Unmittelbar vor der Europawahl hat der Vizepräsident der EU-Kommission, Günter Verheugen, von den Regierungen einen energischem Schuldenabbau gefordert.
Hamburg/Brüssel. Angesichts der Wirtschaftskrise hat EU-Industriekommissar Günter Verheugen vor Inflation gewarnt. „Ich sehe keine Gefahr für die Stabilität des Euro, wenn die nationalen Regierungen wie vorgeschrieben und von allen versprochen nach der Krise die Schuldenlast energisch abbauen", sagte VErheugen dem Hamburger Abendblatt (Sonnabend-Ausgabe). "Tun sie das nicht, besteht große Inflationsgefahr.“
Der Vizepräsident der EU-Kommission wies Forderungen aus Frankreich nach einer Lockerung des Euro-Stabilitätspakts zurück. „Die Veränderung der Stabilitätskriterien ist nicht notwendig“, sagte er. „Wie sich gezeigt hat, ist das jetzige System flexibel genug, um den Staaten auch in einer noch nie da gewesenen Krisensituation angemessene Reaktionen zu erlauben.
Verheugen richtete einen eindringlichen Appell an die Mitgliedstaaten: „Wir dürfen das Ziel, so schnell wie möglich zu ausgeglichenen Haushalten zu kommen, unter keinen Umständen aufgeben. Anhaltende exzessive Staatsverschuldung wäre bei unserer Bevölkerungsentwicklung eine unerträgliche Last für spätere Generationen.“
Zugleich unterstützte Verheugen den Vorschlag, der Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz, vorgeschlagen, für seine Nachfolge zu nominieren. „Es versteht sich von selbst, dass ich diesen Vorschlag unterstütze.“ Aus den Reihen der CDU war zuletzt immer wieder der frühere Vorsitzende der Unionsfraktion, Friedrich Merz, genannt worden. Verheugen gibt sein Amt nach zwei Perioden auf.
An die russische und die amerikanische Regierung appellierte Verheugen, unternehmerische Verantwortung für den angeschlagenen deutschen Autobauer Opel zu übernehmen. „Ich erwarte von allen künftigen Eigentümern, dass sie sich als solche verhalten und das unternehmerische Risiko auf Dauer selber tragen und nicht beim deutschen Steuerzahler abladen.“ Nach dem jetzigen Konzept werde Magna nicht der größte Anteilseigner sein. "Das sind die Russen und die Amerikaner, letztlich jeweils die Regierung.“ Verheugen forderte die Bundesregierung auf, darauf zu achten, dass „Opel nicht zum Fass ohne Boden wird“.
Der Vizepräsident der EU-Kommission hält es zudem für möglich, dass nach Opel auch der Handelskonzern Arcandor mit Staatshilfen gerettet werden muss. „Das ist ja genau das Problem, wenn der Staat einmal eingreift: Sind die Beschäftigten bei Arcandor weniger wert als die bei Opel?“ fragte er. Verheugen bekräftigte, dass europäisches Recht staatlichen Bürgschaften für Arcandor nicht grundsätzlich entgegenstehe. EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes habe lediglich „deutlich gemacht, dass Hilfen des deutschen Staates für Arcandor von der Kommission gesondert geprüft und genehmigt werden müssen, weil der Konzern schon vor der Wirtschaftskrise in Schwierigkeiten war“.
Das europäische Recht erlaube Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen, wenn „eine ausreichende Erfolgsgarantie gegeben ist, das Unternehmen also auf Dauer wettbewerbsfähig bleibt“, hob Verheugen hervor. „Man darf dabei aber nie vergessen, dass jedes Unternehmen mindestens einen Eigentümer hat. Und der ist zuerst gefordert.“ Ohnedies könne der Staat „nur helfen, wenn es nicht zu Lasten anderer geht und das staatliche Engagement zeitlich eng begrenzt ist“.