Trotz Schwierigkeiten sieht de Maizière die Sicherheitslage in Afghanistan auf einem guten Weg. Einschätzung international umstritten.
Masar-i-Scharif/Kundus. Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) ist zu einem Blitzbesuch nach Afghanistan gereist. Er besuchte dort die Bundeswehr-Feldlager in Masar-i-Sharif und Kundus. „Ohne dass wir die Afghanen auch fordern, die Sicherheitslage in die eigene Hand zu nehmen, werden sie es nicht tun“, sagte de Maiziere im nordafghanischen Kundus. De Maiziere sprach davon, die Ausbildung der afghanischen Soldaten energisch vorantreiben zu wollen, damit sie nach dem Abzug der ausländischen Kampftruppen ab 2015 selbst am Hindukusch für Sicherheit sorgen kann. Er sehe zudem „erstmals seit vielen Jahren“ eine Verbesserung der Sicherheitslage in Afghanistan. „Wir haben einen Rückgang der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle um 25 Prozent in ganz Afghanistan und um die Hälfte im Norden“, erklärte de Maizière.
Die Einschätzung des Verteidigungsministers ist international umstritten. Die Vereinten Nationen zählten bis Ende November landesweit 21 Prozent mehr Vorfälle als im Vorjahreszeitraum. Die Internationale Schutztruppe Isaf meldete am Mittwoch den Tod von fünf Soldaten bei einem Anschlag in Ostafghanistan, wo vor allem US-Truppen stationiert sind. Nähere Einzelheiten nannte die Schutztruppe nicht. Es ist der verlustreichste Anschlag für die Isaf seit Ende Oktober, als 13 ihrer Angehörigen in Kabul getötet wurden.
Möglicherweise sei etwas spät mit dem Partnering begonnen worden, also dem gemeinsamen Einsatz ausländischer und afghanischer Truppen, und damit, die Afghanen auch zu fordern, sagte de Maizière in Bezug auf die Ausbildung der afghanischen Truppen. Ohne das Partnering werde es aber keine Fortschritte geben. Zugleich betonte de Maiziere, dass die geplante Verringerung der deutschen Truppen ab Anfang 2012 unter dem Vorbehalt stehe, dass die Sicherheitslage dies zulasse. Er sei jedoch gedämpft zuversichtlich.
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Der Abzug werde nicht einfach zu organisieren sein, warnte de Maiziere später in Masar-i-Scharif, wo die Bundeswehr ihr Hauptquartier im Norden Afghanistans unterhält. „Viele unterschätzen, wie kompliziert ein Abzug ist (...): Der technische Vorgang eines Abzuges und die politischen Bedingungen dafür zu schaffen, dass nach dem Abzug nicht alles umsonst war, weswegen Sie hier waren“, sagte der Minister in einer Rede vor Soldaten. Dies sei schwierig. „Es gibt keine Garantie, dass es Erfolg hat, aber es gibt sicher eine Garantie, dass es keinen Erfolg hat, wenn wir so weitermachen wie bisher, auf ewig hierbleiben, oder wenn wir einfach gehen und verbrannte Erde hinterlassen.“ So, wie der schrittweise Abzug nun geplant sei, gebe es eine gute Chance auf Erfolg. „In bestimmter Form werden wir dann auch nach 2014 hierbleiben und sehen dass, was Sie, Ihre Vorgänger und Nachfolger erreicht haben, dann auch nachhaltig Erfolg hat“, fügte de Maiziere kurz vor dem zehnten Jahrestag des Einsatzbeginns hinzu.
Der Abzug der internationalen Kampftruppen dürfe kein Vakuum in Afghanistan hinterlassen, mahnte der Minister mit Blick auf den Abzug der Sowjetarmee, die keine stabile Polizei und Armee hinterließ und auch die Gelder für die Sicherheitskräfte kappte. Mit dem Aufbau der afghanischen Streitkräfte sei die internationale Gemeinschaft in den vergangenen anderthalb Jahren gut vorangekommen, die Sollstärke für Armee und Polizei sei nahezu erreicht. Nun müsse der Aufbau jedoch weiter begleitet werden, damit er nachhaltig Erfolg habe. „Die Zahl alleine ist es nicht“, erklärte de Maiziere. Es gehe um Zuverlässigkeit, die Qualität der Ausbildung und eine ausreichende Bezahlung der Sicherheitskräfte. Bis 2014 wolle sich die Bundeswehr jedoch etwas zurückziehen und mehr Partner als bestimmende Kraft bei den Operationen werden. Bei der Ausrüstung der afghanischen Armee gebe es noch offene Fragen. Momentan sei die Truppe mit leichter Infanterie ausgestattet, verfüge aber kaum über fliegendes Gerät und nicht über schwere Waffen. „Das wird alles zu überlegen sein, ohne dass man jetzt den Afghanen Dinge zur Verfügung stellt, die nachher irgendwo auf dem Hof herumstehen und nicht genutzt werden können.“
De Maizière dankte zudem den deutschen Soldaten in den Feldlagern in Kundus und Masar-i-Scharif zudem für ihren Einsatz. „Ich bin heute gekommen, um Ihnen meinen persönlichen Respekt zu zollen für die Erfüllung des Auftrags“, sagte er. Zwar sei der Einsatz in der eigenen Bevölkerung umstritten. „Aber die Leistungen der Soldaten sind nicht umstritten. Die finden große Anerkennung.“ Mit Blick auf Weihnachten fügte der Minister hinzu: „Es sind Millionen Menschen in Deutschland, die in diesen Tagen in Gedanken bei Ihnen sind.“
De Maizières Afghanistan-Besuch war aus Sicherheitsgründen wie üblich bis zuletzt geheim gehalten worden. Es war bereits die vierte Afghanistan-Reise von de Maizière als Verteidigungsminister. Er wurde bei diesem Besuch von den Obleuten des Verteidigungsausschusses und vom Wehrbeauftragten des Bundestags, Hellmut Königshaus, begleitet. Noch am Abend wollte die Delegation nach Berlin zurückfliegen.
In der vergangenen Woche hatte das Bundeskabinett ein neues Mandat für den Afghanistan-Einsatz beschlossen. Damit wird der Abzug der Truppen eingeleitet. Mit Beginn des neuen Mandates Anfang Februar sollen nur noch 4900 deutsche Soldaten am Hindukusch stationiert sein, bisher waren es bis zu 5350. Bis Anfang 2013 soll die Truppe auf 4400 Soldaten verkleinert werden. Am 26. Januar will der Bundestag über das Mandat abstimmen. Der Afghanistan-Einsatz dauert nun rund zehn Jahre. Die gefährlichste Mission der Bundeswehr kostete bisher 52 Soldaten das Leben. Deutschland stellt hinter den USA und Großbritannien das drittgrößte Kontingent in der Nato-geführten Schutztruppe Isaf. Auch nach dem Ende des Nato-Kampfeinsatzes 2014 soll sich die Bundeswehr nach jetziger Planung weiterhin an der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte beteiligen.
Mit Material von dpa/rtr