Die syrischen Streitkräfte stimmen einer viertägigen Waffenruhe zu. Man wolle aber auf Verstöße gegen die Feuerpause reagieren können.
Beirut/Berlin. Die in Syrien ausgehandelte Waffenruhe für die Zeit des Opferfestes ist bereits vor ihrem Beginn gefährdet. Zwar haben die syrischen Streitkräfte offiziell einer viertägigen Kampfpause unter Bedingungen zugestimmt, doch einige Rebellenführer im Land erklärten bereits, die Waffen nicht ruhen lassen zu wollen. Sie berichteten zudem von der Eroberung zahlreicher Viertel der Stadt Aleppo. Wie das Staatsfernsehen am Donnerstag meldete, behielten sich die Regierungstruppen vor, auf Beschuss und Anschläge zu reagieren und den Rebellen eine Festigung ihrer Positionen zu verwehren. Zudem würden alle Versuche unterbunden, Kämpfer mit Nachschub zu versorgen.
Die Waffenruhe soll ab (morgigem) Freitag während des islamischen Opferfests Eid al Adha andauern. Sie wurde vom UN-Sicherheitsrat einstimmig befürwortet. Der Syrien-Gesandte der UN und der Arabischen Liga, Lakhdar Brahimi, der die Kampfpause aushandelte, sagte zuvor, dass ein neuerliches Scheitern einer Waffenruhe die Kämpfe noch verschärfen könnte. Bundesaußenminister Guido Westerwelle nannte die Einigung der syrischen Streitkräfte mit der oppositionellen Freien Syrischen Armee einen kleinen Hoffnungsschimmer für die leidgeprüften Menschen und einen Erfolg für Brahimi.
Hoffnung auf Halten der Waffenruhe
Doch nun komme es entscheidend darauf an, den Worten Taten folgen zu lassen, mahnte Westerwelle. „Nur wenn dies gelingt, könnte es ein erster Schritt sein, um ein weiteres Abgleiten Syriens in Bürgerkrieg und Gewalt aufzuhalten und einen politischen Neuanfang zu erreichen“, sagte er.
Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon begrüßte die Vereinbarung und forderte, alles zu tun, um sie tatsächlich umzusetzen. Ein Sprecher sagte, UN-Hilfskräfte stünden bereit, in den bisher aufgrund der Kämpfe kaum zugänglichen Gebieten humanitäre Unterstützung zu leisten. Der stellvertretende UN-Generalsekretär Jan Eliasson warnte vor einem Scheitern der geplanten Kampfpause. Er hoffe zwar, dass die Waffenruhe ab Freitag in Kraft trete, es gebe aber keine Garantien, dass Rebellen und Regierung sie auch einhalten würden, sagte er am Donnerstag. „Wir alle beobachten die Tragödie in Syrien und sind voller Hoffnung angesichts der Waffenruhe, die hoffentlich eingehalten wird.“ Wichtig sei vor allem, dass dadurch ein politisches Umfeld geschaffen werde, das Verhandlungen ermögliche.
Der Chef des Syrischen Nationalrats, der größten Oppositionsgruppe im Exil, Abdelbasset Sieda, war skeptisch, ob sich die Regierung von Präsident Baschar Assad an die Vereinbarung halten werde. „Wir warten ab, was das Regime macht. Wenn sie es akzeptieren, dann werden wir es auch akzeptieren“, sagte er. Im Gegensatz dazu kündigten Rebellenführer in Syrien an, die Kampfpause nicht zu achten. Die regierungsfeindlichen Aufständischen verfügen über keine einheitliche Führung.
In der größten Stadt des Landes kam es einen Tag vor Inkrafttreten der Waffenruhe zu schweren Kämpfen. Nach Angaben von Aktivisten und Rebellen konnten regierungsfeindliche Kräfte mehrere Stadtviertel von Aleppo erobern. Rebellen-Kommandeur Bassam al Dada sagte am Donnerstag, Kämpfer hätten die Kontrolle über zwei zentrale Viertel erlangt, unter anderem über den seit Monaten umkämpften Stadtteil Salaheddin.
Zahlreiche Tote und Verletzte in Aleppo
Auch sei es erstmals gelungen, in ein kurdisch dominiertes Viertel vorzudringen. Dabei wurden nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London neun Menschen getötet und 15 weitere verletzt. Dada erklärte, die Rebellen kontrollierten inzwischen die Hälfte de ehemaligen Wirtschaftsmetropole. Die syrische Regierung kommentierte die Gefechte in Aleppo zunächst nicht. Zudem konnten die Rebellen früher Gebietsgewinne oftmals nicht sichern, sondern mussten sich wegen der Luftangriffe der Regierungstruppen wieder zurückziehen. Ob sie jetzt in der Lage sind, die kurz vor der geplanten Kampfpause eroberten Viertel zu halten, ist noch unklar.
Unterdessen forderte ein mit der Untersuchung mutmaßlicher Kriegsverbrechen beauftragtes UN-Expertenteam den syrischen Präsidenten Assad zu einem baldigen Gespräch auf. Dieses solle „ohne jede Vorbedingung“ stattfinden, sagte am Donnerstag dessen Leiter, der Brasilianer Sergio Pinheiro. Das Expertenteam soll bis März 2013 die Ereignisse in Syrien untersuchen.