Gewerkschaften und Sozialverbände kritisieren stärkere Entlastung scharf und fordern stattdessen Bekämpfung der Altersarmut
Berlin. Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden im kommenden Jahr deutlicher entlastet als bislang angenommen. Es laufe auf eine Senkung des Rentenversicherungsbeitrages zum 1. Januar von 19,6 auf 18,9 Prozent hinaus, bestätigte der Sprecher des Bundesarbeitsministeriums, Jens Flosdorff, am Freitag in Berlin. Bislang hatte die Regierung eine Absenkung auf 19,0 Prozent geplant. Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer werde die gesamte Entlastung jeweils rund drei Milliarden Euro pro Jahr betragen, sagte Flosdorff. Das wären jeweils 300 Millionen Euro mehr als gedacht.
Der Bundestag will sich kommenden Donnerstag abschließend mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Festsetzung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung für das Jahr 2013 befassen. Das Bundeskabinett hatte den Gesetzentwurf am 17. August verabschiedet und damit zunächst lediglich die technischen Voraussetzungen für eine Senkung des Beitragssatzes geschaffen. Die endgültige Höhe des künftigen Beitrags und damit das Ausmaß der Absenkung steht in der Regel erst im Herbst vor und wird dann im parlamentarischen Verfahren angepasst.
Flosdorff sagte, der Schätzerkreis der Rentenversicherung sei bei seiner Tagung Anfang der Woche zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beitrag stärker sinken könne als zunächst angenommen. Auch hätten sich die Daten zur Finanzlage der Rentenversicherung im Vergleich zum Sommer positiv entwickelt. Zudem hätten die Annahmen der Bundesregierung zur Wirtschaftsentwicklung vom vergangenen Mittwoch dazu „beigetragen, dass man zu diesem erfreulichen Ergebnis gekommen ist“.
Der Sozialverband VdK kritisierte die nun geplante stärkere Beitragssatzsenkung. „Es ist ein völlig falsches Signal, bei ständig sinkenden Renten und drohender Altersarmut durch eine Absenkung des Beitragssatzes die bestehenden Rücklagen bis auf die Mindestrücklage aufzulösen“, kritisierte die Präsidentin des Verbandes, Ulrike Mascher, in Berlin. Stattdessen sollten die bestehenden Überschüsse in der Rentenversicherung genutzt werden, um Altersarmut zu bekämpfen.
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) betonte, die Reserven der Rentenversicherung würden dringend gebraucht, um Altersarmut wirksam zu bekämpfen. „Im ersten Schritt sollten die Mittel für eine deutliche Erhöhung der Erwerbsminderungsrente eingesetzt werden. Es ist ein Skandal, dass Beschäftigte, die durch Arbeit krank werden, auch noch durch Abschläge bei der Rente bestraft werden“, forderte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach in Berlin. Die Senkung des Rentenbeitrags sei „ohnehin keine reale Entlastung, weil sie in kurzer Zeit wie ein Bumerang als drastische Beitragserhöhung zurückkommt“.