„Es war verrückt, eine Schnapsidee.“ Altkanzler Schmidt wollte den entführten Arbeitgeberpräsidenten nicht gegen RAF-Terroristen austauschen. Aber er fühlt sich mitschuldig am Tod Schleyers.
München/Hamburg. Der damalige CDU-Vorsitzende Helmut Kohl wollte sich nach Darstellung von Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) im Herbst 1977 während der Entführung von Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer als Geisel zur Verfügung stellen. „Helmut Kohl hat damals angeboten, sich austauschen zu lassen“, sagte Schmidt (SPD) in einem Gespräch, das er gemeinsam mit Schleyers Sohn Hanns-Eberhard mit dem Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ führte. „Nicht ehrenhaft, es war verrückt. Die Idee, sich als Geisel gegen Hanns-Martin Schleyer austauschen zu lassen, war eine Schnapsidee.“
Seine eigene Entscheidung, die Forderungen der RAF abzulehnen und den Austausch Schleyers gegen inhaftierte Häftlinge zu verweigern, sei zu diesem Zeitpunkt längst gefallen gewesen, sagte Schmidt – und machte deutlich, dass er dazu auch heute kaum eine Alternative sieht: „Ich würde wahrscheinlich genauso handeln“, so der 94-Jährige. Die Freilassung von Terroristen im Austausch für den entführten CDU-Politiker Peter Lorenz 1975 sei ein Fehler gewesen. Er fühle sich mitschuldig an Schleyers Tod. Aber danach habe es keine Geiselnahme mehr gegeben.
Schleyer-Sohn Hanns-Eberhard Schleyer hat Schmidt seinen Respekt ausgedrückt. Schmidts Bekenntnis, eine Mitschuld am Tod Hanns-Martin Schleyers zu haben, habe ihm Respekt abgenötigt, sagte Schleyer. Ein Trost sei Schmidts Bekenntnis aber nicht gewesen.
Hanns-Martin Schleyer war am 5. September 1977 in Köln von Terroristen der Rote Armee Fraktion entführt worden. Am 19. Oktober 1977 wurde seine Leiche im französischen Mülhausen im Kofferraum eines Autos gefunden. Der damals 33-jährige Hanns-Eberhard Schleyer hatte sich während der Entführung mit Nachdruck um die Freilassung seines Vaters bemüht.
Im „SZ“-Magazin sagte Schleyer nun, es wäre besser gewesen, Schmidt hätte ihn und die anderen Mitglieder der Familie Schleyer von Anfang an über seine ablehnende Haltung zur Forderung der Terroristen informieren lassen. „Dann hätten wir uns nicht so an diese Hoffnung geklammert, dann wäre die Familie nicht so enttäuscht worden.“
Schmidt äußerte Verständnis dafür, dass Schleyer 1977 sogar bis vor das Bundesverfassungsgericht gezogen war, um die Regierung zum Einlenken zu bewegen. „Wenn ich mich an Ihre Stelle denke – was ich damals auch gemacht habe – finde ich das völlig verständlich und richtig, was Sie getan haben“, sagte der Altkanzler.