Der Kriegsverbrecher hatte in Rom im Hausarrest gelebt. Das Wiesenthal-Zentrum drängt auf schnelle Prozesse gegen die noch lebenden Nazi-Schergen.
Rom/Tel Aviv. Der ehemalige SS-Offizier Erich Priebke ist tot. Der in Italien als Kriegsverbrecher verurteilte Priebke starb im Alter von 100 Jahren, wie die Nachrichtenagentur Ansa am Freitag unter Berufung auf seinen Anwalt Paolo Giachini berichtete. Priebke war im Jahr 1944 an Erschießungen von Hunderten Zivilisten bei den Ardeatinischen Höhlen beteiligt, einem Steinbruchgelände in der Nähe von Rom. Er wurde dafür im Jahr 1998 zu lebenslanger Haft verurteilt, die dann wegen seines hohen Alters in Hausarrest umgewandelt wurde.
Erich Priebke war 1995 nach Italien überstellt und im Jahr darauf zunächst freigesprochen worden. Die lebenslange Haftstrafe erhielt er erst 1998 von einem Militär-Berufungsgericht. Bis 1994 hatte Priebke unbescholten unter seinem echten Namen in einem Badeort in Argentinien gelebt. Dann entdeckte ihn ein nach Nazis recherchierender US-Journalist und Priebke wurde nach Italien ausgeliefert.
Am 23. März 1944 hatten italienische Partisanen mit Bomben 32 Männer einer deutschen Polizeieinheit getötet. Angeblich auf direkten Befehl Adolf Hitlers sollten für jeden toten Deutschen zehn Italiener sterben. Nur einen Tag nach dem Anschlag führten SS-Truppen insgesamt 335 ahnungslose Männer – der jüngste ein Jugendlicher von 15 Jahren – in die Höhlen, um sie zu erschießen. Priebke soll als Hauptsturmführer die Namensliste der Opfer, unter ihnen 75 Juden, geführt haben. Er gestand außerdem, zwei Gefangene selbst erschossen zu haben. Er zeigte nie Reue.
Das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Israel hat angesichts des Todes des früheren SS-Offiziers Priebke verstärkte Ermittlungen gegen noch lebende Nazi-Kriegsverbrecher gefordert. „Das hohe Alter, das Priebke erreichte, erinnert uns daran, wie wichtig es ist, die noch lebenden Täter jetzt wirklich zu verfolgen. Viele der Nazi-Verbrecher erfreuen sich selbst in hohem Alter noch einer robusten Gesundheit. Sie können und müssen deshalb vor Gericht gestellt werden“, sagte Efraim Zuroff, Direktor der israelischen Abteilung des Zentrums, der Nachrichtenagentur dpa am Freitag.
Das Wiesenthal-Zentrum hatte im Juli eine Kampagne zur Suche nach den letzten überlebenden Nazi-Verbrechern in Deutschland gestartet. Unter dem Motto „Spät. Aber nicht zu spät! Operation Last Chance II“ wurde auf Plakaten an die Bevölkerung appelliert: „Einige der Täter sind frei und am Leben! Helfen Sie uns, diese vor Gericht zu bringen.“
Der Hamburger Gerhard Sommer ist nach wie vor einer der meistgesuchten und eigentlich bereits verurteilten Nazi-Verbrecher, der in der Hansestadt offenbar in einem Altersheim lebt. Er ist die Nummer zwei auf einer Liste des Simon-Wiesenthal-Centers. Der ehemalige SS-Mann war im Jahr 2005 von einem italienischen Gericht wegen "fortgesetzten Mordes mit besonderer Grausamkeit" zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Sommer, Jahrgang 1921, kam jedoch nie in Italien in Haft. Mehrere Versuche, ihn in Deutschland anzuklagen, sind gescheitert.
Sommer war, so das italienische Gericht in La Spezia, maßgeblich beteiligt am Massaker von Sant'Anna di Stazzema in der Toskana. SS-Truppen hatten am 12. August 1944 innerhalb weniger Stunden etwa 400 bis 500 Menschen getötet. Erst im März dieses Jahres hatte Bundespräsident Joachim Gauck gemeinsam mit dem italienischen Staatschef Giorgio Napolitano an das Massaker deutscher Truppen in Sant'Anna di Stazzema 1944 erinnert.
Das Simon-Wiesenthal-Zentrum kämpft weltweit gegen Rassismus, Antisemitismus, Terrorismus und Völkermord und setzt sich für die Förderung von Toleranz ein. Bekannt wurde es mit der weltweiten Suche nach untergetauchten Nazi-Verbrechern und Kollaborateuren. Das Zentrum ist nach dem österreichischen Juden Simon Wiesenthal (1908-2005) benannt. In der NS-Zeit verlor Wiesenthal durch den Holocaust Dutzende Angehörige und forschte nach dem Zweiten Weltkrieg weltweit nach Nazi-Tätern.