Nordkorea provoziert mit umstrittenen Raketenstart. Was als Satellitenstart angekündigt ist, wird international als verdeckter Test gesehen.
Seoul/Marrakesch. Außenminister Guido Westerwelle hat den jüngsten Raketenstart durch Nordkorea „auf das Schärfste“ verurteilt. „Nordkorea verstößt mit dieser gezielten Provokation in unverantwortlicher Weise gegen seine internationalen Verpflichtungen und verschärft die Spannungen in der Region“, sagte Westerwelle am Mittwoch vor einem Treffen der Syrien-„Freundesgruppe“ in Marrakesch.
„Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sollte eine deutliche Antwort auf diese Völkerrechtsverletzung geben.“
Das kommunistische Land hatte am Mittwoch zum zweiten Mal in diesem Jahr eine mehrstufige Unha-3-Rakete ins All geschossen - trotz aller internationaler Warnungen. Die Langstreckenrakete wurde am Mittwoch von einer Abschussrampe an der nordkoreanischen Westküste abgefeuert. Die Staatsmedien feierten den Start umgehend als Erfolg und berichteten, dass ein Satellit in die Erdumlaufbahn gebracht worden sei. Südkorea und Japan konnten jedoch zunächst nur den Abschuss der Rakete bestätigen. Die USA kritisierten das Vorgehen Nordkoreas in einer Stellungnahme als „höchst provokativ“ und drohten mit „angemessenen Schritten“.
Der frühmorgendliche Raketentest kam überraschend, hatte Pjöngjang doch erklärt, das Zeitfenster dafür wegen technischer Probleme um eine Woche bis zum 29. Dezember verlängern zu wollen. Am Mittwoch habe ein südkoreanischer Zerstörer der Aegis-Klasse jedoch gegen 10 Uhr (Ortszeit) den Raketenstart registriert, sagte der Sprecher des südkoreanischen Verteidigungsministeriums, Kim Min Seok, auf einer Pressekonferenz. Rund eine Minute nach dem Abheben der Rakete sei ihre erste Phase ins Gelbe Meer gestürzt. Das Geschoss überflog kurz darauf eine südkoreanische Insel nahe der Grenze zu Nordkorea und den Westen von Okinawa, bis es schließlich von den südkoreanischen Radarschirmen verschwand.
Japan will Uno-Sicherheitsrat anrufen
Japan äußerte umgehend scharfe Kritik am Vorgehen Nordkoreas und forderte eine Sitzung des Uno-Sicherheitsrats. Der Raketenstart sei unerlaubt, sagte Regierungssprecher Osamu Fujimura. Zudem seien bei dem Test im Westen der koreanischen Halbinsel sowie im Osten der Philippinen Trümmer niedergegangen. Zugleich rief Fujimura die Japaner zur Ruhe auf.
Südkoreas Präsident Lee Myung Bak wollte noch am Mittwoch eine Krisensitzung zur nationalen Sicherheit einberufen. Außenminister Kim Sung Hwan drohte Nordkorea mit gravierenden Konsequenzen.
Auch die USA äußerten scharfe Kritik am umstrittenen Raketentest Nordkoreas. Dieser sei ein „höchst provokativer Akt, der die regionale Sicherheit gefährdet“, teilte das Weiße Haus mit. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Tommy Vietor, nannte den Start der ballistischen Langstreckenrakete „ein weiteres Beispiel für das nordkoreanische Muster unverantwortlichen Verhaltens. Die USA seien weiter wachsam angesichts der Provokationen Nordkoreas, hieß es in einer Erklärung Vietors vom späten Dienstagabend.
Pjöngjang bezeichnete den Raketenstart derweil als Erfolg. Dem Land sei die Mission gelungen, einen friedlichen Beobachtungssatelliten ins All zu bringen, berichtete das Staatsfernsehen. Nordkoreaner quittierten die Ausstrahlung eines Sonderberichts über den Start vor den Bildschirmen mit Applaus.
Für Südkorea, Japan und den USA gilt der Satellitenstart jedoch als Vorwand Nordkoreas, um eine waffenfähige Rakete zu testen. Nach Ansicht von Washington verstößt Pjöngjang mit den Starts zudem gegen Uno-Resolutionen.
Zweiter Versuch seit Amtsantritt von Kim Jong Un
Der jüngste Raketenstart war der zweite Versuch eines solchen Tests seit der Amtsübernahme von Kim Jong Un, der nach dem Tod seines Vaters Kim Jong Il vor knapp einem Jahr Präsident wurde. Zuletzt war im April ein ähnlicher Versuch fehlgeschlagen. Das Geschoss brach damals kurz nach dem Start auseinander.
Nordkorea verfügt über Kurz- und Mittelstreckenraketen, doch mehrere Tests von Langstreckenraketen waren 1998, 2006, 2009 und 2011 gescheitert. US-Experten gehen davon aus, dass Nordkorea zwar ausreichend waffenfähiges Plutonium besitzt, um damit Dutzende Atombomben zu bestücken. Doch ist bislang nicht bekannt, dass das Land über funktionstüchtige Trägerraketen verfügt. Nach den Tests verhängte der Uno-Sicherheitsrat Sanktionen gegen Pjöngjang. Nach einer Uno-Resolution von 2009 darf Nordkorea zudem keine ballistische Raketenstarts ausführen.
Seit dem Ende des Korea-Konflikts 1953 befinden sich der Norden und der Süden der Halbinsel weiterhin formell im Kriegszustand. Damals wurde lediglich ein Waffenstillstand vereinbart.