung des Streikrechts. Uns geht es darum, die Tarifeinheit zu stärken und damit letztlich auch die Gewerkschaften und unsere in der Welt einmalige Sozialpartnerschaft wieder zu stärken.
Ist es Aufgabe einer Regierung, die Sozialpartnerschaft zu verordnen?
Fahimi: Partnerschaft lässt sich natürlich nicht verordnen. Wir müssen aber verhindern, dass sich die Gewerkschaften gegenseitig schwächen. Der Vorschlag von Andrea Nahles folgt dem ersten Grundsatz der Demokratie: Im Zweifel entscheidet die Mehrheit. Wir wollen damit keine Gewerkschaft aus einem Betrieb heraushalten, aber wir wollen die Zuständigkeiten klar regeln, damit es nicht in einem Betrieb konkurrierende Tarifverträge für die gleiche Tätigkeit gibt. Andernfalls würden die Beschäftigten gegeneinander ausgespielt werden, das dürfen wir nicht zulassen.
Faktisch werden mit dem Vorhaben einzelne Gewerkschaften entmachtet und Wettbewerb unter ihnen unterbunden.
Fahimi: Ich sehe das ganz anders: Die Gewerkschaften sollen weiterhin um „ihre Kunden“, also um Mitglieder, konkurrieren dürfen – auch bei der Deutschen Bahn. So muss man sich ein Verhandlungsmandat erarbeiten. Und wenn es mehrere Vertretungen gibt, wird man sich im Regelfall einig, mit welchen Forderungen man auf die Arbeitgeber zugeht. So ist es jahrzehntelang geübte Praxis in unserem Land gewesen. Nur für den Fall, dass sich Gewerkschaften nicht einigen können, soll die Gruppe mit den meisten Mitgliedern die Verhandlungen führen. Das finde ich nachvollziehbar und sinnvoll.
Während die SPD in Hamburg bei kommoden 45 Prozent liegt und bei den Bürgerschaftswahlen mit Bürgermeister Olaf Scholz aller Voraussicht nach wieder den Regierungschef stellen wird, ist die SPD in Thüringen nur Juniorpartner.
Fahimi: Es stimmt, die 12,4 Prozent in Thüringen sind ein herber Schlag gewesen. Die Situation ist leider vertrackt, weil ohne uns in Erfurt keine Regierung möglich ist. Wir sind also, wenn Sie so wollen, zum Regieren verdammt. Eine Atempause in der Opposition ist deshalb nicht möglich. Die Thüringer SPD stand vor der Frage, welche Einstimmenmehrheit ihr tragfähiger erschien. Das Bündnis mit der CDU war in der vergangenen Legislaturperiode leider keine Koalition auf Augenhöhe. Zugleich ist die CDU in den eigenen Reihen tief zerstritten, deshalb haben wir uns in Thüringen für Rot-Rot-Grün entschieden.
Im Bund kam die SPD auch nur auf 25 Prozent. Wie wollen Sie 2017 den Kanzler stellen?
Fahimi: Natürlich wollen wir 2017 deutlich zulegen. Deshalb müssen wir insbesondere für junge Arbeitnehmer eine klare Perspektive beschreiben. Es geht darum, wie wir die Rushhour des Lebens für die 25- bis 45-jährigen Leistungsträger der Gesellschaft besser gestalten können. Dabei geht es um Themen wie Kinderbetreuung und Pflege. Es geht auch darum, mittlere Einkommen zu entlasten gerade in einer Lebensphase, in der viele ihr Arbeits- und Familienleben gründen, wenn es um Hausbau, Kinder, Altersvorsorge geht. Da haben wir viel vor.
Stadtstaaten wie Hamburg haben Schwierigkeiten, Flächen für die Unterbringung von Flüchtlingen zu finden. Sollte ein Teil der Flüchtlinge in Flächenländern untergebracht werden, um dieses Problem zu lösen?
Fahimi: Zunächst müssen wir Flüchtlinge, die zum Teil schwer traumatisiert zu uns kommen, gut unterbringen und möglichst schnell in unsere Gesellschaft integrieren. Es darf nicht sein, dass wir sie nur irgendwie irgendwo versorgen. Deshalb halte ich wenig davon, Flüchtlinge irgendwo „auf dem Land“ unterzubringen. Gleichzeitig sehe ich die Belastungen, die eine Großstadt wie Hamburg trägt. Wir sollten nach Lösungen im Sinne der betroffenen Flüchtlinge suchen.
Die Kommunen beklagen, dass sie zu wenig Geld für die Flüchtlingsunterkünfte haben. Muss der Bund mit Finanzierungen helfen?
Fahimi: Ja, der Bund muss aktiver werden. Die Unterbringung von Flüchtlingen ist eine Bundesangelegenheit, finde ich. Deshalb müssen wir die Kommunen ganz dringend entlasten von den Kosten für die Unterbringung. Der Bund sollte sich meines Erachtens zudem an den Kosten für die Gesundheitsvorsorge beteiligen. Flüchtlinge sind oft schwer traumatisiert, sie benötigen sozialtherapeutische Betreuung. Ich wünsche mir deshalb ein sehr klares Signal vom Bund.