Streitfragen wie Rente und Betreuungsgeld müssen schnell gelöst werden. Der Oktober soll Klarheit über gemeinsame Projekte bringen.
Berlin. In der schwarz-gelben Koalition sind zunehmend Lockerungsübungen auszumachen. Vor wenigen Tagen stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel der FDP überraschend eine mögliche Abschaffung der Praxisgebühr in Aussicht. Am Sonnabend machte die CDU-Chefin deutlich, dass sie in der Debatte über Altersarmut Arbeitsministerin Ursula von der Leyen unterstützen wird. Und beim Betreuungsgeld sieht inzwischen sogar die FDP die Gespräche hinter den Kulissen auf einem guten Weg. Unklar ist allerdings, wann es zum Showdown kommen wird und ob dies bei einem Dreier-Gipfel der Parteichefs oder einer Koalitionsrunde passieren wird. In den nächsten zwei Wochen wird bei Union und FDP inzwischen mit Beschlüssen über ein Gesamtpaket gerechnet. „Der Oktober ist ja noch lang“, sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring.
Eine zunächst angedachte Koalitionsrunde am vergangenen Sonntag, bei der die offenen Fragen zu Renten, Betreuungsgeld und Praxisgebühr hätten abgeräumt werden können, kam letztlich nicht zustande. „Die Kompromisslinien waren noch nicht konkret genug“, sagte ein Regierungsvertreter. Die Spitzen von Union und FDP wollen erst dann einen Gipfel, wenn eine Einigung so gut wie in Sack und Tüten ist, um wenige Monate vor dem Wahljahr nicht erneut ein Bild der Zerstrittenheit abzugeben.
Dabei steht die schwarz-gelbe Koalition unter erheblichem Zeitdruck. Wenn sie in dieser Legislaturperiode noch das Thema Altersarmut oder die Anrechnung von mehr Kinderbetreuungszeiten für Mütter in der Rentenversicherung anpacken will, hat sie nur noch ein Fenster von wenigen Wochen, um die nötigen Gesetzesvorhaben auf den Weg zu bringen.
Aus Sicht führender Unionspolitiker liegt der Schwarze Peter im Lager der FDP. Denn dort sorge das Machtvakuum zwischen Partei- und Fraktionsspitze dafür, dass niemand etwas entscheiden könne.
Die FDP sieht das anders. Bei der Praxisgebühr hätte es aus ihrer Sicht längst eine Einigung geben können. Die Zeit zur Abkehr von der ungeliebten Zehn-Euro-Abgabe sei angesichts der horrenden Überschüsse im Gesundheitswesen überreif. Die FDP ist sich ihrer Sache inzwischen so sicher, dass sie schon von einem Aus für die Praxisgebühr zum 1. Januar 2013 spricht.
Beim Betreuungsgeld haben die Liberalen dagegen derzeit kein Interesse daran, auf die Tube zu drücken. Denn sie wollen CSU-Chef Horst Seehofer nicht den Triumph gönnen, das von seiner Partei durchgedrückte, in den anderen Koalitionsparteien aber ungeliebte Projekt schon auf dem Parteitag Ende der Woche in München als Erfolg feiern zu können. Danach jedoch dürfte es hier Bewegung geben. Zur Entspannung beitragen könnte, dass die FDP inzwischen von ihrem Vorhaben abgerückt ist, zum Betreuungsgeld schwarz auf weiß ein Konzept vorzulegen. Der Vorschlag werde wohl eher mündlich in die Gespräche eingebracht, heißt es nun. Enthalten sein soll darin die alte Idee zur Auszahlung der Leistung in Form von Gutscheinen sowie zur Bildungsförderung.
Einig sind sich Union und FDP darin, dass sich alle Streitthemen zu einem großen, sehr komplexen Paket verdichtet haben. Beispiel Betreuungsgeld: In der Union wollen die Frauen eigentlich nur zustimmen, wenn sie Mütter in der Rentenversicherung in irgendeiner Weise besser stellen können. Die FDP wiederum will weder für das Betreuungsgeld noch bei der Rente Steuermittel ohne Gegenfinanzierung bereitstellen.
Kaum zu vermeiden wird dabei sein, dass es am Ende wie auf einem Basar zugehen wird. Beide Seiten hatten einen solchen Eindruck eigentlich vermeiden wollen, doch räumt auch die FDP inzwischen ein, dass sich Tauschgeschäfte am Ende nicht vermeiden lassen.
Angesichts der intensiven Bemühungen auf allen Seiten ist einem Regierungsmitglied zufolge zu erwarten, dass um das kommende Wochenende herum Entscheidungen in der Koalition fallen werden. Spätestens in zwei Wochen dürfe somit klar sein, was die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode noch durchsetzen will und kann – und was ansonsten in den Wahlprogrammen für 2013 landen wird.